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       # taz.de -- Neues Videoformat von NDR-Orchester: Corinna Harfouch und der Bergkönig
       
       > Nicht bloß virtuell ins Konzert: Die NDR-Radiophilharmonie packt
       > klassische Musik in ein neues Videoformat – zum Auftakt „Peer Gynt –
       > Solveigs Lied“.
       
   IMG Bild: Das brutalistische Ihme-Zentrum wird zur Halle des Bergkönigs: Corinna Harfouch in „Solveigs Lied“
       
       Bremen taz | Sie gehören zu bekanntesten Orchesterstücken der klassischen
       beziehungsweise romantischen Musik: „In der Halle des Bergkönigs“,
       „Solveigs Lied“ oder die „Morgenstimmung“ können viele wohl aus dem
       Gedächtnis pfeifen. Da ist es einleuchtend, dass Edvard Griegs „Peer
       Gynt“-Suiten eine der ersten Produktionen des neuen [1][NDR-Videoformats
       „Konzert Plus“] gewidmet ist. Seit dem 22. April – ganz genau: um
       Mitternacht – ist der Film gratis im Netz zu sehen.
       
       Auch [2][die NDR-Radiophilharmonie] muss sich Alternativen zum brach
       liegenden Konzertbetrieb suchen: Unter normalen Bedingungen gibt das in
       Hannover ansässige Orchester über 100 Live-Konzerte, die dann größtenteils
       im Radiosender NDR Kultur gesendet werden. Im Fernsehen ist es dagegen eher
       selten zu sehen – [3][„Hochkultur“ gilt auch unter Öffentlich-Rechtlichen
       gern als Quotenkiller]. Und so landen auch die „KonzertPlus“-Produktionen
       erst mal ausschließlich im
       
       Mit insgesamt 26 Sätzen sind Griegs zwei Suiten ein orchestrales
       Monumentalwerk, das nur selten vollständig aufgeführt wird. Die sieben
       bekannteste Sätze passen dagegen gut in ein knapp 50 Minuten langes
       Programm – da bleibt sogar noch Zeit für ein Rahmenprogramm: Für „Konzert
       Plus“ werden die jeweils gespielten Kompositionen „in erweiterte Kontexte
       gestellt“, erfahren wir im Pressetext, „verbinden sich mit Filmbildern,
       Texten, Schauspiel, Interviews und mehr“. Bei Peer Gynt bot sich das umso
       mehr an, als Edward Grieg damit eine „Schauspielmusik“ zu einem
       dramatischen Gedicht Henrik Ibsens komponierte, aus dem dieser [4][eine
       Bühnenfassung] entwickelte.
       
       Wie schon bei der Auswahl der berücksichtigten Sätze war auch hier radikale
       Reduzierung nötig: Regisseur Alexander Radulescu entschied sich dafür, die
       Episoden, auf welche sich Griegs Musik bezieht, in wenige prägnante Sätze
       zusammenzufassen. Diese legt er Solveig in den Mund, der ewig auf ihren
       geliebten Peer wartenden Frau, nun gespielt von Corinna Harfouch: Sie hält
       einen großen, von Radulescu selbst verfassten Monolog, in dem sie – den
       konsequenterweise im Film gänzlich abwesenden – Peer anspricht, mit viel
       Melancholie, und so die musikalischen Sätze in der Erzählung verortet.
       
       ## Genauer Blick auf die Partitur
       
       Mal sitzt sie dabei auf einer Parkbank und strickt, im Satz „Asses Tod“
       dann pflegt sie ein altes Grab, und während der „Halle des Bergkönigs“
       wandelt sie durchs Industrieruinen-Ambiente in Hannovers Ihme-Zentrum. Ist
       die Bildfindung oft sehr offensichtlich, leistet sich Radulescu manchmal
       aber auch ein Augenzwinkern: Zum „Arabischen Tanz“ sinniert Harfouch in
       einem Chinarestaurant, und wenn sie einige Verse aus Ibsens Text rezitiert,
       sieht man sie tatsächlich das entsprechende Reclambändchen lesen.
       
       Doch die Hauptsache ist die Musik, und die wurde mit genauem Blick auf die
       Partitur aufgenommen. So sieht man nun jeweils die Musiker*innen in
       Nahaufnahme, die gerade etwas Interessantes spielen. Den
       Instrumentalist*innen und dem Dirigenten Hossein Pishkar lässt sich
       gut bei ihrer Arbeit zusehen – besser als das von den Rängen in einem
       realen Konzert möglich wäre. Auch der rhythmische Schnitt macht deutlich:
       Hier war ein Filmteam am Werk, das sein Handwerk versteht, und das ist
       gerade bei Konzertfilmen alles andere als selbstverständlich.
       
       Und da das so gefilmte Konzert in einem echten Konzertsaal stattfindet,
       sieht man im Hintergrund auch die leeren Stuhlreihen – als ständige
       Erinnerung: Das alles kann nur ein Ersatz sein für ein wirkliches Erlebnis.
       
       9 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://ndr.de/konzertplus
   DIR [2] https://www.ndr.de/orchester_chor/radiophilharmonie/index.html
   DIR [3] /Musik-und-Literatur-im-Radio/!5745254
   DIR [4] /Lars-Eidinger-in-der-Berliner-Schaubuehne/!5659973
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Hippen
       
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