URI: 
       # taz.de -- Finanzmarktkritiker über Wirecard: „Happy mit der Kuschelaufsicht“
       
       > Finanzminister Scholz und Wirtschaftsminister Altmaier scheuten Konflikte
       > mit Finanzakteuren, sagt Gerhard Schick von der „Bürgerbewegung
       > Finanzwende“.
       
   IMG Bild: Bei Altmaier sei das Kuscheln mit den Wirtschaftsprüfern noch „viel schlimmer“ als bei Scholz
       
       taz: Herr Schick, kann sich ein Betrugsskandal wie Wirecard wiederholen? 
       
       Das hängt davon ab, ob dieses Mal, anders als in der Vergangenheit, die
       erforderlichen Reformen erfolgen. Das sehe ich noch nicht.
       
       Finanzminister Olaf Scholz hat nach dem Wirecard-Skandal [1][ein
       Reformpaket vorgelegt]. Reicht das nicht? 
       
       Es geht an dieser Stelle nicht [2][nur um den Finanzminister Olaf Scholz],
       sondern auch um Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der für die Aufsicht
       der Wirtschaftsprüfer zuständig ist. Eine Baustelle ist aber in der Tat die
       Finanzaufsicht Bafin. Ein Teil unserer Forderungen ist erfüllt. Eine Task
       Force für schnelles Eingreifen bei einem Verdacht ist gut, auch eine
       Fokusaufsicht für besonders komplexe Unternehmen. Aber einige Punkte
       fehlen.
       
       Welche? 
       
       Der ganze Bereich Anleger- und Verbraucherschutz ist weiterhin nur ein
       kleiner Bereich in der Wertpapieraufsicht. Diese Sicht, Anleger vor
       möglichen Betrügereien zu schützen, ist nach wie vor völlig unterbelichtet
       bei der Bafin. Die Schnittstelle zum Finanzministerium ist nach wie vor
       ungeklärt. Die Rechtsaufsicht hat nicht funktioniert, als die Bafin sich
       bei dem Leerverkaufsverbot für Aktien von Wirecard nicht an die Regeln
       gehalten hat. Das politische Lobbyieren von Wirecard hat dazu geführt, dass
       es auf Regierungsseite eine freundliche Unterstützung von Wirecard gab. Man
       muss sicherstellen, dass politische Interessen nicht die Aufsichtsarbeit
       behindern.
       
       Wird die Aufsichtsarbeit besser? 
       
       Es gibt nach wie vor keine Verpflichtung der Bafin, zu ermitteln und
       einzugreifen. Die öffentliche Kontrolle fehlt. Andere Aufsichtsbehörden
       geben viel besser Einblick in ihre Arbeit. Sie verstehen sich mehr als
       Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger, während die Bafin im Wesentlichen
       zu Banken- und Versicherervorständen kommuniziert. Wir brauchen einen
       Kulturwandel von einer Kuschelaufsicht zu einer wirklich schlagkräftigen
       Aufsicht. Die Bundesregierung hat die Chance nicht genutzt, endlich eine
       bundeseinheitliche Börsenaufsicht einzurichten. Scholz springt bei der
       Reform der Finanzaufsicht bisher zu kurz.
       
       Die Arbeit des Wirecard-Untersuchungsausschusses hat [3][die Chefs der drei
       wichtigsten Finanzaufsichtsbehörden den Job gekostet: der BaFin], der
       Wirtschaftsprüferaufsicht Apas und der Deutschen Prüfstelle für
       Rechnungslegung. Hätten sie ohne den Ausschuss einfach weitermachen können? 
       
       Alle drei Behördenleiter haben an ganz wichtigen Stellen versagt, das ist
       niemandem aufgefallen. Selbst als Wirecard aufflog, haben die Minister
       Altmaier und Scholz nicht das Nötige getan, um für eine personelle
       Neuaufstellung zu sorgen. Erst der Untersuchungsausschuss hat die
       entscheidenden Fragen gestellt, die die drei aus dem Amt gehievt haben. Die
       Bereitschaft von Altmaier und Scholz, wirklich aufzuräumen nach dem
       Wirecard-Skandal, war nicht vorhanden. Sie sind erst durch den
       parlamentarischen Druck tätig geworden. Das ist erschreckend.
       
       Warum ist das so? 
       
       Es fehlt die Bereitschaft, sich mit den Mächtigen am Finanzmarkt anzulegen.
       Die Branchenverbände sind ganz happy mit dieser Kuschelaufsicht. Scholz
       will es sich nicht mit Banken, Fonds und Versicherern verderben. Bei
       Altmaier ist das Kuscheln mit den Wirtschaftsprüfern noch viel schlimmer.
       Er zeigt nicht nur eine Nullaktivität, im Bereich Wirtschaftsprüfung
       richtige Reformen anzustoßen. Im Gegenteil, er bremst sie aus.
       
       Die meisten Aufseher kommen aus der Branche. Kontrolliert die
       Finanzindustrie in Deutschland sich selbst? 
       
       So kann man das sehen. Nach der Bankenkrise 2008 hatte man allen Grund
       aufzuräumen, Verantwortliche auszutauschen. Da ist nichts passiert. Man hat
       über 70 Milliarden Steuergeld für die Bankenrettung ausgegeben, aber im
       Kern hat man nichts verändert. Jetzt passiert etwas Ähnliches wieder. Unter
       dem öffentlichen Druck wird ein Minimum gemacht, aber die wirklich großen
       Sachen werden bisher nicht angegangen.
       
       22 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Wirecard-Skandal/!5748694
   DIR [2] /Reform-der-Bankenaufsicht/!5744997
   DIR [3] /Neuer-Bafin-Chef-nach-Wirecard-Skandal/!5748236
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
       ## TAGS
       
   DIR Wirecard
   DIR Olaf Scholz
   DIR Peter Altmaier
   DIR Finanzmarkt
   DIR Betrug
   DIR Kanzlerkandidatur
   DIR Wirecard
   DIR Thriller
   DIR Finanzmarkt
   DIR Cum-Ex-Geschäfte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR SPD-Bundesparteitag: Scholz als Kanzlerkandidat bestätigt
       
       Beim digitalen Bundesparteitag der SPD wurde Olaf Scholz als
       Kanzlerkandidat bestätigt. Das SPD-Wahlprogramm verspricht soziale
       Klimapolitik.
       
   DIR Kanzlerin im Wirecard-Ausschuss: Kontakt zu Guttenberg „erstorben“
       
       Die Kanzlerin muss sich im Untersuchungsausschuss über ihren Einsatz für
       Wirecard äußern – und erzählt vom dreisten Agieren ihres Ex-Ministers.
       
   DIR Wirecard-Skandal als Doku-Thriller: Die verschwundenen Milliarden
       
       RTL strahlt einen Film über den größten Finanzskandal der deutschen
       Nachkriegsgeschichte aus – leider ohne den politischen Hintergrund.
       
   DIR Die Wahrheit: Die vier Wirtschaftsmeisen
       
       Turbulenzen auf dem Finanzmarkt? Die einzig sichere Bank bei all den
       dauernden Betrügereien sind die Checker von Ernst & Young und Konsorten.
       
   DIR Scholz-Auftritt wird Wahlkampfmanöver: Der späte Zeuge
       
       SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz soll im Hamburger
       Cum-Ex-Untersuchungsausschuss gehört werden. Die SPD möchte das aus dem
       Wahlkampf raushalten.