# taz.de -- Berliner TV-Serie „Para“: Einmal Para machen
> Kämpfen für ein gutes Leben zwischen Abitur und Dealerei: Eine neue Serie
> zeigt, dass diese oft erzählte Zerrissenheit nicht nur ein Männerthema
> ist.
IMG Bild: Protagonistinnen von „Para“: Fanta, Hajra, Rasaq und Jazz (v. l. n. r.)
Das Wort „Para“ bedeutet auf Türkisch Geld und hat einen ziemlich geilen
Klang, wenn man das „R“ auch rollt. Dass es mittlerweile Eingang in die
deutsche Sprache gefunden hat, liegt an deutschen Dichtern und Denkern wie
dem Rapper Haftbefehl.
„Para“ ist heute popkultureller Code, mit dem man sich gerne auch dann
schmückt, wenn man selbst immer genug davon hatte, heute, wo Rap so
erfolgreich ist und auch in den Feuilletons als Kunst anerkannt wird. Für
viele Menschen hat das Wort jedoch immer noch eine unangenehme Note, es
steht für Existenzkampf, Probleme, aber auch Hoffnung.
Davon erzählt die TNT-Serie „Para“, die am Donnerstag Premiere feiert: Vier
junge Frauen aus dem Berliner Wedding, die einfach ein okayes Leben haben
wollen, so mit Familie, Freunden, Arbeit und Spaß, kämpfen gegen ihr
soziales Schicksal an, und geraten dabei in noch größere Probleme. Hajra
(Soma Pysall) wurde gerade aus dem Jugendarrest entlassen, ihr Vater ist
krank, ihre Mutter setzt sie wegen ihres Lebensstils unter Druck, sie
träumt von einer Ausbildung und wird von rassistischen Ladendetektiven
angepöbelt.
Rasaq (Roxana Samadi) arbeitet als Zahnärztinassistentin und möchte einen
Mann heiraten, den ihre Eltern ihr vorgeschlagen haben, damit sie wegkommt
von der Straße. Jazz (Jeanne Goursaud), deren Familie Hartz IV empfängt,
möchte Tänzerin werden, jobbt aber noch in einer Bar. Fantas (Jobel
Mokonzi) Mutter versucht die Familie als Verkäuferin und Reinigungskraft
über Wasser zu halten, das gelingt ihr kaum, und Fanta, die kurz vor dem
Abitur steht, muss neben dem lebensentscheidenden schulischen Druck
aushelfen.
## Einfach nehmen
Wenn eine von den vier Frauen das Wort Para ausspricht, hört sich das
ziemlich cool an. Aber für sie ist es nicht nur ein Begriff aus einem
HipHop-Track, sondern steht für einen Lebenskampf. Es passt gut, [1][dass
Rapper wie Haftbefehl] Namensgeber dieser Serie sind, denn von ihnen kommt
nicht nur dieser Name, sondern auch die Geschichte.
Sie geht so: Wenn uns dieses System nicht die Chance gibt, auf legalem Wege
ein einigermaßen gutes Leben zu führen, nehmen wir uns das gute Leben eben
auf illegalem Weg. Diese Option eröffnet sich den Frauen, als sie in der
Wohnung eines bekannten Dealers, in die eingebrochen worden ist, Kokain
finden, das die Einbrecher vergessen haben. Es beginnt ein Abwägen, ob
dieser gefährliche Weg es wert ist, gegangen zu werden oder ob es nicht
auch das bisschen Etwas kaputtmacht, das man sich mühevoll aufgebaut hat.
Hajra sagt: „Wir waren immer in der Scheiße, und hätten wir uns nie was
gezockt, dann wäre es noch beschissener gewesen.“
Sie sagt: „Wollt ihr nicht mal was anderes?“
Sie fragt Rasaq: „Dein Vater arbeitet sich den Arsch ab in der Werkstatt,
jeden verfickten Tag, man. Und ihr kommt gerade so durch. Und das soll
gerecht sein?“
Hajra versucht auch die anderen zu überzeugen: „Einmal im Leben Para
machen!“
Hundertfach wurde dieser Plot in Serien gesehen und in Tracks gehört. Aber
an „Para“ ist neu, dass hier nicht die Typen ticken, boxen und ficken,
sondern junge, durchsetzungsstarke und wütende Frauen, die sich über die
Typen lustig machen, die sie boxen und ficken.
## Nicht romantisieren
Das macht die Serie realistischer als bisherige [2][Gangster-Serien wie
„Dogs of Berlin“], „Skylines“ oder „4 Blocks“, wo Frauen primär als
Partnerinnen von Gangstern erscheinen. An vorderster Front agieren sie
höchstens auf der anderen Seite, auf der des Staates und der Polizei.
Dennoch schließt „Para“ ästhetisch und atmosphärisch an diese Vorbilder an,
was auch daran liegen mag, dass [3][die „4-Blocks“-Macher Quirin Berg und
Max Wiedemann] zum Produzententeam gehören. Özgür Yıldırım, bekannt durch
das Hamburger Gangsterdrama „Chiko“ sowie die zweite und dritte Staffel von
„4 Blocks“, führte die Regie.
Bei all diesen Formaten und auch bei „Para“ muss man schließlich aufpassen,
die erzählten Geschichten nicht zu romantisieren. Die Tendenz dazu ist
unbestritten da, denn am Ende haben die vier Freundinnen ja doch immer
irgendwie ihren Spaß.
Außerdem geht es ganz grundsätzlich nicht darum, noch eine Serie und noch
einen Track mehr über Armut zu haben, damit auch die Kids aus dem Grunewald
mal in dieses harte Leben eintauchen können. Sondern es geht darum, den
realen sozialen Gehalt dieser Geschichten in der Realität abzuschaffen.
22 Apr 2021
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Volkan Ağar
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