URI: 
       # taz.de -- Kretschmer in Moskau: Eine naive Reise
       
       > Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fliegt nach Moskau –
       > und sucht Dialog. Eine Verhöhnung russischer Oppositioneller.
       
   IMG Bild: Michael Kretschmer (CDU) legt am Grab des unbekannten Soldaten in Moskau einen Kranz nieder
       
       Es klingt nach einem schlechten Film: Am Mittwochabend landete Sachsens
       Ministerpräsident Michael Kretschmer in Moskau. Sein Besuch steht im
       Zeichen der Kultur: Kretschmer soll die gemeinsame Ausstellung der
       Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Tretjakow-Galerie, „Träume von
       Freiheit“, eröffnen.
       
       Wüssten die [1][russischen Demonstrant:innen], die gleichzeitig in
       Moskau und anderen russischen Städten auf den Straßen waren, davon, sie
       würden sich wohl verhöhnt vorkommen. Von Freiheit träumen sie nämlich
       tatsächlich. Nicht nur für sich und ihr Land, sondern aktuell besonders für
       Alexei Nawalny, den inhaftierten Kremlkritiker, dem sie ihre Solidarität
       ausdrückten.
       
       Nawalny schwebt [2][seit Tagen in Lebensgefahr], ihm drohe Nierenversagen
       und Herzstillstand, heißt es, nachdem er vor über zwei Wochen in den
       Hungerstreik getreten war. Über Instagram lässt Nawalny Nachrichten an
       seine Anhänger:innen überbringen und bezeichnet sich dort selbst als
       „schwankendes Skelett in der Zelle“.
       
       Am Tag von Kretschmers Ankunft hielt Präsident Putin dann auch noch seine
       alljährliche Rede zur Lage der Nation. Erwartungsgemäß kein Wort über
       Nawalny, kein Wort über den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine.
       
       ## Als würden Putin Worte beeindrucken
       
       Dass ein Ministerpräsident einer Regierungspartei zu Pandemiezeiten unter
       diesen Bedingungen nach Russland aufbricht, grenzt an Lächerlichkeit. Für
       einen Besuch gebe es wohl keinen schlechteren Zeitpunkt als diesen.
       Besonders in schwierigen Zeiten müsse man im Dialog bleiben, sagt
       Kretschmer aber. Dabei wird wohl mit keinem anderen Land so viel Dialog
       geführt wie mit Russland.
       
       Mit Putin will Kretschmer während seines Besuchs übrigens auch sprechen –
       am Telefon jedenfalls. Selbst wenn er die Lage an der ukrainischen Grenze
       und Nawalnys Gesundheitszustand ansprechen wird, wem ist damit geholfen?
       Ukrainischen Soldaten? Dem sterbenden Nawalny?
       
       Man muss schon sehr naiv sein, um zu glauben, Putin würden Worte
       beeindrucken.
       
       Aber Kretschmer legt noch einen drauf: Sollte die europäische
       Arzneimittelbehörde [3][den Impfstoff Sputnik V] zulassen, werde
       Deutschland 30 Millionen Impfdosen kaufen, kündigte er an. Cleverer
       Schachzug, Herr Ministerpräsident. In seiner ostdeutschen Heimat hört man
       das bestimmt gern.
       
       22 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Opposition-in-Russland/!5768348
   DIR [2] /Opposition-in-Russland/!5768118
   DIR [3] /Gemeinsame-Impfstoff-Strategie-vor-Aus/!5759277
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erica Zingher
       
       ## TAGS
       
   DIR Russland
   DIR Sachsen
   DIR Michael Kretschmer
   DIR Wladimir Putin
   DIR Russland
   DIR Russland
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Chemnitz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nach Festnahme von Kremlkritiker: U-Haft für Piwowarow
       
       Der Oppositionspolitiker Andrej Piwowarow ist zu zwei Monaten Haft
       verurteilt worden. Obwohl er seine regierungskritische Gruppe aufgelöst
       hatte.
       
   DIR Opposition in Russland: Landesweite Proteste
       
       In Moskau haben am Mittwoch 250.000 Menschen demonstriert, es blieb
       überwiegend friedlich. In anderen Städten griff die Miliz härter durch.
       
   DIR Gemeinsame Impfstoff-Strategie vor Aus: Sputnik V spaltet EU
       
       Der russische Impfstoff Sputnik V gehört nicht zum EU-Portfolio. Berlin
       will ihn nun selbstständig einkaufen – und lässt Brüssel isoliert dastehen.
       
   DIR Michael Kretschmer in Chemnitz: Der Herausforderer
       
       Sachsens Ministerpräsident muss sein Land vor der AfD retten. Aber wie,
       wenn selbst der Hitlergruß so viele schon nicht mehr stört?