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       # taz.de -- WDR-Sendung „Freitagnacht Jews“: Echte Juden im Fernsehen
       
       > Was bedeutet es heutzutage jüdisch zu sein in Deutschland? Dieser Frage
       > geht Daniel Donskoy in der wöchentlichen WDR-Sendung mit seinen Gästen
       > nach.
       
   IMG Bild: Daniel Donskoy isst, trinkt und diskutiert mit Mirna Funk und Susan Sideropoulos (v.l.n.r.)
       
       Wer ist die wohl unbeliebteste Schicksalsgemeinschaft in Deutschland? Na?
       Die Juden, ist doch klar. Haha. So begrüßt Daniel Donskoy, eigentlich
       Schauspieler und Musiker, als Moderator der WDR-Sendung „Freitagnacht
       Jews“, die Zuschauer:innen in der zweiten Folge.
       
       Er habe „keinen Bock auf den ganzen jüdischen Holocaust-Kram“, sagt
       Donskoy. In „Freitagnacht Jews“ soll es nicht um die Vergangenheit gehen,
       sondern um die Gegenwart. Um lebende Juden also. Donskoy lädt sich jede
       Folge Gäste ein, bekocht sie, trinkt und diskutiert mit ihnen. In seiner
       Sendung will er herausfinden, was es heute bedeutet jüdisch zu sein in
       Deutschland.
       
       Da stellt sich doch gleich eine entscheidende Frage: Ist das jetzt eine
       Sendung für Juden? Oder für Deutsche? Für alle? Ganz Goj-freundlich werden
       jedenfalls während der Sendung jüdische Begriffe und ihre zugehörige
       Bedeutung eingeblendet – und zu Beginn einmal geklärt, wer denn nun
       eigentlich ein Jude sei. Ab diesem Punkt wird es etwas herausfordernder für
       nichtjüdische Zuschauer:innen.
       
       In jeder Folge stellt Donskoy eine These auf, die diskutiert werden soll.
       These der Folge 1: Einmal Jude, immer Jude? Seine Gäste sind die
       Schauspielerin Susan Sideropoulos und [1][Schriftstellerin Mirna Funk],
       gegessen werden Latkes (herzhaft, nicht süß), dazu trinkt man Wein und
       Schnaps.
       
       ## Die Frage der Repräsentation
       
       Ziemlich schnell kommt die Runde zum Wesentlichen: Es geht um
       Repräsentation, die Frage, wer für die jüdische Community in Deutschland
       sprechen kann (Antwort: niemand aus der Runde) und das Verhältnis zur
       Mehrheitsgesellschaft. Die nämlich, benutze Jüdinnen und Juden gerne, um
       sie für alle jüdischen Menschen sprechen zu lassen, sagt Funk. An Donskoy
       sei im Vorfeld der Sendung jemand herangetreten und habe gesagt, er sei
       nicht der richtige Jude dafür, weil er sein Jüdischsein nicht so lebe.
       
       Wann ist man jüdisch genug für die Mehrheitsgesellschaft? Und was bedeutet
       es, jüdisch zu sein? Für Sideropoulos ist es eine „Gefühlsangelegenheit“,
       eine Wärme und Geborgenheit, eine Lebensphilosophie, die sie an ihre Kinder
       weitergeben möchte. Funk hingegen verbindet vor allen Dingen eine
       philosophische Denkweise mit dem Jüdischsein, eine, wie sie sagt, die man
       besonders heute ganz gut gebrauchen könnte.
       
       In der zweiten Folge „Freitagnacht Jews“ trifft Donskoy auf seinen alten
       Schulkameraden Max Czollek. Dass die beiden durch diese Vergangenheit
       teilweise unangenehm ankumpeln, darüber muss man wohl als Zuschauerin
       hinwegsehen.
       
       [2][Czollek wurde durch sein Werk „Desintegriert euch!“] bekannt, in dem er
       über Zugehörigkeit und das leere Versprechen von Integration schreibt, und
       das so allgemeingültig geschrieben ist, dass Czollek für viele Menschen
       tatsächlich zum Repräsentanten einer jüdischen Generation wurde.
       
       ## Wie das Judentum in sein Leben kam
       
       Dazu passend wählt Donskoy seine These für diese Folge aus. Sie lautet: Der
       Antisemitismus ist so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass er
       einfach nicht mehr wegzukriegen ist. Czollek gibt das die Möglichkeit, den
       Inhalt seines Buchs zu rezitieren. Wer es bereits gelesen, wird sich an
       dieser Stelle wohl etwas langweilen.
       
       Spannend wird es in dieser Folge, wenn Donskoy davon erzählt, wie das
       Judentum in sein Leben kam. Er selbst ist russischsprachiger Jude und kam
       mit seiner Familie aus der Sowjetunion nach Berlin. Das erste Mal setzte er
       sich bewusst mit seiner jüdischen Identität auseinander, als ein
       Schulkamerad nicht mehr neben ihm sitzen wollte – weil er Jude war. Oder
       als Czollek von seiner Erfahrung an der jüdischen Schule erzählt, „es war
       ein Raum, in dem konnte man genervt sein von Juden, weil es war ein
       mehrheitlich jüdischer Raum“.
       
       Es ist wahrscheinlich das erste Mal im deutschen Fernsehen, dass
       gegenwärtige jüdische Menschen in einer Sendung zusammenkommen und sich
       über das Leben als Jüdinnen und Juden in Deutschland austauschen.
       
       „Das mag nun zu Beginn etwas komisch wirken“, sagt Mirna Funk. Man mache
       ein bisschen „Jew Porn“. Denn es ist eben nicht normal, Jüdinnen und Juden
       sprechen zu hören. Und zwar über Themen, die nicht immer etwas mit
       Antisemitismus zu tun haben müssen.
       
       25 Apr 2021
       
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