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       # taz.de -- Krise in Somalia: Mogadischu wieder Kampfzone
       
       > Statt Wahlen abzuhalten, verlängert Somalias Präsident seine Amtszeit. In
       > der Hauptstadt bekämpfen sich nun Teile der Streitkräfte gegenseitig.
       
   IMG Bild: Somalias neue Kriegergeneration: Hawiye-Kämpfer in Mogadischu am Sonntag
       
       Nairobi taz | Die politischen Spannungen in Somalia über verschobene Wahlen
       eskalieren in bewaffnete Auseinandersetzungen in der Hauptstadt. Am Sonntag
       beschossen sich zwei verschiedene Teile der Armee gegenseitig nicht weit
       vom Präsidentenpalast in Mogadischu. Es ist unklar, wie viele Opfer es gab.
       
       Am Montag wurde weiter geschossen. Lokale Medien berichten, dass mehrere
       Hundert Militärs, die die Verlängerung der Amtszeit von [1][Präsident
       Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmaajo“] ablehnen, sich an strategischen Orten
       im Nordteil der Stadt verschanzt haben.
       
       Die Amtszeit des Präsidenten, der seit 2017 im Amt ist, war eigentlich am
       8. Februar abgelaufen, aber es gelang den somalischen Institutionen nicht,
       rechtzeitig [2][Wahlen zu organisieren]. Vor zwei Wochen hatte Somalias
       Parlament daher mit überwältigender Mehrheit die Verlängerung der Amtszeit
       um zwei Jahre beschlossen.
       
       Der Senat lehnte das als verfassungswidrig ab. Die politische Opposition
       wie auch die UNO und die Afrikanische Union kritisierten den Schritt
       ebenfalls: Sie fürchteten neue Instabilität im Land. Die ist nun
       eingetreten.
       
       Bei den Kämpfen am Sonntag wurden schwere Waffen wie unter anderem
       Raketenwerfer eingesetzt. Während der Kämpfe sagte ein aufständischer
       Soldat der US-Presseagentur AP: „Wir können nicht noch einmal leben mit
       einem Siad Barre.“ Das war [3][Somalias einstiger Diktator], der 1991 von
       Rebellen gestürzt wurde. Seitdem hat das Land keine stabile Regierung mehr.
       
       Einwohner von Mogadischu bleiben seit Sonntag möglichst zu Hause, während
       es auf den Straßen von Militär und Polizei wimmelt. Die wichtigen
       Verkehrsadern sind alle blockiert.
       
       ## Kein Entrinnen aus den Clanrivalitäten
       
       Die Aufständischen kommen wahrscheinlich von Stützpunkten außerhalb der
       Stadt und gehören überwiegend zum mächtigen [4][Hawiye-Clan], dem die
       beiden Expräsidenten Hassan Sheikh Mohamud und Sharif Sheikh Ahmed
       angehören. Die zwei haben geschworen, Farmaajo, der zum ebenfalls mächtigen
       Darod-Clan gehört, zu entfernen, wenn er nicht zu Verhandlungen über die
       Wahlen zurückkehrt oder zurücktritt. Beide sagen, dass Farmaajo-treue
       Soldaten ihre Häuser attackiert hätten. Die Regierung verneint das. In
       Mogadischu herrscht vorläufig ein Patt.
       
       In Somalia wird alles vom Clansystem kontrolliert. Politische
       Zusammenarbeit ist schwierig für die Leiter der Clans, sie wollen alle so
       viel Macht wie möglich für die eigene Gruppe. Aber Farmaajo, der lange in
       den USA gelebt hat, gewann vor vier Jahren die indirekten Wahlen mit der
       Unterstützung nicht nur seines eigenen Clans. Viele Somalier glaubten, dass
       er über den Clanstreitigkeiten stehen würde. Aber darin wurden sie
       enttäuscht. Um seine Wiederwahl 2021 zu sichern, spielte auch er die
       Clankarte.
       
       Die Wahlen sollten schon im Dezember 2020 stattfinden, dann Anfang Februar
       2021. Aber Farmaajo, die Opposition und zwei der fünf somalischen
       Bundesstaaten – Puntland und Jubaland – konnten sich nicht über das
       Abstimmungsverfahren einigen. Somalia hat ein einzigartiges Wahlsystem: Es
       gibt keine direkten Wahlen, sondern die Führer der Clans wählen die
       Abgeordnete des Parlaments und die fünf Bundesstaaten wählen den Senat.
       Parlament und Senat zusammen wählen dann einen Präsidenten.
       
       In den letzten vier Jahren sollte Farmaajo diese vorläufige Verfassung in
       eine dauerhafte Verfassung verwandeln, die direkte Wahlen garantiert. Er
       hat das nicht geschafft, und direkte Wahlen in Somalia gelten ohnehin noch
       nicht als realisierbar wegen der großen Unsicherheit im Land, das zu großen
       Teilen von den islamistischen Shabaab-Rebellen kontrolliert wird.
       
       26 Apr 2021
       
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