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       # taz.de -- Testpflicht in Unternehmen: Bremen testet Corona-Sozialismus
       
       > Corona-Tests sind in Zukunft nicht nur an Schulen, sondern auch in
       > Unternehmen und der Verwaltung Pflicht, zumindest im Stadtstaat Bremen.
       
   IMG Bild: Demnächst Pflicht auch im Betrieb: Corona-Selbsttest
       
       Hamburg taz | Das Land Bremen will im Alleingang eine Coronatestpflicht in
       Betrieben einführen. Wie der Bremer rot-rot-grüne Senat am Dienstag
       beschlossen hat, müssen sich ab dem 10. Mai alle Beschäftigten in
       Unternehmen und Verwaltungen, die nicht im Homeoffice arbeiten, zweimal
       wöchentlich testen. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD)
       verwies auf die Vorschriften für die Schulen: „Was bei Kindern und
       Jugendlichen sinnvoll ist, das muss auch bei Erwachsenen möglich sein.“
       
       Mit seinem Grundsatzbeschluss verschärft der Senat die bundesweite
       Arbeitsschutzverordnung, die seit dem 20. April vorschreibt, dass Betriebe
       ihren Beschäftigten [1][Selbsttests anbieten müssen]. In Bremen müssen sie
       dieses Angebot nun auch annehmen.
       
       Schon die Pflicht, dieses Angebot zu machen, war bei den
       Wirtschaftsverbänden auf Kritik gestoßen. Es liege „im ureigensten
       Interesse jedes einzelnen Betriebes“, Erkrankte schnell zu identifizieren,
       um Ansteckungen von Kollegen oder Kunden zu verhindern, sagte
       [2][Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer], als die Verordnung in Kraft
       trat. „Die Schnelltests dafür bezahlen wir gerne, dafür brauchen wir kein
       Gesetz.“
       
       Die Testpflicht stelle das politische Misstrauen in das unternehmerische
       Verantwortungsbewusstsein unter Beweis, sagte Björn Ipsen,
       Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein.
       
       „Völlig ungeklärt bleibt, wie Arbeitgeber gegenüber Beschäftigten das
       Testangebot durchsetzen können“, kommentierte Uli Wachholz, Präsident der
       [3][Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein
       (UV Nord)] den Kabinettsbeschluss.
       
       ## Kein zahnloser Tiger
       
       Bremen ist an dieser Stelle jetzt einen Schritt weiter, auch wenn die
       Ergänzung der Corona-Verordnung keine Sanktionen und Kontrollpflichten
       vorsieht. „Wenn man Sanktionen daran knüpfen würde, ginge damit automatisch
       mehr Bürokratie einher“, sagt Cornelius Neumann-Redlin,
       Hauptgeschäftsführer der [4][Unternehmensverbände im Land Bremen].
       
       Gleichwohl sei die Regelung kein zahnloser Tiger. Denn zum einen hätten die
       Unternehmen ein Interesse, dass es nicht zu Infektionen komme; zum anderen
       rechnet er mit der Rechtstreue der Unternehmer und Beschäftigten. Sich zu
       testen sei jetzt eine „Nebenpflicht im Arbeitsverhältnis“, die der
       Arbeitgeber einfordern könne.
       
       Mit der echten Testpflicht entstünden den Firmen höhere Kosten, weil sich
       Beschäftigte bisher eben auf eigene Kosten getestet hätten oder kostenlose
       öffentliche Testangebote wahrnahmen. „Gleichwohl tragen die
       Unternehmensverbände eine Testannahmepflicht mit, bringt diese doch uns
       alle dem Ziel näher, zu einer Öffnung des gesellschaftlichen Lebens zu
       kommen, etwa durch eine Wiedereröffnung der Außengastronomie“, sagt
       Neumann-Redlin.
       
       Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DBG) unterstützt die Initiative des Senats
       und ruft alle Beschäftigten auf, sich zu testen. Das trage zum Schutz aller
       bei. „Wer sich testen lässt, ist solidarisch mit seinen Kolleginnen und
       Kollegen“, findet Annette Düring, Vorsitzende des DGB Region
       Bremen-Elbe-Weser.
       
       Es gebe sowohl Unternehmen, die ihren Mitarbeitern unnötigerweise
       verweigerten, im Homeoffice zu arbeiten, als auch Beschäftigte, die sich
       nicht testen lassen wollten. Dabei erzeuge ein Ausbruch in einem Betrieb
       fast automatisch einen Coronahotspot. Das Testen vergleicht sie mit den
       unspektakulären Regeln des normalen Arbeitsschutzes: „Wenn Sie eine
       Baustelle betreten, müssen Sie einen Helm tragen.“
       
       ## Lückenschluss in der Pandemiebekämpfung
       
       Aus Sicht der Linken schließt der Beschluss eine große Lücke bei der
       Pandemiebekämpfung des Bundes, die die Testpflicht in Schulen vorschreibe,
       Unternehmen aber außen vor lasse. „Wenn sich 80.000 Kinder in Bremen
       zweimal die Woche testen müssen, dann können das Erwachsene auch“, sagte
       die Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis. An den Schulen laufe das Testen
       reibungslos. Der Senat könnte aus Sicht der Linken deshalb auf die
       vorgesehene Übergangszeit verzichten.
       
       Bremen hatte sich in der vergangenen Woche im [5][Bundesrat] für eine echte
       Testpflicht in Betrieben als Teil der Bundesnotbremse stark gemacht. Der
       Antrag fand keine Mehrheit, obwohl das Infektionsschutzgesetz die
       Testpflicht für Schulen ausdrücklich vorsieht. Lehrer und Schüler dürfen
       nur am Präsenzunterricht teilnehmen, wenn sie sich zweimal pro Woche
       testen.
       
       Der anderen großen Hansestadt, Hamburg, scheint das zumindest fürs Erste zu
       reichen. Die Pflicht, in Unternehmen Tests anzubieten, sei über die in
       Hamburg geltende Regelung hinausgegangen, teilt der rot-grüne Senat mit. Er
       habe „diese weitergehende Regelung begrüßt“. Niedersachsen und
       Schleswig-Holstein nahmen bis Redaktionsschluss nicht Stellung.
       
       27 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Massnahmen-gegen-dritte-Coronawelle/!5760962
   DIR [2] https://www.zdh.de/?1=&cHash=ca81a78096134a547f290061895f7f2a
   DIR [3] https://www.uvnord.de/
   DIR [4] https://uvhb.de/aktuelles/
   DIR [5] /Neues-Infektionsschutzgesetz/!5762508
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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