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       # taz.de -- Datenschutzexperte über die Luca-App: „Haufenweise Sicherheitslücken“
       
       > Bei der Kontaktverfolgungs-App Luca werden immer mehr Probleme deutlich.
       > Der Datenschutzexperte Malte Engeler beschreibt die App als
       > Überwachungssystem.
       
   IMG Bild: Auch in Cafés kommt die Luca-App zum Einsatz, wie hier am Timmendorfer Strand
       
       taz: Herr Engeler, was müsste passieren, damit Sie sich die Luca-App auf
       dem Smartphone installieren? 
       
       Malte Engeler: Ich glaube, man müsste mich schon unter Gewaltandrohung dazu
       zwingen.
       
       So schlimm? 
       
       Ja, absolut. [1][Es ist ein System, das an zentraler Stelle sehr sensible
       Informationen erfasst], nämlich wer sich wann wo und auf welcher Art von
       Veranstaltung aufgehalten hat. Das kann auch eine Betriebsratsversammlung
       sein oder ein Gottesdienst. Dazu kommen haufenweise Sicherheitslücken und
       Datenschutzverstöße. Aber abgesehen von diesen beiden Punkten – ich sehe
       überhaupt keinen Bedarf.
       
       Das scheinen viele Nutzer:innen anders zu sehen. Mitte April gab es mehr
       als 3 Millionen Downloads und auch von der alternativ zur App angebotenen
       Schlüsselanhängern sind mindestens mehrere Tausend im Umlauf. 
       
       Ich bezweifle, dass es tatsächlich einen Bedarf der Bevölkerung nach der
       Luca-App gibt. Es gibt einen Bedarf nach Wiedererlangung grundsätzlicher
       Freiheiten. Die Luca-App ist ein Symbol, ein Versprechen. Und das wird
       natürlich dankend angenommen.
       
       Sie ist ja auch – bei allen Unzulänglichkeiten in Sachen Technik und
       Datenschutz – eine Lösungsidee für ein reales Problem: Bei der
       Zettelwirtschaft in Restaurants haben immer wieder Gäste falsche Daten
       angegeben und manche Betreiber:innen wenig Wert darauf gelegt, dass
       diese Zettel nicht in fremde Hände geraten. 
       
       Das stimmt, [2][die Luca-App löst das Problem, dass wir unsere Daten] auf
       Zettel schreiben müssen. Ich glaube aber nicht, dass es das Problem ist,
       das wir lösen müssen. Denn eigentlich sollte es darum gehen: Wie können wir
       möglichst viele Ansteckungen verhindern? Es geht also darum, Teilnehmende
       einer Veranstaltung zu warnen, bei der es einen Infektionsfall gab. Damit
       die nicht ihrerseits weitere Menschen anstecken. Und wenn man da eine
       technische Lösung will, ist zum Beispiel die Check-in-Funktion der
       Corona-Warn-App besser.
       
       Wieso? 
       
       Zum einen, weil sie die Teilnehmenden einer Veranstaltung direkt warnt. Und
       nicht den Umweg über die Gesundheitsämter geht, was ja den Prozess
       verzögert. Und zum anderen, weil sie das auf sehr datensparsame Weise tut.
       Bei Luca werden sehr sensible Informationen an zentraler Stelle
       gespeichert. Das ist bei der Corona-Warn-App nicht der Fall.
       
       Die Gesundheitsämter zu umgehen, könnte auch ein Nachteil sein. Wenn etwa
       Warnungen über die App weniger ernst genommen werden als via
       Gesundheitsamt. 
       
       Das ist eine Befürchtung, ja, aber das muss nicht so sein. Und wenn sich
       andererseits mehr Menschen von der datensparsamen Corona-Warn-App
       überzeugen lassen und sie nutzen, könnte sie unterm Strich sogar mehr
       Infektionsketten stoppen. Aber das ist alles viel Spekulation in dem
       Bereich, schließlich haben wir noch nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür,
       dass Luca das Infektionsgeschehen überhaupt beeinflussen kann. Und es gibt
       ein weiteres Problem: Man muss davon ausgehen, dass mit [3][dem
       Luca-System] etwas geschaffen wird, das nach der Pandemie nicht einfach
       wieder verschwindet. Es gibt jetzt schon Geschäftsmodelle, die sich in den
       Werbematerialien von Luca finden, die nach der Pandemie bleiben werden.
       
       Und zwar? 
       
       Beispielsweise als Impfnachweis oder als ein System, das künftig bei
       Großveranstaltungen zum Einsatz kommt.
       
       Das klingt erst mal nicht so problematisch. 
       
       Man muss sich bewusst machen, dass es sich hier um ein Überwachungssystem
       handelt. Und die Erfahrung zeigt: Einmal geschaffene Überwachungssysteme
       werden nicht wieder abgeschafft. Sondern, selbst wenn ihr ursprünglicher
       Zweck eines Tages nicht mehr vorhanden sein sollte, für andere Zwecke
       verwendet.
       
       Wie kommt es eigentlich, dass es damals bei der Corona-Warn-App eine breite
       Diskussion um Datenschutz und Vertrauen gab, die dazu führte, dass die App
       eine privatsphärefreundliche Open-Source-Anwendung wurde und jetzt kaufen
       staatliche Stellen reihenweise Luca-Lizenzen? 
       
       Ich glaube, die Corona-Warn-App war einfach ein kleiner Ausreißer. Auch ich
       habe damals gehofft, es wäre der Anfang von einem Umdenken, aber das war es
       nicht. Wahrscheinlich war bei der Corona-Warn-App der ausschlaggebende
       Punkt, dass Google und Apple …
       
       … also die Betreiber der beiden maßgeblichen Smartphone-Betriebssysteme …
       
       … technisch auf das datensparsame, dezentrale Modell gesetzt haben. Die
       Politik war also gezwungen, sich für dieses Modell zu entscheiden. Mit
       Überzeugung hatte das anscheinend nichts zu tun.
       
       Es gibt jetzt schon Läden und Restaurants, die sagen: Ohne Luca kommt ihr
       bei mir nicht rein. 
       
       Ja, und da wir in Deutschland Vertragsfreiheit haben, wird das zulässig
       sein. Der Weg dagegen kann aber Protest sein, den man diesen Läden oder
       Lokalen entsprechend kommuniziert.
       
       Aber wie kann es sein, dass der Staat Bürger:innen über diesen Umweg
       quasi zwingt, eine nicht legal einsetzbare App zu suchen? 
       
       Das frage ich mich auch. Ich glaube, die Politik will einfach ein System,
       mit dem sie Hoffnung aussenden kann. Ob dieses System funktioniert, scheint
       vollkommen gleichgültig zu sein. Und es blendet einen wichtigen Aspekt aus:
       Wir haben aufgehört darüber zu reden, dass es auch eine Möglichkeit gibt,
       ohne diese Technologien auszukommen. Denn die sind ja nur Krücken, weil
       unsere Infektionszahlen viel zu hoch sind, um Infektionsketten noch manuell
       nachverfolgen zu können und es trotzdem den Wunsch nach Öffnungen gibt.
       
       Müsste es da nicht eine staatliche Stelle geben, die sagt: „Stopp, so geht
       das nicht“? 
       
       Wir haben es hier auch mit einem Versagen der Datenschutzaufsichtsbehörden
       zu tun. Ein System, das technisch so eklatant schlecht ist wie die
       Luca-App, müsste von den Behörden von Beginn an entsprechend hart
       angegangen werden. Stattdessen machen nun ein Haufen Ehrenamtliche in ihrer
       Freizeit den Job, auf die Lücken hinzuweisen. Das kann nicht sein.
       
       28 Apr 2021
       
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