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       # taz.de -- #MeToo in Frankreich: Urteil gegen Aktivistin gekippt
       
       > Eine 48-Jährige hatte online gegen sexuelle Belästigung mobilisiert und
       > war wegen Verleumdung verurteilt worden. Nun entschied ein Gericht für
       > sie.
       
   IMG Bild: Im September 2019 war die Journalistin Sandra Muller wegen Verleumdung verurteilt worden
       
       Paris taz | Ein Berufungsgericht in Frankreich hat das Urteil gegen die
       Initiatorin des Hashtags #BalanceTonPorc gekippt. Im September 2019 war die
       heute 48-jährige Journalistin Sandra Muller von einem Pariser Gericht wegen
       Verleumdung verurteilt worden. Sie hatte den Kläger auf Twitter im Kontext
       der internationalen #MeToo-Kampagne mit dem französischen Hashtag
       #BalanceTonPorc (Verpetze dein Schwein) wegen einer sexuellen Belästigung
       angeprangert. [1][Deswegen sollte sie ihm 15.000 Euro Schadenersatz
       bezahlen].
       
       Doch in der zweiten Runde hat Sandra Muller den Kampf für sich entschieden.
       Das Berufungsgericht hat alle Forderungen des Klagenden, Eric Brion,
       abgewiesen. Das Gegenteil hätte zweifellos für den Kampf gegen den Sexismus
       in all seinen Formen sehr nachteilige Folgen gehabt.
       
       Denn Sandra Muller, die derzeit in den USA lebt und wegen der
       Reisebeschränkungen der Covid-Pandemie nicht nach Paris kommen konnte, ist
       fast unabsichtlich zu einem Symbol der weltweiten #MeToo-Bewegung geworden,
       in der die Opfer von Vergewaltigungen, sexuellen Angriffen und
       Belästigungen vor der Netzwerköffentlichkeit auspacken und ihre fast
       durchweg männlichen Aggressoren beim Namen nennen.
       
       Unter dem Eindruck des Weinstein-Skandals in den USA veröffentlichte sie im
       Oktober 2017 mehrere Kommentare mit dem damals neuen Hashtag
       #BalanceTonPorc. Sie schrieb dazu die klare Aufforderung: „Auch du solltest
       erzählen und mit Details und Namen sagen, was du beruflich als sexuelle
       Belästigung erlebt hast. Ich warte…“ Das Echo war auch für sie unerwartet
       groß.
       
       ## Brion hatte das Verhalten zugegeben
       
       Wahrscheinlich hatte sie ebenso wenig damit gerechnet, dass der ehemalige
       Medienboss Brion [2][im Gegenzug eine Verleumdungsklage gegen sie
       einreichen würde]. Er hatte nämlich zugegeben und bereut, die von ihr
       zitierte vulgäre Bemerkung über ihren Busen und die anzügliche Aufforderung
       zu Sex gemacht zu haben. Nur wollte er dann offenbar doch nicht in die
       Gesellschaft eines Harvey Weinstein gestellt werden. Das kaufte ihm die
       erste Gerichtsinstanz ab, die ihm auch zugute hielt, es habe in seinem Fall
       keine Form sexueller Erpressung und keine berufliche Zusammenarbeit
       vorgelegen.
       
       Im Gegensatz dazu erweitert das Berufungsgericht mit seinem Urteil das
       Recht der Opfer sexueller Belästigungen und Aggression, im Internet Details
       und Namen zu nennen, ohne deswegen mit einer Verleumdungsklage konfrontiert
       zu werden. Statt die Opfer einzuschüchtern, werden diese damit ermutigt,
       das Schweigen ohne Angst vor Repressalien zu brechen.
       
       31 Mar 2021
       
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   DIR Rudolf Balmer
       
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