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       # taz.de -- RKI-Bericht zu Geimpften: Eine Grundlage für Lockerungen
       
       > Laut RKI spielen Geimpfte bei der Virusverbreitung „keine wesentliche
       > Rolle“. Gerichte könnten diese Erkenntnis nun nutzen.
       
   IMG Bild: Ein Altenheim will seine Cafeteria öffnen. Könnten Geimpfte auch in die Kantine des Paul-Löbe-Haus?
       
       Freiburg taz | Das dürfte der Durchbruch sein: Das Robert Koch-Institut
       (RKI) hat festgestellt, dass gegen Corona Geimpfte das Virus kaum noch
       weitergeben können. Das geht aus einem Papier des Instituts vom 31. März
       hervor, das der taz vorliegt. Mit dieser Analyse dürften viele
       Einschränkungen für Geimpfte nicht mehr zu rechtfertigen sein. [1][Wenn die
       Politik keine Lockerungen für immunisierte Menschen beschließt, könnten es
       die Gerichte durchsetzen.]
       
       Das RKI-Papier, das den aktuellen Forschungsstand zusammenfasst, wurde im
       Auftrag der jüngsten Bund-Länder-Konferenz erstellt. Das Institut sollte
       erklären, „ob bzw. ab welchem Zeitpunkt geimpfte Personen mit so
       hinreichender Sicherheit nicht infektiös sind, dass eine Einbeziehung in
       Testkonzepte möglicherweise obsolet wird“.
       
       Die Antwort fällt kurz aus: „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das
       Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft
       wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten
       Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests
       bei symptomlosen infizierten Personen.“
       
       Die Impfung habe bei allen zugelassenen Impfstoffen „hohe Schutzwirkung“,
       so das RKI. Selbst wenn es nach einer Impfung noch zu einer Infizierung
       kommt, sei „die Viruslast signifikant reduziert“ und halte „weniger lange“
       an. Geimpfte würden bei der Ausbreitung der Krankheit „wahrscheinlich keine
       wesentliche Rolle mehr spielen“.
       
       [2][Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) griff den RKI-Bericht am
       Wochenende auf und sagte der Bild am Sonntag:] „Wer vollständig geimpft
       wurde, kann in Zukunft wie jemand behandelt werden, der negativ getestet
       wurde.“ Wenn die dritte Welle der Coronapandemie gebrochen sei und weitere
       Öffnungsschritte gegangen würden, käme dies zum Tragen.
       
       [3][Für Spahn ist dies ein bemerkenswerter Schritt. Schließlich lehnte der
       Gesundheitsminister noch vor wenigen Monaten Vorrechte für Geimpfte ab.]
       „Viele warten solidarisch, damit einige als Erste geimpft werden können.
       Und die noch nicht Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften
       solidarisch gedulden“, sagte Spahn kurz vor Jahreswechsel.
       
       Spahns Sinneswandel schafft nun aber keine neue Lage. Zum einen ist Spahn
       für die Coronabeschränkungen gar nicht zuständig; darüber entscheiden die
       Landesregierungen für das jeweilige Bundesland.
       
       Und wenn die Politik untätig bleibt, dann können auch die Gerichte
       Lockerungen für Geimpfte durchsetzen. Auf ein Ende der dritten Welle kommt
       es dabei voraussichtlich nicht an. Klagen können nicht nur Geimpfte,
       sondern auch Restaurants oder Clubs, die für Geimpfte öffnen wollen.
       
       ## Verweis auf die unklare Datenlage nicht mehr haltbar
       
       Ein Fall ist schon beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Das
       Seniorenzentrum Mühlehof in Steinen bei Lörrach (Südbaden) will seine
       Cafeteria wieder für die geimpften BewohnerInnen des Heimes öffnen. Die
       Cafeteria soll auch nur mit geimpftem Personal bewirtschaftet werden. Die
       SeniorInnen sollen endlich wieder in Gemeinschaft essen und zusammenkommen
       können. Da in Baden-Württemberg jedoch alle gastronomischen Einrichtungen
       geschlossen sind, beantragte der Mühlehof eine Ausnahmegenehmigung, die ihm
       das Landratsamt Lörrach verweigerte.
       
       Die folgenden Klagen scheiterten am Verwaltungsgericht Freiburg und beim
       Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim – jeweils mit dem Argument, es sei
       wissenschaftlich noch nicht ausreichend belegt, dass Geimpfte nicht mehr
       ansteckend sind. Dagegen hatte der Mühlehof Verfassungsbeschwerde
       eingelegt.
       
       Nach dem RKI-Bericht dürfte der Verweis auf eine unklare Datenlage nicht
       mehr haltbar sein. Möglicherweise wird sich der VGH schon in den kommenden
       Tagen aufgrund einer Anhörungsrüge selbst korrigieren. Sonst muss Karlsruhe
       entscheiden.
       
       ## In Supermärkten und Bahnen sieht es anders aus
       
       [4][Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, machte am
       Wochenende in einem Interview jedenfalls klar,] dass es auf die
       naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ankommt. „Für die Beurteilung der
       grundrechtlichen Auswirkungen der Impfungen ist voraussichtlich von
       Relevanz, ob eine Impfung nur vor eigener Erkrankung oder zuverlässig auch
       vor der Weitergabe des Virus an Dritte schützt“, sagte er der WAZ.
       
       Wenn der Mühlehof Erfolg hat, werden vermutlich viele andere Anbieter
       ebenfalls auf Ausnahmen vom allgemeinen Shutdown pochen. Immer wenn der
       Impfstatus kontrolliert werden kann, dürften die rechtlichen Chancen gut
       stehen.
       
       Anders dürfte es aber für die Maskenpflicht im Supermarkt und im Nahverkehr
       aussehen. Diese ist bei Geimpften zur Gefahrenabwehr zwar auch nicht mehr
       zu rechtfertigen. Weil hier aber keine Kontrollen üblich sind, würde eine
       Ausnahme für Geimpfte wohl auch von vielen Ungeimpften ausgenutzt. Deshalb
       könnte zur Sicherung des AHA-Konzeptes (Abstand, Hygiene, Masken im Alltag)
       die Maskenpflicht wohl auch für Geimpfte bestehen bleiben.
       
       In Deutschland sind bereits rund zehn Millionen Menschen geimpft. 4,3
       Millionen von ihnen haben bereits die zweite Impfung erhalten. Es sind
       nicht nur Alte, sondern auch ÄrztInnen, Pflegepersonal, PolizistInnen und
       Lehrkräfte.
       
       6 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Privilegien-fuer-Corona-Geimpfte/!5735545
   DIR [2] https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/gesundheitsminister-spahn-verspricht-geimpfte-duerfen-frei-reisen-75951604,view=conversionToLogin.bild.html
   DIR [3] https://www.morgenpost.de/vermischtes/article231223598/Corona-Impfung-Erhalten-Immunisierte-Sonderrechte.html
   DIR [4] https://www.waz.de/politik/corona-verfassungsgericht-harbarth-id231952773.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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