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       # taz.de -- Impfung von Berufsbetreuer*innen: In der Warteschleife
       
       > Berufsbetreuer*innen arbeiten mit Menschen, die ein hohes
       > Corona-Infektionsrisiko haben. Auf eine Impfung warten sie bislang
       > vergebens.
       
   IMG Bild: Direkter Kontakt: ein Berufsbetreuer berät beim Ausfüllen eines Formulars
       
       Hamburg taz | Nathalie B*. ist Berufsbetreuerin in Hamburg. Die
       Endvierzigerin betreut etwa 60 Klient*innen, die ihr Leben ohne fremde
       Hilfe nicht mehr bewältigen können. Viele ihrer [1][Klient*innen leben
       in Pflege- oder Flüchtlingsheimen, sind obdachlos, befinden sich oft im
       Krankenhaus oder in der Psychiatrie] – in der Vergangenheit alles Hotspots
       von Corona-Ausbrüchen.
       
       Die Folge: Nicht weniger als ein Drittel der Menschen, die Nathalie B. vor
       einem Jahr betreute, erkrankten im Verlauf der vergangenen zwölf Monate an
       Covid-19, fünf von Ihnen starben. „Es gibt kaum eine andere Berufsguppe,
       die so viel mit Menschen direkt zu tun hat, die aufgrund ihrer
       Lebenssituation ein so extremes Infektionsrisiko haben“, berichtet Nathalie
       B.
       
       So ist nicht nur sie ansteckungsgefährdet, sondern würde – bei einer
       unbemerkten Infektion – das Virus auch schnell verbreiten. Zudem verstünden
       viele ihrer Klient*innen den Sinn der AHA-Maßnahmen – Abstand halten,
       Hygieneregeln beachten, Atemschutzmaskenmaske tragen – gar nicht, berichtet
       die Betreuerin. Immer wieder nähmen sie ihre Masken ab, weil sie sie beim
       Sprechen störten, und sie hielten keinerlei Abstand, da sie – oft ohne
       Partner*innen und Angehörige – menschliche Nähe suchten. „Da helfen oft
       auch keine ermahnenden Worte“, sagt Nathalie B.
       
       Seit Wochen bemüht sich die Betreuerin deshalb um eine
       Corona-Schutzimpfung. Da Nathalie B. ein Lungenleiden hat, das aber nicht
       auf der Liste der Krankheiten steht, die zu einer frühen Impfberechtigung
       führen, fürchtet sie um ihre Gesundheit. So wählte sie die Nummer der
       Hotline, die Impftermine vergibt und schilderte ihrer Gesprächspartnerin
       ihren Arbeitsalltag und bat um eine Impfzulassung.
       
       ## Die Klient*innen suchen menschliche Nähe
       
       Ihre Gesprächspartnerin fand zwar, so berichtet Nathalie B., dass es „nicht
       sein könne, dass jemand mit einem solchen Arbeitsrisiko nicht bevorzugt
       geimpft werde“, durchkämmte dann alle Bestimmungen, um schließlich
       resigniert festzustellen: „Ich kann ihnen leider keinen Termin geben.“ Denn
       die Betreuer*innen stehen nicht auf der bundesweiten Liste der
       Berufsgruppen mit einer hohen oder gar der höchsten Impfpriorität – sie
       gehören, zumindest in Hamburg, zu den vergessenen Berufen.
       
       Dass es auch anders geht, zeigt Niedersachsen. Dort erhielten die
       Berufsbetreuer*innen schon vor Wochen die Mitteilung, dass sie ab dem
       15. März einen Impftermin buchen können. Auch andere Bundesländer wie
       Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen haben die Betreuer*innen auf
       der Impfprioritätenliste hochgestuft und ihnen den Zugang zum Impfstoff
       ermöglicht.
       
       „In Hamburg konnte bisher keine höhere Priorisierung von
       Berufsbetreuer*innen erreicht werden“, schreibt der Bundesverband der
       Berufsbetreuer*innen in einer aktuellen Mitteilung an seine bundesweit
       7.200 Mitglieder. Allerdings habe der Verband bewirken können, dass die
       Berufsgruppe Ende März „in den Kreis der Berechtigten für eine
       Ad-hoc-Impfung aufgenommen“ wurde. Die Betreuer*innen können sich auf
       einer Internetseite anmelden und bekommen anschließend alle paar Tage eine
       Meldung auf ihr Handy, wenn im Hamburger Impfzentrum an den Messehallen
       nicht verbrauchte Impfdosen noch am Abend verimpft werden müssen.
       
       Wer zuerst reagiert, bekommt das Vakzin. Doch das Angebot ist rar. Längst
       nicht jeden Tag gibt es übrig bleibenden Impfstoff und wenn, dann nur für
       ein bis höchstens vier Personen. Zudem wurde Nathalie B. und ihren
       Kolleg*innen nur Astrazeneca angeboten. Damit wurden nur Berufsbetreuer*
       innen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, überhaupt zur
       Impfstofflotterie zugelassen.
       
       ## Nur Betreuer*innen über 60 sind zur Impflotterie zugelassen
       
       Andere Berufsverbände wie der einflussreiche Deutsche Richterbund waren da
       erfolgreicher als der Bundesverband der Berufs*betreuerinnen: „In mehreren
       Bundesländern, darunter Hamburg, sind insbesondere
       Betreuungsrichter*innen inzwischen geimpft worden“, teilt
       Richterbund-Sprecher Matthias Schröter [2][in einer Stellungnahme,] mit,
       „weil sie zu den Personengruppen gehören, die in stationären Einrichtungen
       zur Behandlung, Betreuung und Pflege älterer oder pflegebedürftiger
       Menschen tätig sind“.
       
       Doch anders als die Berufsbetreuer*innen müssen die
       Betreuungsrichter*innen nur in Ausnahmefällen in Heimen, Kliniken und
       Unterkünften ihrem gut dotierten Job nachgehen, sehen die
       Betreuungsbedürftigen viel seltener, meist im Gericht und dort mit
       ausreichend Abstand.
       
       Nathalie B. und ihre Kolleg*innen dagegen sind verpflichtet, jede von
       ihnen betreute Person mindestens einmal im Vierteljahr zu sehen, müssen in
       der Praxis aber viel öfter mit ihren Klient*innen in direkten Kontakt
       treten. Die Betreuungs*richterinnen hingegen treffen in aller Regel
       jede*n diese*r Klient*innen nur alle ein bis sieben Jahre in einer
       Anhörung, je nachdem, wie lange der Zeitraum dauert, für den sie die
       Betreuung anordnen. Und dort kann derzeit auf ausreichend Distanz geachtet
       werden.
       
       Seit wenigen Tagen soll nun aber auch „eine Terminbuchung im Impfzentrum
       für die Berufsbetreuer*innen möglich“ sein, wie die Sprecherin der
       Gesundheitsbehörde, der taz auf Anfrage verriet. Den betroffenen
       Betreuer*innen, die seit Wochen auf ihre Impfung warten, hat das noch
       niemand mitgeteilt.
       
       *Name von der Redaktion geändert.
       
       3 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Corona-in-Fluechtlingsunterkuenften/!5687361
   DIR [2] https://www.drb.de/newsroom/presse-mediencenter/nachrichten-auf-einen-blick/nachricht/news/corona-impfverordnung-steht-erhoehte-prioritaet-auch-fuer-justiz
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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