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       # taz.de -- Einfluss von Rapmusik: Wie in einer Germanistikvorlesung
       
       > Der Rapper Haftbefehl hat eine ganze Generation geprägt. Doch als
       > revolutionär galt er erst, als ihn das Feuilleton entdeckte.
       
   IMG Bild: Nicht einmal ein Jahr nach Veröffentlichung von „das weiße Album“ erschien nun „das schwarze Album“
       
       Haftbefehl hat sein neues Album rausgebracht, und die Promo stimmt: Amazon
       Music hat vergangene Woche [1][eine Kurzdokumentation veröffentlicht]. In
       „Du weißt, dass es Haft ist“ wird Haftbefehl bei den Albumaufnahmen
       gezeigt, aber auch privat im Auto mit seiner Familie und in seinem
       Wahl-Exil in Istanbul.
       
       Daneben kommen Persönlichkeiten wie Xatar, Farid Bang, Jan Böhmermann oder
       der Feuilleton-Journalist Moritz von Uslar, der Haftbefehl salonfähig
       gemacht hat, zu Wort: „Als jemand, der mit Sprache zu tun hat, ist das
       Stakkato der verbotenen Begriffe bei Haftbefehl ein Hochgenuss. Er kann in
       seinen Texten und auch im Gespräch unheimlich viel erzählen, was dieses
       Land ist und was auf dieses Land gesellschaftlich zukommt. Verkürzend
       gesagt: Wenn man Deutschland im Jahr 2021 verstehen will, setz dich an
       einen Tisch mit Haftbefehl“, sagt von Uslar in der Doku. Also im Prinzip
       das, was junge Menschen mit Migrationsgeschichte über ein Jahrzehnt über
       Haftbefehl sagen, nur ohne Begriffe wie Stakkato und Hochgenuss.
       
       Die Doku wird dem Einfluss, den Haftbefehl auf eine ganze Generation hat,
       nicht gerecht. Ich hätte statt Böhmermann lieber Jugendliche über
       Haftbefehl sinnieren gehört.
       
       Etwas besser gelingt das dem Hessischen Rundfunk, der nur Tage zuvor mit
       [2][„Haftbefehl – Ein Tag mit dem Rap-Superstar“] in 20 Minuten ein
       vielschichtigeres Bild zeichnet: Keiner kann mit Hafti mithalten. Der
       Redakteur, die Kamera, das Mikrofon rutschen immer wieder ins Bild, denn
       mit Haftbefehl kann man keine typischen Antext-Fernsehbilder drehen, er
       wirkt die ganze Zeit über so, als könnte er die Aufnahmen gleich abbrechen,
       weil er keine Lust mehr hat, ohne dabei auch nur eine Sekunde unsympathisch
       rüberzukommen.
       
       ## Wie mit Kollegen reden
       
       Die vielsagendste Szene ist für mich die, als Haftbefehl aus dem Auto
       heraus zwei Jungs, die ein Foto mit ihm wollen, Geld zusteckt und sich
       ärgert, dass sie am Bahnhof rumhängen. Sonst kommen keine jungen Menschen
       zu Wort. Und dabei sind sie es, auf die Haftbefehl den größten Einfluss
       hat.
       
       Wenn meine ehemaligen Schüler Haftbefehl gehört haben, hielt man sie für
       Sexisten und Antisemiten. Wenn ein Kulturjournalist Haftbefehl hört, ist er
       revolutionär, indem er Haftbefehls Sprache analysiert, als [3][wären wir in
       einer Germanistikvorlesung]. Es brauchte also Intellektuelle ohne
       Migrationsgeschichte, damit Haftbefehls Musik und alle, die sie hören,
       nicht verteufelt werden.
       
       [4][Die beste Antwort darauf hat Haftbefehl selber]: „Da freue ich mich
       über einen Koffer voller Geld viel mehr als über irgendwelche Leute, die
       über Kultur sprechen. Aber es ist schon krass, was ich bewegt habe mit der
       Sprache, dass ich da ein bisschen was verändert habe. Aber so sehr juckt
       mich das nicht. Ich rede in meinen Songs ja so, wie ich mit meinen Kollegen
       auf der Straße rede. Ich versuche keine neuen Wörter zu erfinden – es ist
       halt Slangtalk.“
       
       3 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=ZqeLvTPcIZA
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=Ddm6dcQS6BQ
   DIR [3] https://www.zeit.de/zeit-magazin/2020/26/haftbefehl-drogen-familie-verschwoerungstheorien-gangster-rap
   DIR [4] https://www.hessenschau.de/kultur/rapper-haftbefehl-ueber-drogen-depressionen-und-offenbach-liebe,interview-haftbefehl-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Melisa Erkurt
       
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