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       # taz.de -- Empörung über Lesbenfestival-Programm: Frühling der Feindseligkeit
       
       > Das Lesben-Frühlings-Treffen findet an Pfingsten in Bremen statt. Das
       > dortige Orga-Team wird wegen transfeindlicher Inhalte massiv kritisiert.
       
   IMG Bild: Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen, ob trans* oder nicht
       
       BREMEN taz | Als Opfer „einer beispiellosen Medienkampagne“ sieht sich das
       Orga-Team des Lesben-Frühlings-Treffens 2021 (LFT21). Das findet unter dem
       Titel „Rising to the Roots“ Ende Mai in Bremen [1][statt, wenn auch
       digital].
       
       Frau verwahre sich gegen „Vorhaltungen, Teile des Programms oder
       teilnehmende Referentinnen seien ‚faschistoid‘, ‚profaschistisch‘,
       ‚rechts‘, ‚menschenverachtend‘, ‚rassistisch‘ und/oder ‚trans*feindlich‘“,
       heißt es in einer Pressemitteilung. An deren Schluss bedankt sich das
       Orga-Team „herzlichst bei den vielen FrauenLesben und Organisationen, die
       uns weiterhin unterstützen“.
       
       Das allerdings werden fast stündlich weniger. Die Bundesstiftung Magnus
       Hirschfeld hat vor zehn Tagen [2][den Anfang gemacht.] Auch am Dienstag, 4.
       Mai hat ihr Vorstand noch einmal per Mail ans Orga-Team betont, das
       LFT21-Programm sei in Teilen „mit den zentralen Werten und Zielen der BMH
       unvereinbar“.
       
       Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) hat ihre
       Schirmfrauschaft für das Diskursfestival, das traditionell am
       Pfingstwochenende stattfindet, annuliert. „Ich kann mit meiner
       Schirmfrauschaft nur eine Veranstaltung unterstützen, die alle Frauen mit
       einschließt und trotz kontroverser Diskussionen gemeinsame Kampflinien
       gegen patriarchale Strukturen sucht“, stellt sie klar.
       
       Fast die Gesamtheit [3][der namhaften LGBTI-Organisationen hat sich] von
       der Veranstaltung zurückgezogen: Der LesbenRing, der sogar einen eigenen
       Slot im Programm hatte – zurückgezogen. Abgemeldet haben sich Dyke* March
       Germany, die Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in Nordrhein-Westfalen, das
       Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg der Bundesverband Trans*, das
       [4][Spinnboden Lesbenarchiv] und die Deutsche Gesellschaft für
       Transidentität und Intersexualität.
       
       Jetzt hat sich auch noch die Hannchen-Mehrzweck-Stiftung vom LFT21
       distanziert. Die sponsert Veranstaltungen, die das schwule und lesbische
       Selbstbewusstsein in der Gesellschaft stärken. Am Wochenende hat sie in
       einer Stellungnahme ihr großes Bedauern darüber ausgedrückt, dass sie die
       finanzielle Förderung fürs mutmaßlich älteste lesbische Diskursfestival
       Europas [5][nicht zurückziehen kann].
       
       Die Zusage sei rechtsverbindlich erteilt worden, „bevor das Programm
       feststand“, heißt es in der online publizierten Stellungnahme. „Die
       Einladung produziert Ausschlüsse“, heißt es darin. Und der Eindruck, trans*
       Lesben würden von den Organisatorinnen abgelehnt, „verfestigt sich mit dem
       in Teilen trans*phoben Programm“.
       
       In den einschlägigen Online-Foren ist ein ziemlicher Sturm gegen das Bremer
       Orga-Team losgebrochen. „Wir sind davon überrollt worden“, sagt Susanne
       Bischoff. Die Sport- und Körpertherapeutin ist Vorstandsfrau im
       LFT-Trägerverein, der seinen Sitz in Northeim hat. Für die Bremer Ausgabe
       des Festivals ist sie die Ansprechpartnerin.
       
       Sich selbst bezeichnet sie als „gestandene Lesbe“. Seit eh und je ist sie
       gegen rechts engagiert. „Ich kann ja fast nur noch wegziehen aus Bremen“,
       so empfinde sie derzeit die Prangerwirkung. Bischoff ist gebürtige
       Bremerin.
       
       Die Kritik hält sie für verfehlt. „Das Thema Transsexualität bildet keinen
       Schwerpunkt auf dem LFT21“ sagt sie der taz. Das Konzept sehe „eine offene
       Diskussionskultur zu Themen“ vor, „die feministische FrauenLesben aus
       verschiedenen Positionen bewegen“. Immerhin wartet das Programm mit drei
       Panels, 36 Vorträgen und Workshops, zwölf Filmvorführungen und zehn
       Abendveranstaltungen auf. Die drei Tage vom 21. bis 23. Mai sind
       pickepackevoll.
       
       „Die ganzen anderen Themen werden dadurch jetzt verdeckt“, moniert
       Bischoff. Geschichte der Lesbenbewegung, Reproduktionsmedizin,
       Genitalverstümmelung, das seien doch wichtige Themen. Da hat sie Recht.
       
       Allerdings: Das Reizwort Verstümmelung kommt nur im Ankündigungstext einer
       jener Veranstaltungen vor, die von der Hirschfeld-Stiftung als offen
       transfeindlich klassifiziert werden und immerhin ein Sechstel des ganzen
       Festivals ausmachen: Gunda Schumann bezeichnet im Teaser zu ihrem Vortag
       „Transgender: Geschlechtergerechtigkeit passé?“ geschlechtsangleichende
       Operationen polemisch als „Sterilisierung und Verstümmelung“. [6][Vor einem
       Jahr] hatte die taz in Berlin ihr dafür eine Bühne bieten wollen. Die
       Kritik war intensiv, aber berechtigt.
       
       Als „entsolidarsidierend“ hatte Michaela Dudley die Veranstaltungs-Idee
       bezeichnet – und in einem Kommentar im Magazin „Siegessäule“
       [7][dargelegt], warum hier nur Verletzung und gerade keine kritische
       Diskussion ermöglicht wird.
       
       Das Lesben-Frühlings-Treffen existiert seit 1974, einen Vorläufer hatte es
       im Berlin der 1920er-Jahre gegeben, bis 1933. Seit 1979 wird es an
       [8][wechselnden Orten] veranstaltet. Bremen war 1992 und 2016 Ausrichterin.
       „Transfeindlichkeit ist kein neues Phänomen in der Szene“, erklärt Lara
       Ledwa. Ebenso wenig aber die Gegenströmung.
       
       Ledwa hat an der Berliner Humboldt-Uni zur Geschichte der Lesbenbewegung in
       Deutschland [9][geforscht – genauer: zu der in Westberlin, namentlich zum
       Lesbischen Aktionszentrum] (LAZ), von dem aus in den 1970er-Jahren das
       Lesben-Frühlings-Treffen angestoßen wurde.
       
       ## Wie evangelikale Sekten
       
       „Es gab dazu immer wieder Auseinandersetzungen in den Lesbengruppen“, so
       Ledwa, die beim Spinnboden-Archiv arbeitet. Diskriminierungen seien stets
       „in den Gruppen thematisiert“ worden. Neu sei die globale Vernetzung
       transfeindlicher Positionen. Das erzeuge erhebliches mediales Echo.
       „Dadurch wird das zu einem gefährlichen Trend“, sagt sie.
       
       Den das LFT befeuert: Auch beim „Ständemarkt“, wo das Treffen ein wenig
       Messe-Charakter haben soll, sind drei Organisationen präsent, die im
       Wesentlichen Trans*sexualität bekämpfen oder vorgeben, sie heilen zu
       können – ganz wie evangelikale Sekten die Homosexualität.
       
       „Das ist für mich nicht vertretbar“, so Frauensenatorin Claudia Bernhard
       kurz nach Erscheinen des Programms. „Ich stehe für einen offenen Diskurs
       ein, der auch kontrovers über Themen diskutieren lässt, aber nicht explizit
       Personen ausschließt und trans*feindliche Positionen vertritt.“
       
       5 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://lft2021.de/
   DIR [2] https://mh-stiftung.de/2021/04/27/statement-bmh-lft2021/
   DIR [3] https://www.queer.de/detail.php?article_id=38737
   DIR [4] http://www.spinnboden.de/
   DIR [5] https://www.hms-stiftung.de/web/sites/hms-home.php
   DIR [6] https://blogs.taz.de/hausblog/eine-geplante-veranstaltung-und-die-folgen/
   DIR [7] https://www.siegessaeule.de/magazin/entsolidarisierend-kritik-transfeindlichem-event-bei-der-taz/
   DIR [8] /!432661/
   DIR [9] /Forscherin-ueber-lesbische-Geschichte/!5517383
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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