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       # taz.de -- Fleischfabrik will im Schutzgebiet bauen: Baugenehmigung oder Tschüss
       
       > In Bückeburg will die Edeka-Tochter Bauerngut eine Lagerhalle im
       > Landschaftsschutzgebiet bauen – und droht bei negativem Bescheid mit
       > Abwanderung.
       
   IMG Bild: Hier landen Bückeburger Bauerngut-Produkte: Edeka-Fleischtheke
       
       Hamburg taz | Der Fleischproduzent Bauerngut, Tochterunternehmen [1][vom
       Lebensmittelriesen Edeka], will im niedersächsischen Bückeburg ein großes
       Hochregallager bauen – im Landschaftsschutzgebiet, weil das direkt neben
       seiner Produktionsstätte liegt.
       
       Bürger*innen und Politiker*innen äußerten dagegen Vorbehalte. Nun
       droht das Unternehmen: Entweder stimmt die Politik dem Plan zu oder
       Bauerngut zieht seine Produktion komplett ab. Hunderte Jobs wären
       gefährdet. Seit dieser Drohung eskaliert die Debatte.
       
       Neben der Großbäckerei Schäfer’s gehört auch Bauerngut dem Unternehmen
       Edeka Minden-Hannover. Edeka Minden-Hannover macht einen jährlichen Umsatz
       von knapp 10 Milliarden Euro. Sowohl vom Umsatz als auch flächenmäßig ist
       der Regionalverbund der größte im Edeka-Verbund: Von der niedersächsischen
       Nordseeküste bis zur brandenburgischen Grenze nach Polen verkauft Edeka
       Waren von Bauerngut.
       
       Im Bückeburger Fleischbetrieb arbeiten nach eigenen Angaben [2][rund 850
       Menschen]; im vorigen Jahr erwirtschaftete Bauerngut einen Umsatz von knapp
       700 Millionen Euro. [3][200 Tonnen Fleischprodukte] würden im Werk täglich
       produziert. Neben einer weiteren Produktionsfabrik in Sachsen-Anhalt gibt
       es noch zwei Logistikstandorte bei Berlin und im Ammerland bei Bremen.
       
       Doch das Unternehmen braucht nach eigenen Angaben dringend Platz für ein
       zusätzliches Lager. „Eine kurze Distanz zum Lager ist unerlässlich“,
       erklärt Klaus Jeinsen, Geschäftsführer bei Bauerngut, warum es unbedingt in
       unmittelbarer Nähe eine Fläche braucht. Vorarbeiten haben bereits begonnen,
       doch um wirklich bauen zu dürfen, muss der Stadtrat dem Vorhaben zustimmen.
       
       Früh hatte sich gegen das Vorhaben Protest entwickelt. „Edeka will mit
       diesem Lager die Landschaft zerstören“, sagt Jürgen Hockemeier vom lokalen
       Arbeitskreis Landschaftsschutz. Bisherige Planungen sehen ein 160 Meter
       langes und knapp 30 Meter hohes Gebäude vor.
       
       Nicht nur ist die begehrte Fläche ein Landschaftsschutzgebiet, die das
       nördliche Tor ins Weserbergland bildet. Direkt nebenan befindet sich auch
       ein wertvolles Feuchtgebiet, die Hofwiesen, das unter Naturschutz steht.
       
       Mit einem beim Bau notwendigen Absenken des Grundwasserspiegels könnte nach
       Ansicht der Ini auch dieses Gebiet gefährdet sein. „Das Unternehmen hat
       sich – in Zeiten der Klimakrise – den völlig falschen Standort für das
       Projekt ausgesucht“, sagt Hockemeier.
       
       Nachdem Bauerngut am Wochenende über die Schaumburger Landeszeitung
       verkündete, dass es einen Wegzug ins Auge fasst, ist unklar, wie
       ernstzunehmend die Ankündigung ist. „Ich halte das für einen Bluff“, sagt
       Hockemeier. Auch unter Gewerkschafter:innen sind solche Drohungen als
       beliebtes Mittel von Unternehmen bekannt – umgesetzt wird so etwas
       allerdings nur selten, weil die Kosten eines Umzugs hoch sind.
       
       Bückeburgs Bürgermeister Reiner Brombach (SPD), dessen Partei sich klar auf
       Seiten des Unternehmens stellt, sieht das anders. Es sei verständlich, dass
       sich das Unternehmen darüber Gedanken mache. „Als Stadtverwaltung betreiben
       wir die Planungen weiter und hoffen, dass uns der Stadtrat folgt“, sagt
       Brombach.
       
       ## Grüne erhält Drohbrief
       
       Denn nicht nur die zu befürchtenden Arbeitsplatzverluste bereiten dem
       Rathaus sorge, sondern auch die Gewerbesteuern, die bei einem Wegzug der
       Firma wegfallen würden. „Das Unternehmen gehört zu den größten in der
       Stadt“, sagt Brombach. Außerdem sei die weitere umgebende Landschaft
       ohnehin nicht mehr ganz intakt, sondern schon durch eine Bundesstraße
       zerschnitten.
       
       Doch ob der Stadtrat seine Zustimmung gibt, ist unklar. Selbst die CDU ist
       skeptisch und will sich noch nicht festlegen. Klar dagegen positionieren
       sich die Grünen. „Dieser Boden ist ein wertvolles Schutzgut und sollte
       deshalb nicht versiegelt werden“, sagt Cornelia Laasch von den Bückeburger
       Grünen.
       
       Seit Bauerngut die Drohkulisse des Arbeitsplatzwegfalls aufgebaut hat,
       eskaliert der Streit. „Die Gemüter kochen hoch“, sagt Laasch. Am Dienstag
       lag ein Drohbrief gegen sie und ihre grünen Kolleg:innen im Briefkasten
       vor ihrem Haus.
       
       „Sollte Bauerngut wegen Euch Grünen hier weggehen, werden alle Grünen dafür
       büßen“, heißt es im Drohschreiben. Laasch ist schockiert. „Das gab es in
       meiner 20-jährigen politischen Arbeit noch nicht“, sagt sie. Die
       Staatsschutzabteilung der Polizei ermittelt nun.
       
       Diese Form der Unterstützung wollen Bauerngut und der Mutterkonzern nicht,
       betonen sie gegenüber der taz. „Die Edeka Minden-Hannover spricht sich klar
       gegen Gewalt aus und verurteilt jede Form von Gewaltandrohung“, heißt es
       auf Nachfrage. Drohbriefe seien kein Mittel der demokratischen
       Meinungsbildung.
       
       6 May 2021
       
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