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       # taz.de -- Umwandlungen von Wohnungen: Mehr Mieterschutz statt Baulücken
       
       > Am Freitag stimmt der Bundestag über das Baulandmobilisierungsgesetz ab.
       > Mieter:innen sollen damit besser geschützt werden.
       
   IMG Bild: Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen: auch das treibt die Wohnkosten nach oben
       
       Berlin taz | Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen hat
       sich in größeren Städten als lukratives Geschäftsmodell entpuppt:
       Investoren kaufen ganze Mietshäuser, wandeln die Mietwohnungen zunächst in
       Eigentumswohnungen um, um sie dann einzeln weiterzuverkaufen.
       
       Für Mieter:innen ist das oft der Beginn eines Verdrängungsprozesses. Die
       Wohnungen selbst zu kaufen bleibt für die meisten mangels Eigenkapital ein
       unerreichbarer Traum. Und das wiederum heißt, dass sie früher oder später
       aus der Wohnung müssen. Manche werden nach einer Luxussanierung mit einer
       überhöhten Miete rausgedrängt, andere werden wegen Eigenbedarf gekündigt.
       In Großstädten eine neue bezahlbare Wohnung zu finden ist angesichts der
       Mietpreisentwicklung ein schwieriges Unterfangen.
       
       Nach monatelangen Ringen will die Bundesregierung nun mit einer Reform des
       Baugesetzbuches die Praxis der Umwandlungen erschweren. Das [1][Gesetz zur
       Mobilisierung von Bauland] soll am Freitag im Bundestag beschlossen werden.
       Es sei „das größte baupolitische Vorhaben in dieser Legislatur“, sagt Sören
       Bartol, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.
       
       Das Gesetz bringt viele Neuerungen mit sich: Kommunen können künftig
       stärkere Vorgaben machen, dass in Innenstädten bezahlbarer Wohnraum
       entsteht. Auch das Vorkaufsrecht von Kommunen wird gestärkt, damit sie
       künftig günstiger Grundstücke kaufen können. Unabhängige Gutachter sollen
       dafür den Verkehrswert schätzen.
       
       ## Die Rolle der Immobilienlobby
       
       Besonders umstritten war innerhalb der Großen Koalition aber die Passage
       zur Umwandlung. Dabei waren sich Bund, Länder und Kommunen bereits beim
       Wohngipfel im September 2018 einig, dass die Umwandlungen erschwert werden
       sollen.
       
       Als das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat unter Leitung von
       Horst Seehofer (CSU) einen ersten Entwurf vorlegte, sahen Teile der Union
       die Rechte von Eigentümer:innen nicht ausreichend geschützt, während
       die SPD den Mieterschutz verteidigte.
       
       Auch die Immobilienlobby scheint keine unwesentliche Rolle gespielt zu
       haben. Im Jahr 2020 flossen durch Großspenden 1,25 Millionen Euro aus der
       Immobilienbranche zur CDU. Zwischenzeitlich war nicht mehr ersichtlich, ob
       sich Union und SPD noch einigen können.
       
       Herausgekommen ist nun ein mühsam erarbeiteter Kompromiss: Künftig müssen
       Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit „angespanntem
       Wohnungsmarkt“ erst von örtlichen Behörden genehmigt werden. Welche Gebiete
       das genau betrifft, können die jeweiligen Landesregierungen festlegen –
       allerdings mit einer zeitlichen Befristung bis Ende 2025.
       
       ## CDU boxt Ausnahmen durch
       
       Bisher sind Umwandlungen überall möglich, nur in sogenannten
       Milieuschutzgebieten sind sie genehmigungspflichtig. Oftmals wird der
       Genehmigungsvorbehalt als „Umwandlungsverbot“ bezeichnet. Aber Ausnahmen
       sind explizit vorgesehen. So wird eine Umwandlung weiterhin möglich sein,
       wenn Eigentümer:innen zum Beispiel Wohnungen an Familienmitglieder zur
       eigenen Nutzung verkaufen wollen oder wenn sie zwei Drittel der Wohnungen
       an bisherige Mieter:innen verkaufen.
       
       Und auf Drängen der CDU gibt es auch eine weitere große Ausnahme:
       Eigentümer:innen können auch weiter ohne Genehmigung umwandeln, wenn
       die Häuser aus nicht mehr als fünf Wohnungen bestehen. Von dieser Zahl
       dürfen die Bundesländer nach Bedarf nach oben und unten abweichen. Sie
       können festlegen, dass die Genehmigungspflicht auch bei Häusern mit nur 3
       oder erst bei 15 Wohnungen greift. Mit dieser Regelung, so die
       Argumentation, sollen „Kleineigentümer“ geschützt werden.
       
       „Das Gesetz ist trotz mancher Kompromisse ein großer Erfolg, Teile der
       Union haben bis zuletzt versucht das Gesetz abzuschwächen oder scheitern zu
       lassen“, sagt SPD-Mann Bartol.„Dort wo Wohnraum besonders knapp ist,
       stoppen wir das Geschäftsmodell der Umwandlung von Miet- in
       Eigentumswohnungen“, sagt er und zählt die Erfolge auf: Der Spekulation mit
       Bauland werde ein Riegel vorgeschoben. Kommunen könnten künftig festlegen,
       dass in Innenstädten bezahlbarer Wohnraum gebaut werden muss.
       
       Wenn Grundstücke verkauft werden, habe die öffentliche Hand mehr Zeit und
       Möglichkeiten, diese zu kaufen – um selbst bezahlbaren Wohnraum zu
       schaffen. Dabei gebe es sogar ein „Preislimit, damit sich die Gemeinden
       nicht mehr spekulativen Vorstellungen über die Preisentwicklung beugen
       müssen“.
       
       ## Kritik von Vermieterverbänden
       
       „Die Koalition hat sich auf einen Kompromiss zum
       Baulandmobilisierungsgesetz verständigt“, sagt Ulrich Lange,
       stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Der
       Regierungsentwurf wurde noch einmal gründlich überarbeitet.“
       
       Die Kommunen erhielten mehr Flexibilität bei der Ausweisung von Bauland am
       Ortsrand und für eine dichtere Wohnbebauung. In angespannten
       Wohnungsmärkten könnten „befristete Instrumente für bezahlbares Wohnen zum
       Zuge kommen“. Zudem sollen „Eigentümer mit wenigen und kleinen
       Wohngebäuden“ weiterhin die Möglichkeit haben, ohne Genehmigung
       umzuwandeln.
       
       Der Eigentümerverband Haus und Grund ist damit nicht zufrieden. „Wir
       kritisieren die geplanten Einschränkungen bei der Umwandlung scharf, denn
       sie bedeuten einen harten Eingriff in die Eigentumsrechte“, sagt Matthias
       zu Eicken, Referent für Wohnungspolitik bei Haus und Grund. Die Verdrängung
       von Mietern durch Umwandlungen könne nicht durch Zahlen belegt werden,
       moniert er. „Mieter genießen heute schon einen ausreichenden Mieterschutz
       bis zu zwölf Jahren.“
       
       Zu Eicken orakelt, dass die Gesetzesnovelle auch den Mieter:innen
       schaden könnte: „Wenn private Kleinvermieter, die mehr als fünf Wohnungen
       haben, beispielsweise nicht mehr einzelne Wohnungen verkaufen können, um
       zum Beispiel die Instandhaltung des Gebäudes finanzieren zu können, sind
       sie vermutlich dazu gezwungen, das ganze Haus zu verkaufen.“ Davon würden
       dann „große Investoren“ profitieren.
       
       ## Mieterbund sieht Gesetz ambivalent
       
       Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, zieht
       insgesamt ein gemischtes Fazit zum Baulandmobilisierungsgesetz.
       „Herausgekommen ist ein Kompromiss, der zwar Verbesserungen mit sich
       bringt, aber auf Betreiben der Union von der Umsetzung der jeweiligen
       Landesregierung abhängig ist“, kritisiert er. „Es droht ein
       wohnungspolitischer Flickenteppich.“
       
       Positiv sei vor allem die neue Regelung zum kommunalen Vorkaufsrecht,
       wonach Kommunen zukünftig Immobilien und Grundstücke zum preisgedämpften
       Verkehrswert kaufen können.
       
       Kritisch sieht Siebenkotten allerdings die Regelung zu Umwandlungen.
       Insgesamt sei es zwar ein deutlicher Fortschritt, dass Umwandlungen in
       angespannten Wohnungsmärkten jetzt genehmigt werden müssen, sagt er.
       Schwierig sei aber „die generelle Befreiung von der Genehmigungspflicht bei
       einer Wohnungsanzahl zwischen 3 und 15, um „Kleinvermieter zu schützen, je
       nach Gusto der jeweiligen Landesregierung“.
       
       „Faktisch werden damit im Idealfall zum Beispiel in Berlin deutlich weniger
       Wohnungen umgewandelt, während Mieter:innen in anderen angespannten
       Märkten, in denen sich sehr viel mehr Wohnungen in kleineren Häusern
       befinden, weiter aus ihren Wohnungen verdrängt werden“, erklärt
       Siebenkotten.
       
       ## Löchrig wie ein Schweizer Käse?
       
       Die Bewertung des DGB fällt ebenfalls differenziert aus. „Wir sind
       erleichtert, dass sich die Koalition auf diesen Kompromiss einigen konnte“,
       sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Er begrüsste, dass Kommunen nun
       ihr Vorkaufsrecht nicht mehr zu Spekulationspreisen ausüben müssten und
       soziale Vorgaben für Neubauprojekte im Innenstadtbereich machen könnten.
       
       Allerdings seien damit explodierende Bodenpreise und Bodenspekulation
       „nicht vom Tisch, denn die Union hat sich von der Immobilienlobby vor den
       Karren spannen lassen, robuste Eingriffe in den Bodenmarkt verhindert und
       die kommunale Selbstverwaltung beschnitten“. So würden weite Teile des
       Gesetzes nur in angespannten Wohnungsmärkten gelten.
       
       Auch von der Opposition bleibt die Kritik nicht aus. „Das jahrelange
       Gezerre hinter den Kulissen der Koalition hat ein mageres Ergebnis
       gebracht“, kritisiert Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende sowie mieten-
       und wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Das Resultat ist ein
       Gesetz, das kaum Bauland mobilisieren wird.“ Beim Umwandlungsverbot sei es
       löchrig wie ein Schweizer Käse und werde dank zahlreicher Schlupflöcher
       weitgehend wirkungslos bleiben.
       
       Die Änderungen beim Vorkaufsrecht seien zwar zu begrüßen, aber reichten
       nicht aus. „Ob bei Baugeboten, beim Erbbaurecht oder bei der Regulierung
       von Bodenpreisexplosionen: Zentrale Aufgaben wurden nicht angepackt“,
       kritisiert Lay. „Am Ende erweist sich das Baulandmobilisierungsgesetz als
       zahnloser Tiger, der den Ausverkauf der Städte nicht stoppen wird.“
       
       7 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/kabinettsfassung/baulandmobilisierungsgesetz-kabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=3
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jasmin Kalarickal
       
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