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       # taz.de -- Fragen und Antworten zu Corona-Regeln: Peu à peu wieder mehr Freiheiten
       
       > Die Impfquote steigt, die Infektionszahlen sinken. Es kann gelockert
       > werden. Nur was genau? Und für wen? Ein Überblick.
       
   IMG Bild: Geimpfte und Genesene dürfen wieder gemeinsam Sport treiben, zum Beispiel Rudern
       
       Ab diesem Sonntag wird für Geimpfte und Genesene gelockert. Welche
       Freiheiten erhalten sie zurück? 
       
       Geimpfte und Genesene dürfen nachts auf die Straße und in den Wald –
       nächtliche Ausgangssperren gelten für sie nicht mehr. Sie können sich auch
       draußen und drinnen wieder in beliebig großen Gruppen treffen. Sie dürfen
       zudem gemeinsam Sport treiben, etwa Fußball spielen. Bei der Einreise aus
       einem Risikogebiet oder nach dem Kontakt mit einem Virusträger müssen sie
       meist nicht in Quarantäne.
       
       Das alles regelt die Ausnahmeverordnung der Bundesregierung, der am Freitag
       auch der Bundesrat zugestimmt hat. Immer wenn der Zugang zu einem Laden
       oder einer Dienstleistung nur mit einem negativen Test möglich ist, können
       Geimpfte und Genesene künftig auch auf den Test verzichten. Sie müssen
       allerdings weiterhin Maske tragen, Abstand halten und Hygiene-Regeln
       beachten. Damit soll zum einen das Restrisiko, das von ihnen ausgeht,
       reduziert werden. Zum anderen ist eine Kontrolle, wer geimpft oder genesen
       ist, in der Öffentlichkeit kaum umsetzbar.
       
       Für wen gelten die Befreiungen genau? 
       
       Die Lockerungen gelten nur für die vollständig Geimpften. Bei den meisten
       Impfstoffen sind zwei Impfungen plus ein zeitlicher Puffer von 14 Tagen
       erforderlich. Derzeit sind bundesweit 7,4 Millionen Personen vollständig
       geimpft, das sind 8,8 Prozent der Bevölkerung. Eine einzelne Impfung genügt
       in der Regel nicht für die Befreiung.
       
       Auch bei den rund 3,1 Millionen Genesenen gibt es Unterschiede. Die
       Befreiungen gelten nur, wenn die Infektion im letzten halben Jahr erfolgt
       war und mindestens 28 Tage zurückliegt; das trifft auf rund 2,7 Millionen
       Menschen zu. Der Nachweis, dass man zu dieser Gruppe gehört, kann nur mit
       einem positiven PCR-Test aus diesem Zeitraum erbracht werden. Ein positiver
       Antigentest genügt nicht, weil er zu ungenau ist. Wer zum Beispiel vor
       einem Jahr mit dem Covid-19-Virus infiziert war, gilt nicht mehr als
       Genesener, weil die Immunität nachlässt. Hier genügt jedoch eine einzige
       Impfung (statt zwei), um als vollständig geimpft zu gelten.
       
       Und was gilt für alle anderen? 
       
       Auch die Perspektiven für die (noch) Ungeimpften sind erfreulich. Zwar
       liegen noch 269 der 412 Stadt- und Landkreise über dem Inzidenzwert von
       100. Aber die Zahl dieser Kreise sinkt derzeit von Tag zu Tag. Wenn der
       Inzidenzwert fünf Tage hintereinander unter 100 liegt, wird die
       Bundesnotbremse in diesem Kreis automatisch ausgeschaltet. Das heißt: Die
       obligatorische nächtliche Ausgangssperre wird dann ebenso aufgehoben wie
       die Kontaktbeschränkungen und die Schließung von Gastronomie, Kultur und
       Freizeiteinrichtungen.
       
       Was in Stadt- und Landkreisen mit einer stabilen Inzidenz unter 100 gilt,
       das regeln die Bundesländer. Das Infektionsschutzgesetz lässt ihnen dabei
       relativ viel Spielraum. Es gibt auch keine Bund-Länder-Treffen zur
       Koordinierung mehr. Es könnte also wieder einen Flickenteppich an
       unterschiedlichen Regelungen geben. Dabei ist der Trend wohl aber überall
       derselbe: Angesichts der tendenziell sinkenden Inzidenzwerte soll in den
       Ländern peu à peu gelockert werden. Einzelhandel, Gastronomie, Kultur und
       Freizeitstätten sollen wieder öffnen dürfen – in der Regel mit einem
       Testkonzept.
       
       Können wir wirklich davon ausgehen, dass die Zahlen weiter sinken werden?
       Oder sollten wir warten mit Lockerungen? 
       
       Die Entwicklung der letzten zehn Tage ist sehr erfreulich: Die Zahl der
       gemeldeten Neuinfektionen ist im 7-Tage-Mittel zuletzt auf unter 16.000
       Fälle pro Tag gesunken, das sind fast 20 Prozent weniger als eine Woche
       zuvor. Auch auf den Intensivstationen ist in den letzten Tagen erstmals
       wieder ein Rückgang zu verzeichnen: Die Zahl der dort behandelten
       Coronapatient*innen fiel am Freitag auf unter 4.700 und lag damit
       knapp 7 Prozent niedriger als eine Woche zuvor. Die Zahl der Coronatoten
       sinkt dagegen bisher kaum; in der letzten Woche wurden pro Tag im Schnitt
       223 Todesfälle im Zusammenhang mit Corona gemeldet.
       
       Ob der sinkende Trend anhält, ist offen. Die Lockerungen für Geimpfte und
       Genesene sollten den Trend nicht verändern, weil von diesen nur noch ein
       sehr geringes Ansteckungsrisiko ausgeht. Die Lockerungen für alle anderen
       erhöhen das Ansteckungsrisiko dagegen natürlich wieder – ebenso wie die
       nachlassende Vorsicht, die auch unabhängig von staatlichen Regeln einsetzen
       kann, wenn die Zahlen sinken.
       
       Gleichzeitig wird die Zahl der Geimpften in den nächsten Wochen weiter
       stark steigen, und das bessere Wetter wird mehr Aktivitäten im Freien
       ermöglichen; beides senkt die Infektionsgefahr. Welcher Effekt überwiegen
       wird, ist offen. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler,
       rief die Bundesländer am Freitag zu Zurückhaltung auf. „Wir dürfen nicht
       ungezielt lockern“, warnte er.
       
       Kann ich innerhalb Deutschlands wieder reisen? 
       
       Das kommt ganz darauf an, wohin es gehen soll. Für die Ferienbuchung ist in
       den meisten Bundesländern noch etwas Geduld nötig – auch wenn grundsätzlich
       vielerorts bald erste Lockerungsschritte für den Tourismus vorgesehen sind.
       Niedersachsen zum Beispiel steigt ab kommender Woche langsam wieder in den
       Tourismus ein, allerdings nur in Orten mit niedriger Inzidenz, außerdem
       erst mal lediglich für die eigenen Bewohner*innen des Bundeslandes und
       unter Auflagen.
       
       Schneller ist Schleswig-Holstein: Dort ist mancherorts schon wieder Urlaub
       möglich – ebenfalls unter strengen Auflagen wie einer Testpflicht. Sylt
       etwa empfängt schon seit dem 1. Mai wieder Gäste. Ab diesem Samstag sind
       Urlauber*innen in der Inneren Lübecker Bucht wieder willkommen. Auch
       Reisen nach Bayern sollen zumindest in Regionen mit niedrigen
       Inzidenzwerten ab den Pfingstferien möglich sein.
       
       Wie sieht es mit Reisen ins Ausland aus? 
       
       Bisher ist das nicht nur mit Risiken, sondern auch mit einiger Recherche
       verbunden – schon in der EU sind die jeweiligen Regeln zur Einreise
       uneinheitlich, und sie können sich jederzeit ändern. Reisende müssen
       mancherorts in Quarantäne gehen, etwa in den Niederlanden, die dringend von
       Urlaubsreisen abraten. Andernorts müssen die Urlauber*innen je nach
       Coronalage in ihrem Herkunftsland nicht einmal ein negatives Testergebnis
       vorlegen: Vollständig geimpfte Deutsche dürfen derzeit etwa ohne Test nach
       Dänemark einreisen.
       
       Viele Länder wie etwa Italien und Griechenland brauchen den Tourismus und
       haben für den Mai oder Anfang Juni den Neustart in die Urlaubssaison mit
       Lockerungen für Reisende vorgesehen.
       
       Brauche ich einen EU-Impfpass? 
       
       Nein, es gibt ihn nämlich noch gar nicht. Aber Brüssel arbeitet daran: Ein
       „digitales grünes Zertifikat“ soll das Reisen erleichtern und dafür
       Testergebnisse speichern sowie die Information, ob die Inhaber*innen
       den vollständigen Impfschutz haben oder gerade erst von einer
       Covid-19-Infektion genesen sind. Voraussichtlich Ende Juni soll das System
       starten, die nationalen Behörden sollen den Pass ausstellen. Auch die
       deutsche Impfpass-App orientiert sich an den [1][Vorgaben der EU].
       
       Bis es auf EU-Ebene losgeht, sind allerdings noch ein paar Fragen zu
       klären, zum Beispiel, ob die Mitgliedsländer nur die Impfung mit Vakzinen
       akzeptieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen sind.
       Während der Vorschlag der EU-Kommission vorsieht, alle in der EU genutzten
       Impfstoffe auch EU-weit anzuerkennen, hatte sich das Europäische Parlament
       Ende April dagegen ausgesprochen. Denn Ungarn lässt seine Bevölkerung auch
       mit dem russischen Produkt Sputnik V sowie in China hergestellten Stoffen
       impfen.
       
       Und müssen wir uns Sorgen machen, dass eine Mutante auftaucht und alles
       wieder von vorne anfängt? 
       
       Die besonders wirksamen mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna dürften
       nach Einschätzung der Unternehmen auch gegen die in Indien grassierende
       Coronamutation wirken, ebenso gegen die in Deutschland besonders weit
       verbreitete Mutation, die in Großbritannien als Erstes auftauchte. Doch
       während Biontech seinen Impfstoff bei mehr als 30 Coronavarianten getestet
       hat und sein Vakzin eigenen Angaben zufolge bei fast allen genauso gut
       funktioniert wie bei der Ursprungsform, scheint der von AstraZeneca bei der
       Mutation, die in Südafrika weit verbreitet ist, nicht mehr so gut zu
       schützen. Südafrika und einige andere Länder verimpfen AstraZeneca deswegen
       nicht mehr.
       
       Von vorn beginnt die Pandemie aber sicherlich nicht. Zwar ist davon
       auszugehen, dass angesichts der weltweiten Verbreitung des Virus in den
       nächsten Monaten und Jahren noch viele weitere Mutanten entstehen werden,
       bei denen selbst die mRNA-Impfstoffe weniger wirksam sein könnten. Bislang
       scheint es aber schon so zu sein, dass selbst in den Fällen, in denen die
       Immunantwort schwächer ausfällt, die Vakzine vor schwerer Erkrankung
       schützen. Zudem entwickeln die Hersteller ihre Vakzine laufend weiter.
       Wahrscheinlich ist, dass jedes Jahr nachgeimpft werden sollte.
       
       7 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/faq-covid-19-impfung/faq-digitaler-impfnachweis.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
   DIR Felix Lee
   DIR Eva Oer
   DIR Christian Rath
       
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