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       # taz.de -- Vor dem Start des Giro d'Italia: Ermüdungskampf quer durch Italien
       
       > Emanuel Buchmann geht mit hohen Erwartungen in das Radrennen. Seine
       > Frühjahrsergebnisse hätten indes durchaus besser sein können.
       
   IMG Bild: Schottertraining vor dem Giro: Emanuel Buchmann bei den Strade Bianche
       
       Die Erwartungen sind hoch. [1][Emanuel Buchmann], 2019 Gesamtvierter der
       Tour de France, lässt in diesem Jahr das größte aller Radrennen aus und
       versucht sein Glück beim Giro d’Italia. Ein Grund sind die vielen
       Zeitfahrkilometer bei der Tour. Ein weiterer Grund ist aber auch, dass
       Buchmann beim kleineren und vor allen Dingen mit weniger Druck verbundenen
       Rennen Zuversicht für die nächste, die entscheidende Karrierephase sammeln
       soll.
       
       „Mit 28 Jahren fangen die besten Jahre eines Rundfahrers doch erst richtig
       an. Da habe ich noch etwas vor“, sagte der im November letzten Jahres 28
       gewordene Profi vor Beginn des Giro. Seine kommenden Jahre sollen die
       goldenen werden. Mit Plätzen auf dem Siegertreppchen in Paris. Aber auch
       Plätze auf dem Podium in Mailand passen da gut rein.
       
       Dort endet am 30. Mai die 104. Austragung des Rennens mit einem
       Einzelzeitfahren über 30 Kilometer. „Da muss man noch einmal richtig Druck
       auf die Pedale bringen können nach den anstrengenden drei Wochen zuvor.
       Durchsetzen wird sich am Ende nicht der, der den stärksten Eindruck an
       einem Tag gemacht hat, sondern wer seine Kräfte gut steuert und es schafft,
       der Ermüdung über die gesamten drei Wochen am besten zu widerstehen“,
       beschrieb Buchmanns Trainer Dan Lorang die Aufgabe.
       
       Auf die hat sich Buchmann natürlich gut vorbereitet. Wegen einiger
       Schotterpistenabschnitte in der zweiten Giro-Woche nahm er im Frühjahr an
       den legendären Strade Bianche teil. „Er sollte dort lernen, mit diesem
       Belag technisch, körperlich und mental klarzukommen“, sagte Rennstallchef
       Ralph Denk der taz. Bei seinen bisherigen Renneinsätzen blieb Buchmann zwar
       in Sachen Resultate unter den Erwartungen. Weder bei der
       Baskenlandrundfahrt noch bei der UAE Tour am Golf kam er unter die Top 10.
       Einige der aktuellen Giro-Konkurrenten wie Joao Almeida, Mikel Landa und
       Hugh Carthy zeigten ihm da bereits das Hinterrad. Coach Lorang ist dennoch
       optimistisch. „Die Resultate spiegelten nicht sein Leistungsvermögen wider.
       Die Werte, die er gefahren ist, waren gut“, meinte er.
       
       ## Italienische Kletterhilfe
       
       Letzten Schliff holte sich Buchmann im Höhentrainingslager in der Sierra
       Nevada in Südspanien. Zur Minitrainingsgruppe gehörte auch der junge
       Italiener Giovanni Aleotti. Der Kletterspezialist wurde 2019 Zweiter bei
       der großen Nachwuchsrundfahrt Tour de l’Avenir. Im Jahr zuvor gewann sie
       ein gewisser Tadej Pogacar, 2020 Tour-de-France-Sieger. Aleotti gehört zur
       starken italienischen Fraktion bei Bora, die Buchmann sowohl in den Bergen
       – neben Aleotti noch Klettertalent Matteo Fabbro – als auch auf den
       flacheren Abschnitten helfen soll.
       
       Sie bringt auch jenes Maß an Giro-Erfahrung mit, das Buchmann fehlt. Denn
       den Giro fährt er selbst zum ersten Mal. Diese Ignoranz gegenüber der
       zweitwichtigsten Rundfahrt ist traurige deutsche Tradition. Kein einziges
       Mal holte ein deutscher Radsportler in den bislang 112 Jahren seit
       Erstaustragung den Gesamtsieg. Jens Heppner, Entwicklungshelfer des
       Rennstalls, für den jetzt Buchmann als Kapitän fährt, trug 2002 immerhin
       für zehn Tage hintereinander das rosa Führungstrikot. Fabian Wegmann holte
       zwei Jahre später das Bergtrikot. Weitere zwei Jahre später landete Jan
       Ullrich einen seiner großen Zeitfahrsiege beim Giro.
       
       Sein damaliger Betreuer Rudy Pevenage war so happy darüber, dass er von
       seinem eigenen Handy und nicht einem anonymen Prepaid-Endgerät wie gewohnt
       dem Dopingarzt Eufemiano Fuentes die Botschaft überbrachte. Die spanischen
       Ermittler, die Fuentes bereits überwachten, wussten nun ganz genau, wer
       sich in dessen Kundenkartei hinter dem Codenamen „Hijo Rudicio“ – Rudys
       Sohn – verbarg.
       
       Sportliche Glanzlichter setzten später André Greipel mit insgesamt sieben
       Etappensiegen, Marcel Kittel mit deren vier und im letzten Jahr Pascal
       Ackermann mit dem Gewinn des Punktetrikots. Ackermann, Teamkollege von
       Buchmann, beim jetzigen Giro aber nicht dabei, war der erste deutsche
       Sieger in dieser Spezialwertung.
       
       Buchmann kann nun, wenn alles optimal läuft, den Trikotsatz für die
       Radsportnachholnation Deutschland komplettieren. Da muss er aber nicht nur
       die Leute hinter sich lassen, die bei den kleinen Rundfahrten in diesem
       Jahr vor ihm waren. Er muss auch den Toursieger von 2019, Egan Bernal, und
       Supertalent Remco Evenepoel bezwingen. Ein Vorteil für ihn könnten die
       mäßigen Resultate in den Vorbereitungsrennen sein. Er kann lange unter dem
       Radar bleiben. Die Aufmerksamkeit beim Rennstall Bora konzentriert sich
       zumindest in der Anfangszeit ohnehin auf den in Italien heiß geliebten
       [2][Radsportsuperstar Peter Sagan].
       
       8 May 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Mustroph
       
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