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       # taz.de -- Neue ZDF-Serie „Lu für Loser“: Sie hatte das anders bestellt
       
       > In Alice Gruias „Sadcom“ hadert eine Frau mit ihrer Mutterschaft. Eine
       > innovative Serie mit kurzen Folgen, aus dem Versuchslabor des ZDF.
       
   IMG Bild: Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin: Alice Gruia als „Lu“
       
       Genervtsein über aktuelles Befindlichkeitsgedöns ist bei Weitem keine
       Generationenfrage, dafür ist die neue [1][„Sadcom“] im ZDF ein gutes
       Beispiel. In „Lu von Loser“ kriegt Protagonistin Lucia, genannt Lu, gleich
       zu Anfang von ihrer Therapeutin bei der Familienaufstellung zu hören:
       „Alles in deinem Leben bricht zusammen. Merkst du das?“
       
       Eine „Hymne ans Scheitern“ hatte Drehbuchautorin und Darstellerin Alice
       Gruia im Sinn bei ihrer acht kurze Folgen (keine länger als zehn Minuten)
       umfassenden Serie, als „Ausdruck des Lebensgefühls einer Generation –
       meiner Generation“. Man kann sie in „Club der roten Bänder“ oder einigen
       anderen Fernsehproduktionen gesehen haben – aber das Gesicht von Gruia
       gehört definitiv zu den noch unverbrauchten im deutsche Fernsehen.
       
       Die Situation übrigens, dass sich eine junge Schauspielerin den Job eben
       selbst besorgt – als Regisseurin, Autorin und Hauptdarstellerin ihrer
       eigenen Serie –, könnte man als „hoffnungslos, aber nicht ernst“
       bezeichnen. Schließlich gab es doch … nein, nicht Lena Dunham oder Phoebe
       Waller-Bridge … Frankie Shaw war das, mit dieser tollen Serie („SMILF“)
       über eine nach herkömmlichen Maßstäben nicht allzu mädchenhafte junge
       Single-Mutter im rauen Bostoner Süden.
       
       Lu kommt aus nicht eben privilegierten Verhältnissen, wohnt nun wieder bei
       ihrer Mutter, während sie [2][mit ihrer Schwangerschaft hadert]. Gruia:
       „Sie fühlt sich einfach wie im falschen Film. Sie hatte einfach was ganz
       anderes bestellt. Nicht diesen Typ, der jetzt Vater ihres Kindes wird, zum
       Beispiel. „Mein Leben: ein Theaterstück. Eine Farce. Und ich guck zu.
       Irgendwo in der letzten Reihe, wo man nicht alles mitbekommt.“
       
       ## ZDF sucht Anschluss
       
       „Doch nicht nur passiv ist Lu, sondern auch aggressiv, zynisch, unreif,
       mutig, direkt, destruktiv, unnahbar“, so definiert sie Alice Gruia. Und
       könnte damit bei allen anderen, die angesichts der Aufforderung „Lach doch
       mal!“ gerne schon mal zugeschlagen hätten, es aber nie getan haben, auf
       offene Ohren stoßen.
       
       Mit den offenen Augen ist das hingegen so eine Sache, bei dem Sendetermin.
       Das ZDF wäre so gerne innovativ, um den Anschluss an „die jüngere
       Zielgruppe“ nicht zu verpassen – aber nur nach Mitternacht, wenn’s keiner
       sieht. Die jüngere Zielgruppe kann mit der Schauspielerin Senta Berger, die
       diese Woche ihren Achtzigsten feiert, möglicherweise nicht mehr so viel
       anfangen.
       
       Das Zweite spendiert ihr aber um 20.15 Uhr einen Film, in dem eine Frau,
       gespielt von Senta Berger, damit hadert, dass sie „An seiner Seite“ ein
       Leben lang mit ihren eigenen Ansprüchen zurückgesteckt hat. Mit einem ganz
       ähnlichen Exemplar Mann hatte sie, die Berger, es 35 Jahre zuvor schon
       einmal zu tun gehabt. „Kir Royal“ heißt der Sechsteiler aus einer Zeit
       (1986), als die Öffentlich-Rechtlichen ihre innovativsten Serien-Formate
       noch zur Primetime zeigten.
       
       Das war, als es noch einen Sendeschluss gab, und dann das Testbild gesendet
       wurde – mit angeblich einer immerhin noch höheren Einschaltquote als Arte
       sie hat(te).
       
       Heute also überbieten sich die Mainzer geradezu selbst mit der ständigen
       Neuerfindung von Titeln aus dem hauseigenen „Formatlabor Quantum“, aber
       heimlich, für die Nachtwache. So gibt es in dieser Woche neben „Lu für
       Loser“ noch eine „Instant-Dramaserie“ namens „Schlafschafe“, am Mittwoch um
       0.45 Uhr auf ZDFneo. Das ZDF sagt: „Quantum erforscht Trends, gibt Impulse
       und versteht sich als Plattform für die Erprobung innovativer Fernseh- und
       Internet-Formate …“ Wie wäre es denn, liebes ZDF, mit ein bisschen weniger
       Wortgeklingel und besseren Sendeplätzen für die innovativen Fernsehforscher
       stattdessen?
       
       10 May 2021
       
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