# taz.de -- Streik in Berliner Krankenhäusern: „Wir alle haben keinen Bock mehr“
> Das Ultimatum läuft: Bessert sich die Lage und Bezahlung in den Kliniken
> nicht, wollen die Beschäftigten streiken. Die Bereitschaft dafür ist
> groß.
IMG Bild: Geklatscht wurde laut, gehört hat es die Politik nicht: Protest am Mittwoch
Berlin taz | „Gebraucht, beklatscht, aber bestimmt nicht weiter so“ – unter
diesem Motto fand am Mittwochnachmittag eine Protestkundgebung der
[1][Berliner Krankenhausbewegung] vor dem Roten Rathaus statt. Die
Kundgebung [2][an diesem Internationalen Tag der Pflege] war zugleich der
Auftakt für den Tarifkampf, eingeleitet durch die Beschäftigten der beiden
landeseigenen Kliniken von Charité und Vivantes.
500 Krankenhausbeschäftigte sowie 500 Unterstützer:innen verwandelten
den Platz rund um den Neptunbrunnen mit ihren Warnwesten in ein orangenes
Farbenmeer. Abstände wurden penibel eingehalten, wer teilnehmen wollte,
musste das zuvor online melden. „Stand der Dinge – Augenringe“ war dem
Schild einer Protestierenden zu lesen, ein weiteres Transparent fragte:
„Wir retten Leben – Wer rettet uns?“
Auf eine Schweigeminute für die Opfer der Pandemie folgten emotionale
Berichte von Krankenhausbeschäftigten aus ihrem Arbeitsalltag. So erinnerte
sich eine Auszubildende an ihren ersten Praxiseinsatz. Mit nur einer
Fachkraft habe sie insgesamt 40 Patient:innen versorgen müssen. „Ich
schäme mich!“, rief sie aus, denn sie habe „Menschen versorgt wie in einer
Legebatterie“. 80 Prozent ihres Azubi-Kurses würden planen, der Pflege nach
dem Examen den Rücken zuzukehren. „Wir sind desillusioniert und haben alle
keinen Bock mehr“, so ihr Fazit.
Die Krankenhausbewegung fordert deshalb einen „Tarifvertrag Entlastung“,
der Unterbesetzungen im Schichtdienst vermeiden soll, sowie die
Durchsetzung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TvöD) für alle
Beschäftigten. Hintergrund ist, dass insbesondere der landeseigene
Krankenhauskonzern Vivantes Arbeiten auf formal unabhängige
Tochterunternehmen auslagert, um eine Bezahlung nach Tarif zu umgehen.
Eigentlich wollte die rot-rot-grüne Koalition dies nicht mehr zulassen.
## Rot-rot-grüne Politiker:innen geloben Besserung
Mit der Kundgebung startet zugleich ein 100-tägiges Ultimatum an
Klinikleitungen und Politik: Kommen sie den Forderungen nicht nach, soll
gestreikt werden – wenige Wochen vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und
Bundestag am 26. September. Um dies zu unterstreichen, wurde
Vertreter:innen des Senats eine Unterstützungspetition überreicht, in
der sich exakt 8.397 Beschäftigte zu den Forderungen der Bewegung bekennen.
Damit weiß die Initiative nach eigenen Angaben eine Mehrheit auf jeder
Station sowie insgesamt 63 Prozent der Beschäftigten hinter sich – obwohl
die Bewegung erst seit dem 25. März um Unterstützung wirbt. Schon am
Vormittag hatte Verdi die Klinikleitungen aufgefordert, Tarifverhandlungen
aufzunehmen.Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) musste die Bühne unter
Buh-Rufen betreten. Selbstkritisch sprach sie von „Fehlern“, gelobte aber
Besserung. Der Linkspartei-Abgeordnete Tobias Schulze fand, Politik und
Gewerkschaft sollten „die Unternehmen in die Zange nehmen“. Auch der
SPD-Landeschef Raed Saleh bekannte sich „ganz klar“ zu den Forderungen. Und
schließlich erklärte Fatoş Topaç, sozialpolitische Sprecherin der Grünen,
man werde „überall da, wo es möglich ist“, unterstützen.
„Diese gleichen Worte“ höre man immer wieder, hieß es im Anschluss von
Demonstrierenden. Man werde die Politik nicht an ihren Worten, sondern an
spürbaren Taten messen. Kämpferisch lautete es zum Abschluss: „In der
Pandemie haben wir das Unmögliche möglich gemacht. Jetzt erwarten wir vom
Senat einen Kraftakt. Mehr von uns ist besser für alle“.
13 May 2021
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## AUTOREN
DIR Timm Kühn
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