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       # taz.de -- Mietendeckel-Gesetz in Berlin: Der Deckel ist weg
       
       > Die mit Spannung erwartete Entscheidung des Verfassungsgerichts ist da.
       > Das Berliner Mietendeckel-Gesetz wird rückwirkend gekippt.
       
   IMG Bild: Deckel ist weg, die Richter am Verfassungsgericht in Karlsruhe haben entschieden
       
       Berlin taz | Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel
       gekippt. Die Richter*innen erklärten das Gesetz für „mit dem Grundgesetz
       unvereinbar und deshalb nichtig“. Das Gesetz, mit dem die Mieten von etwa
       1,5 Millionen Mietwohnungen eingefroren worden waren, ist nichtig. Vielen
       Mieter*innen drohen nun Nachzahlungsforderungen ihrer Vermieter*innen.
       
       Die Richter*innen des Zweiten Senats lehnten insbesondere die
       landesrechtliche Zuständigkeit Berlins für die Regulierung der Mieten ab.
       Die „Regelungen zur Miethöhe für ungebundenen Wohnraum“ seien bereits per
       Bundesrecht abschließend geregelt, da der Bund bereits 2015 die
       Mietpreisbremse beschlossen hatte.
       
       Berlins Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) zeigte sich
       gegenüber der taz „überrascht von der Deutlichkeit des Urteils“ und sprach
       von einem „schweren Tag für Berlins Mieterinnen und Mieter“. Er versprach:
       „Wir lassen die Mieter*innen mit Auswirkungen, die das haben wird, nicht
       im Stich.“ Der Senat werde am Dienstag über seine weiteren Schritte
       beraten, dies sei mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD)
       bereits vereinbart.
       
       Scheel sagte, der Weg, selbst die Mieten zu regulieren, „sei nun
       versperrt“. Er appellierte an den Bund, „uns eine Öffnungsklausel zu geben
       oder ein wirksames soziales Mietrecht zu schaffen“. Gleichwohl verteidigte
       der Senator den Versuch, die Mieten zu regulieren: „Wir sind diesen Weg aus
       guten Gründen gegangen. Wir wussten, dass wir Neuland betreten, und wollten
       diese Kompetenzfrage ausloten.“ Positiv bliebe, dass Berlin eine
       „gesamtgesellschaftliche Debatte angestoßen“ habe, dass die „soziale
       Mischung in den Städten zu erhalten“ sei.
       
       ## Freude bei der CDU
       
       Berlins CDU-Chef und Spitzenkandidat zur Abgeordnetenhauswahl Kai Wegner
       freute sich derweil über eine „empfindliche Niederlage“ für die
       rot-rot-grüne Koalition. „Der Senat hat die Mieterinnen und Mieter in
       Berlin mit seinem falschen Mietendeckel-Versprechen getäuscht. Der Schaden
       ist groß. Viele Menschen haben sich auf die Behauptungen des Senats
       verlassen.“
       
       Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) sagte: „Der Mietendeckel ist jetzt
       Geschichte. Das ist gut, denn auch baupolitisch war er der völlig falsche
       Weg. Er hat für Unsicherheit auf den Wohnungsmärkten gesorgt, Investitionen
       ausgebremst und keine einzige neue Wohnung geschaffen.“
       
       In einer Erklärung der Linken-Landesführung hieß es, die Mietenpolitik von
       SPD und CDU im Bund sei „völlig zahnlos und unzureichend“, die
       Mietpreisbremse schütze nicht. Die Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und
       Carsten Schatz, Parteichefin Katina Schubert und Senator Klaus Lederer
       sagten: „Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass das Land Berlin
       besonders bedürftige Mieterinnen und Mieter mit einem Nothilfefonds bei der
       Nachzahlung unterstützt.“
       
       Auch in Berlins kämpferischer Mieterschaft war der Schock groß. „Das
       Scheitern des Mietendeckels ist eine Enttäuschung für alle Mieter*innen
       in Berlin. Der Deckel hatte der Stadt eine Atempause verschafft, die das
       Bundesverfassungsgericht jetzt jäh beendet hat“, schrieb die Initiative
       Deutsche Wohnen und Co. Enteigenen, die derzeit die Vergesellschaftung der
       großen Immobilienkonzerne anstrebt. „Nur die Enteignung und
       Vergesellschaftung von Wohnraum bieten die Perspektive für ein Berlin mit
       bezahlbaren Mieten – jetzt erst recht,“ so Sprecherin Jenny Stupka.
       
       Das Initiativenplattform Stadtpolitik Berlin forderte von der
       Landesregierung die Umsetzung eines 4-Punkte-Plans: Ein Notfallfonds für
       die Übernahme von Nachzahlungsforderungen, die gesetzliche Verankerung des
       Mietendeckels für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die
       Unterstützung der bundesweiten Mietenstopp-Kampagne von DGB Mieterbund und
       anderen sowie die Umsetzung der Enteignungsforderung. Am Abend wollen
       Berlins Mieter*innen am Neuköllner Hermannplatz zu einer Demonstration
       zusammenkommen.
       
       Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen (MietenWoG Bln) war am 23.
       Februar 2020 in Kraft getreten. Rückwirkend zum Juni 2019 waren damit
       Mieterhöhungen untersagt. Bei Wiedervermietungen griffen Höchstwerte einer
       Mietentabelle, je nach Baujahr und Ausstattung einer Wohnung von maximal
       9,80 Euro je Quadratmeter. Im vergangenen November zündete die zweite Stufe
       des Deckels. Für etwa 340.000 Wohnungen mussten überhöhte Mieten abgesenkt
       werden.
       
       Im Mai 2020 hatten insgesamt 284 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP
       beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle
       gegen den Mietendeckel eingereicht – und damit das notwendige Quorum von
       einem Viertel der Mitglieder des Bundestags erfüllt. Die Mitglieder beider
       Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus hatten eine Klage vor dem Berliner
       Verfassungsgericht eingereicht. Mit einer Entscheidung wollten die
       Richter*innen aber bis zu einem Urteil aus Karlsruhe warten.
       
       15 Apr 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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