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       # taz.de -- Udo Lindenberg wird 75: Der Mann aus dem „Atlantic“
       
       > Udo Lindenberg ist ein alter Underground-Hase mit Mainstream-Appeal und
       > längst in Hamburg mental ehreneingemeindet. Nun wird er 75.
       
   IMG Bild: Konzertmitschnitt zum Geburtstag: „Udo Lindenberg – Live vom Atlantik“ ist noch in der ARD-Mediathek zu sehen
       
       Hamburg taz | Eigentlich sind für diesen Mann alle, wirklich alle Kränze
       geflochten. Ehrungen hat er schon bekommen, die branchenüblichen wie
       [1][den „Echo“], den verfassungspatriotischen wie das Verdienstkreuz …
       Davon abgesehen, dass er nie den „Goldenen Otto“ der Bravo kriegte, hat er
       die maximale Ernte eines erfolgreichen Lebens einfahren können.
       
       Er wird am Montag 75 Jahre alt – aber was heißt schon „alt“? Ihn verbindet
       etwa [2][mit dem Frankfurter Daniel Cohn-Bendit], der jüngst das 76.
       Lebensjahr vollendete, dass gewisse Leute aus ihrer Generation immer noch
       mehr Pep und Good Spirit in ihren Hintern haben als die ganze
       vertimbendzkohafte Nachhut, die niemals in die Schuhe der Älteren
       hineinpassen. Also auch in die nicht von Udo Lindenberg.
       
       Der ist nicht einmal gebürtiger Hamburger, aber da er seit Jahr und Tag am
       liebsten im Hotel „Atlantic“ wohnt und dort das gleichermaßen coole wie
       glamouröse Leben liebt, wird er längst als Hamburger Jung genommen. Und
       passend zum Jubelfest hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gleich die
       nächste Urkunde angekündigt: Ehrenbürger soll Lindenberg werden, sobald es
       die Pandemielage erlaubt: „Er hat Hamburg geprägt und Hamburg ihn.“
       
       Einem Publikum außerhalb der Jazz- und Rockszene der frühen 1970er-Jahre
       wurde Lindenberg, seit den 60ern schon Underground-Musiker, bekannt, als er
       es mit einem Lied sogar in die Deutsche Schlagerparade schaffte: „Hoch im
       Norden“ sang er; ein verschluffter Rocksong mit melancholischem Grundsound,
       irgendwie passend zu jener Zeit, als Stadtteile wie Wilhelmsburg oder die
       Veddel noch nicht Gossenviertel jenseits der Caffè-Latte-Orte waren,
       sondern eben dies: Orte, in denen auch gelebt wurde. Lindenberg und sein
       Lied, sie passten zu Filmen wie Hark Bohms „Nordsee ist Mordsee“ oder
       Roland Klicks „Supermarkt“: Geschichten über junge Menschen, die sich gegen
       jede Verwahrlosung entscheiden und es doch nicht so recht schaffen.
       
       ## Bei den Kolleg:innen beliebt
       
       Lindenberg hat im Übrigen die coole Sprache des gepflegten Kneipenspruchs
       zur Verallgemeinerung gebracht: „Alles klar / auf der Andrea Doria“, oder –
       gemünzt auf die politischen Verhältnisse hierzulande –: „Bunte Republik
       Deutschland“. Lindenberg, der Udo, war einer der ersten Künstler aus den
       Undergrounds, die für alternative Wahllisten Reklame machten, für die
       Grünen sowieso, aber schon 1978 für deren Vorläufer der „Bunten Liste/Wehrt
       Euch“ in Hamburg.
       
       Er ist nicht mehr dissident, wenn auch gegen völkische Schabracken, auch
       klar. Aber inzwischen ist er Mainstream, ein deutsches Kulturgut
       schlechthin, einer, den man zum deutschen Weltkulturerbe zählen könnte,
       gäbe es dieses in persönlicher Form; dafür ausgezeichnet wie kein
       Popmusiker sonst, angebetet und literarisch verewigt von Benjamin von
       Stuckrad-Barre.
       
       Das war ihm gewiss nicht vorgezeichnet, als er 1946 im westfälischen Gronau
       zur Welt gekommen war. Udo Lindenberg genießt einen ausgesprochen guten Ruf
       unter Musikerkolleg*innen, er behandelt alle gleich nett, und die danken es
       ihm auch, denn in der Entourage von Lindenberg soll es so zugehen wie in
       einer echt leicht dauerverpäkten WG, in der er Ende der Sechziger-, in den
       frühen Siebzigerjahren so lebte – alternativ und kommunardig.
       
       Er ist das Panikorchester der Republik, er hat auf seine Weise dazu
       beigetragen, dass deutsche Kultur erheblich cooler werden konnte: vor allem
       als Sänger, als Musiker, als Maler, als Inspirator – und als er selbst.
       Herzlichen Glückwunsch, Alter!
       
       17 May 2021
       
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