# taz.de -- „Tatort“ aus Franken: Der Missbrauch des Missbrauchs
> Die ARD inszeniert den Franken-„Tatort“ unverantwortlich und verbreitet
> das Narrativ: Männer werden tendenziell doch eher falsch beschuldigt.
IMG Bild: Felix Voss und Paula Ringelhahn sind bestürzt
Vielleicht reicht es, dankbar zu sein. Dafür, dass [1][dieser
Sonntagabendkrimi] keine Geschichte erzählt über ein sexuell missbrauchtes
Kind. Sondern über ein zu Tode gekommenes. Nein, das ist nicht zynisch
gemeint. Und natürlich ein Sakrileg: verraten, was passiert. Oder nicht
passiert. Geht nicht anderes.
Im [2][neuen Franken-Tatort] „Wo ist Mike?“ suchen Paula Ringelhahn (Dagmar
Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) in Bamberg einen verschwundenen
Jungen – Mike. Und finden ihn dann tot in einem Schrank im Keller des
Lehrers Rolf Glawogger (Sylvester Groth). Der ist gerade suspendiert. Zwei
Schüler haben erzählt, er habe ihnen in den Schritt gefasst. Und dann
taucht auch noch ein totes Kind in seinem Keller auf.
„Diese vermeintlichen Übergriffe auf die Jungen haben nicht stattgefunden“,
sagt Glawogger. „Ich bin in die Falle getappt, die sie mir gestellt haben.“
Dass Ringelhahn sich zufällig genau in jenen Lehrer verknallt hat und
stellvertretend für uns alle zweifeln soll, macht’s nicht besser.
Die Crux der Story: Glawogger ist unschuldig. Er hat weder die beiden
Schüler angefasst noch Mikes Tod auf dem Gewissen. Und das bringt diesen
Tatort in ein Relevanzdilemma. Denn natürlich ist es relevant, welche
existenziellen Folgen es haben kann, wenn Menschen etwa der Vergewaltigung
bezichtigt werden. Siehe Jörg Kachelmann.
Aber wir befinden uns im Jahr 2021. Der [3][Ex-Fußballer Christoph
Metzelder] hat gerade eine reine Bewährungsstrafe bekommen, obwohl die
Bilder und Filme, die er besaß, zeigen, wie Kinder sexuell missbraucht und
vergewaltigt werden. Derzeit läuft der Prozess über ein von Münster aus
bundesweit agierendes Pädophilie-Netzwerk.
Auch wieder aktuell in der Debatte: der hanebüchene, selbstverleugnende
Umgang der katholischen Kirche mit ihren Würdenträgern, die systematisch
Kinder missbrauchen; eine Instituttion also, die Aufarbeitung hasenfüßig
betreibt, nichts geahnt haben will, eigene „Missbrauchsgutachten“
organisiert, aber keine Verantwortung übernimmt. Und die evangelische
Kirche hat gerade frisch ihren Betroffenenbeirat aufgelöst. Das ist unsere
Realität.
Stattdessen bespielt die ARD ihren prominenten Sendeplatz mit einer Folge,
die das Narrativ bedient: Männer? Tendenziell doch eher falsch beschuldigt.
Mit Blick auf unsere Aufmerksamkeitsökonomie ist die Geschichte, die Thomas
Wendrich hier erzählt – trotz Andreas Kleinerts teils effektvoller
Inszenierung – nur eines: unverantwortlich. Es ist der Missbrauch des
Missbrauchs.
16 May 2021
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## AUTOREN
DIR Anne Haeming
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