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       # taz.de -- Nahostkonflikt, Boris Palmer und die FDP: Trauern, denken, nicht twittern
       
       > Die Lage in Nahost eskaliert. Die Grünen haben heiklere Probleme als
       > Palmer. Und die FDP will Folgen des Wachstums mit Wachstum bekämpfen.
       
   IMG Bild: Hoffentlich „lindnert“ er bald nicht wieder rum: Christian Lindner beim Bundesparteitag der FDP
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Israel und Palästina: unfassbar traurig.
       
       Und was wird in dieser besser? 
       
       Trauern, denken, nicht twittern.
       
       Die Grünen haben die Union in Umfragen überholt. Aber sie könnten von einem
       Schwaben wieder zu alten Werten zurückgeholt werden. Fanden Sie den Umgang
       mit den letzten verbalen [1][Entgleisungen Boris Palmers] angemessen? 
       
       Baerbocks Bio wird in Zeitlupe durchbuchstabiert; zum Wahlparteitag liegen
       3.000 Änderungsanträge vor und stramm basisdemokratisch wurde der
       Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ bereits gestrichen. Da ist „alles drin“,
       zumal die Umfragen mehr Sympathie als Vertrauen andeuten: Hoch rangieren
       die Grünen – höher der Wunsch nach einer unionsgeführten Regierung. Es ist
       ein Flirt und Grün ein gutes Gefühl. Die Belastbarkeit der Kandidatin, die
       Klarheit des Programms – alles viel schwieriger zu klären als einen
       nützlichen Idioten zu finden, gegen den man sich solidarisieren kann.
       Palmers Tragik: Er lenkt von weit heikleren Problemen der Grünen ab.
       
       Nach einem Talkshowauftritt von Luisa Neubauer wurde leidenschaftlich
       darüber diskutiert, ob Hans-Georg Maaßen nun [2][Antisemit sei oder nur
       antisemitische Inhalte] verbreitet habe. Ist diese Differenzierung eine
       spezifisch deutsche? 
       
       Nein, Fluch der Zeit: Die In-eins-Setzung von Anklage und Gericht. Vorwürfe
       wie „Sexist“, „Rassist“, „Antisemit“ sind im gerechten Eifer großzügig
       ausgeteilt. Schon tummeln sich im Walhall Maaßen, Gottschalk, Wagenknecht,
       Palmer – wenn man die Begriffe entwerten möchte, ist das ein guter Weg.
       Neubauer differenziert, spät aber doch, sie habe Maaßen nicht Antisemit
       genannt. Diese Entschleunigung ehrt sie, und es ist taktisch klug: Wer sich
       im Selbstmitleid suhlen möchte, kann das auch alleine.
       
       Der Verfassungsschutz in Thüringen hat [3][den dortigen Landesverband der
       AfD] als erwiesen rechtsextrem eingestuft, eine bundesweite Premiere. Wie
       überrascht sind Sie über diese Einstufung von 1 bis 10?
       
       Ich spare mir „8,8“ und denke: Nur rechtliche Formalien verhinderten, die
       AfD im Bundestagswahljahr bundesweit zu ächten. Auch in Thüringen wir im
       September gewählt, die Behörde traut sich was.
       
       Die Liberalen melden sich mit ihrem Parteitag zurück und wollen jetzt
       wirklich mal wieder mitsprechen. Christian Lindner wurde bestätigt als
       FDP-Vorsitzender und Spitzenkandidat, danach geht es [4][ans Wahlprogramm].
       Was sind ihre Themen? 
       
       Die FDP will die Klimafrage durch „Innovation“ lösen. Heißt: Die Folgen des
       Wachstums durch Wachstum bekämpfen. Das ist nicht überraschend, doch
       immerhin überraschend blöd: eine Hypothek auf Technologien, die es noch
       nicht gibt. Wer das glaubt, feiert auch Steuersenkungen nach der
       Maximalverschuldung durch die Pandemiepolitik. Im Ton allerdings gibt sich
       Lindner maß- und respektvoll.
       
       Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
       [5][ermittelt gegen Kanzler Sebastian Kurz], weil der beim
       Ibiza-Untersuchungsausschuss gelogen haben soll. Schafft der Basti auch
       diese Challenge? 
       
       Sein grüner Vizekanzler Kogler schafft es im Interview mit dem Standard
       viermal, diese Frage nicht zu beantworten. Juristisch korrekt: Noch geht es
       um Ermittlungen, und käme es zu einer Anklage, könnte man an den deutschen
       Bundespräsidenten Wulff denken: Er trat wegen einer Anklage zurück, die im
       folgenden Verfahren in sich zusammenbrach. Politisch decken die Grünen so
       eine unzweifelhaft nachgewiesene Günstlingswirtschaft, einen
       Misstrauensantrag gegen Kurz’ blamierten Finanzminister Blümel wehrten sie
       ab. Kurz selbst floh nach vorn in ein 23-Minuten-Verhör mit dem
       unerbittlichen Armin Wolf und bedankte sich für die faire Befragung. Kurz
       demoliert, Grüne blamiert, ORF saniert. Hoher Preis, aber auch mal schön.
       
       Letzte Woche ist der [6][Ramadan zu Ende] gegangen. Haben Sie auch mal
       gefastet? 
       
       Nikotin. Gilt das? Kommt jedenfalls so zuverlässig wie der Ramadan.
       Tagsüber fasten, abends Ausgangssperre – ich finde, die muslimischen
       Deutschen haben das geräuschloser durchgezogen als die christlichen
       Weihnachtsfreunde.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Meisterschaft ist Weihnachten, aber Pokalsieg ist Karneval. Bis auf ein
       bisschen Pyro am Borsigplatz ein schlimmer Raub der Pandemie: Wir konnten
       nicht feiern. Aus Sicht der Borussen muss man schon kritisch nachfragen, ob
       Corona überhaupt Sinn macht.
       
       Friedrich Küppersbusch ist zu Hause beflaggt.
       
       Fragen: mlr, vag
       
       16 May 2021
       
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