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       # taz.de -- Fußballtrainer in der Bundesliga: Das Ende des Dardaismus
       
       > Die Macht der Fußballtrainer wächst. Das hat auch eine Kehrseite, wie der
       > Fall von Frankfurts Coach Hütter zeigt.
       
   IMG Bild: Plötzlich Probleme: Selbst gegen Schalke weiß Eintracht-Trainer Adi Hütter nicht mehr weiter
       
       Den Fußballromantikern bleibt in dieser nahezu zuschauerlosen Saison, in
       dem auch noch das Super-League-Gespenst kurzzeitig Gestalt annahm, nicht
       viel. [1][Vielleicht noch Pal Dardai.] Der Ungar ist nur von der Hertha und
       nicht vom Profigeschäft abhängig. Klaglos wird er gegebenenfalls wieder ins
       zweite Glied als Jugendtrainer zurücktreten, obgleich sein Rettungseinsatz
       erfolgreich war. Nach dem torlosen Remis gegen Köln ist der Hertha ein
       weiteres Erstligajahr sicher. Für den mit Investorengeld aufgepimpten
       Verein ist das ja erstaunlicherweise nach wie vor ein Grund zum Feiern.
       
       Ansprüche leitet Dardai daraus aber nicht ab. „Was kann ein Trainer
       entscheiden?“, fragte er nach der Partie in Köln. „Seien wir ehrlich. Die
       Entscheidung kommt immer von oben.“ Diese Schicksalsergebenheit muss man
       indes als einen unkonventionellen Dardaismus bezeichnen, steht sie doch
       gegen einen neuen, großen Trend in der Fußball-Bundesliga.
       
       Die Trainer sind nicht mehr Spielball höherer Mächte, sie sind zu
       Entscheidern geworden. Die Saison 20/21 wird im Rückblick möglicherweise
       als eine große Wendemarke wahrgenommen. Marco Rose, Adi Hütter und Julian
       Nagelsmann haben gegen den Willen ihrer Arbeitgeber ihr Engagement
       frühzeitig beendet. Dank vertraglich verankerter Ausstiegsklauseln oder
       mündlicher Absprachen haben sie sich entsprechende Freiheiten geschaffen
       und werden vermeintlich attraktivere Teams betreuen.
       
       Deutschland hat einen Trainer-Fimmel. Liverpools Jürgen Klopp bestreitet
       mittlerweile bei Sky den Werbeblock in der Halbzeitpause fast allein. Er
       preist Geldanlagen, eine Autofirma, Bier und natürlich den Pay-TV-Sender
       selbst an. Gefeiert wurden hierzulande die großen Dirigenten an der
       Seitenlinie „Made in Germany“, von denen gleich vier im Viertelfinale der
       Champions League standen. In Hoffenheim und bei den RB-Konzernvereinen hat
       man längst erkannt, wie wichtig auch die Auslese bei der Ausbildung der
       Trainer ist.
       
       ## Transfers auf europäischem Spitzenniveau
       
       Mit der Wertschätzung ist hierzulande der Preis für Trainer auf
       europäisches Spitzenniveau gestiegen. Gladbach erhielt 5 Millionen Euro für
       Rose, Frankfurt 7,5 Millionen für Hütter, Leipzig 25 Millionen für
       Nagelsmann. Seltsamerweise sind Trainer zuvor nie ernsthafter Bestandteil
       des Transfermarktes gewesen, obwohl sie mit ihrer Arbeit große Werte
       schaffen. Sie standen abseits des großen Geschäfts, das vom Kauf und
       Verkauf angetrieben wird.
       
       Weil Trainer nun aber als Entscheider in eigener Sache in Erscheinung
       treten und ähnlich wie Spieler recht kurzfristig den Klub wechseln, um die
       eigene Karriere voranzutreiben, werden sie auch anders wahrgenommen. Hütter
       wird im Gedächtnis der Frankfurter Fans als derjenige haften bleiben,
       dessen Erfolgsserie mit der Bekanntgabe seines Weggangs riss und bei dem
       selbst Schalke als Gegner nicht mehr helfen konnte – und dadurch die fast
       schon sicher geglaubte Champion-League-Qualifikation verspielt wurde.
       
       Ähnlich negativ wirkte sich auch [2][Roses Bekenntnis in Gladbach zu seinem
       künftigen Arbeitgeber] aus. Entwicklungen, die den Eindruck bestärken,
       welch neuralgische wichtige Position Trainer einnehmen. Denen kann man
       allerdings ihre Emanzipation nicht zum Vorwurf machen. Schließlich halten
       ihre Arbeitgeber ja auch nichts von Treueverhältnissen. Schade ist es aber
       aus Romantikersicht dennoch, dass die Eliteliga oder eben dann auch die
       Zweite Liga mit Florian Kohfeldt nun einen Typen wie Dardai verliert, der
       seinen Arbeitgeber nicht lediglich als Sprosse seiner Karriereleiter
       betrachtet.
       
       16 May 2021
       
       ## LINKS
       
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