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       # taz.de -- Widerstand gegen Putsch in Myanmar: Junta nutzt Artillerie und Geiseln
       
       > Myanmars Militärjunta hat im Kampf gegen eine Bürgermiliz Gefangene als
       > menschliche Schutzschilde eingesetzt. Das sagt die Gegenregierung.
       
   IMG Bild: Myanmarischer Soldat schaut während seines Wachdienstes auf sein Smartphone
       
       Berlin taz | Nach tagelangen Kämpfen gegen Myanmars Putschmilitär hat sich
       die im westlichen Chin-Staat gebildete Bürgermiliz [1][Chinland
       Verteidigungskräfte] (CDF) am Sonntag aus der Stadt Mindat
       [2][zurückgezogen]. Die aus mehreren Hundert Bewohnern Mindats und acht
       anderer Kleinstädte in der Region Anfang April gebildete CDF ist nur mit
       Jagdgewehren und selbst gebauten Waffen ausgerüstet, während das Militär
       jetzt Artillerie und Hubschrauber einsetzte.
       
       Der Sprecher der gegen das Putschregime im Untergrund agierenden
       sogenannten Einheitsregierung, [3][Dr. Sasa], warf dem Militär am Samstag
       vor, Bewohner Mindats als Geiseln genommen und als menschliche
       Schutzschilde gegen die Miliz eingesetzt zu haben.
       
       Mindestens 18 Männer hätten Soldaten beim Einmarsch in die Stadt vor sich
       her getrieben, sagte ein CDF-Sprecher dem Onlineportal [4][Irrawaddy]: „Wir
       können doch nicht unsere Leute verletzten. Deshalb haben wir uns langsam
       zurückgezogen und fast alle gesunden Männer haben die Stadt verlassen.“ Ein
       weiterer Grund sei gewesen, dass man bei einer Verteidigung der Stadt deren
       Zerstörung hätte befürchten müssen.
       
       Im April hatte die [5][CDF erstmals einem Militärkonvoi aufgelauert], der
       Truppen zur Niederschlagung der dortigen Proteste bringen sollte. Dutzende
       Soldaten wurden getötet, Militärfahrzeuge wurden in Brand gesteckt. Am
       letzten Donnerstag stellte die Militärjunta die Stadt mit mindestens 20.000
       Einwohnern unter Kriegsrecht, beschoss sie seitdem mit Artillerie und
       Granatwerfern und rückte mit Truppen von zwei Seiten aus vor.
       
       ## Militär fliegt Verstärkung ein
       
       Während die CDF noch die östliche Zufahrtsstraße aus kontrollierte und nach
       eigenen Angaben weitere Militärfahrzeuge zerstören konnte, flog das Militär
       mit Hubschraubern laut Dr. Sasa eintausend Soldaten ein. Inzwischen soll
       das Militär im Stadtzentrum patrouillieren.
       
       Über die genauen Verluste beider Seiten herrscht Unklarheit. Ohnehin sind
       Angaben aus der Unzugänglichen Region kaum zu überprüfen, zumal derzeit
       Internet und Mobiltelefone oft blockiert sind.
       
       Am Samstag kritisierten die Botschaften der USA und Großbritanniens den
       Einsatz von Artillerie gegen die Stadt. Anders als zwei Dutzend seit
       Jahrzehnten bestehende ethnische Guerillagruppen ist die CDF erst als Folge
       des Militärputsches vom 1. Februar gegen die gewählte Regierung und der
       bald einsetzenden Tötungen friedlicher Demonstranten entstanden.
       
       Laut der Juntazeitung [6][Global New Light of Myanmar] würden in Mindat die
       Verantwortlichen für „Terroranschläge“ bald vor ein Militärgericht
       gestellt.
       
       ## Abschuss eines Hubschraubers
       
       Insbesondere ethnische Guerillaorganisationen der Karen, der Kachin und der
       Shan haben sich mit dem breiten Volkswiderstand gegen die Junta
       solidarisiert und Angriffe auf das Militär verstärkt. Am 3. Mai war es der
       Kachin Independent Army (KIA) erstmals gelungen, bei Momauk im Kachin-Staat
       einen [7][Armeehubschrauber abzuschießen].
       
       Der per Video dokumentierte Abschuss des Kampfhubschraubers aus russischer
       Produktion soll innerhalb des Militärs für einige Verunsicherung gesorgt
       und sogar zu [8][80 Fällen von Desertion] geführt haben.
       
       Nach Angaben der inzwischen verbotenen und deshalb im Untergrund
       operierenden myanmarischen Menschenrechtsorganisation [9][AAPP (Assistance
       Association for Political Prisoners)] vom Sonntag wurden seit dem Putsch
       von der Polizei und dem Militär bisher 796 Personen getötet. 3998 Personen
       sind noch inhaftiert, weitere 1.679 werden per Haftbefehl gesucht. Bisher
       wurden 20 Personen zum Tode verurteilt.
       
       Auch am Sonntag wurden aus mehreren Orten wieder Demonstrationen gemeldet.
       
       16 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.facebook.com/chinlanddefenseforce/
   DIR [2] https://www.frontiermyanmar.net/en/anti-coup-militia-says-at-least-five-dead-in-mindat/?fbclid=IwAR0ZhmKbwLORCKNP7zPQfNHWc9plNpKbxms_k9-tzqKWT-6ldzSRyXqcGx4
   DIR [3] https://www.facebook.com/NUGmyanmar/photos/a.105561664997807/118026200418020/
   DIR [4] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-juntas-troops-use-civilians-as-human-shields-in-assault-on-mindat.html
   DIR [5] /Folgen-des-Militaerputsches-in-Myanmar/!5768828
   DIR [6] https://cdn.myanmarseo.com/file/client-cdn/gnlm/wp-content/uploads/2021/05/16_May_21_gnlm.pdf
   DIR [7] https://www.irrawaddy.com/news/burma/kachin-independence-army-shoots-myanmar-military-helicopter.html
   DIR [8] https://www.irrawaddy.com/news/burma/air-force-myanmar-military-civil-disobedience-movement-cdm-kachin-independence-army-kia-karen-national-liberation-army-national-unity-government-military-regime-junta-coup.html
   DIR [9] https://aappb.org/?p=15086
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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