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       # taz.de -- Bürgermeisterwahl in Zagreb: Grüner Tomislav Tomašević gewinnt
       
       > In der kroatischen Hauptstadt ist der Kandidat der links-grünen Koalition
       > zum Bürgermeister gewählt worden. Er bekam mehr als 65 Prozent der
       > Stimmen.
       
   IMG Bild: Der siegreiche Tomislav Tomašević
       
       Split taz | Der 39-jährige Tomislav Tomašević und seine Mitstreiter des
       links-grünen kroatischen Parteienbündnisses Možemo (Wir können) waren
       begeistert, als am Sonntagabend das Wahlergebnis feststand: Satte 65,25
       Prozent der abgegebenen Stimmen hatte Tomislav Tomašević bei der Stichwahl
       für das Amt des Bürgermeisters gegen den rechten Gegenkandidaten Miroslav
       Škoro auf sich vereinigen können.
       
       Die Bürger der von rund einer Million Menschen bewohnten kroatischen
       Metropole „wollen einen grundsätzlichen Wandel“, erklärte der Wahlsieger
       noch am Wahlabend. Er werde auf die protzigen Dienstfahrzeuge seines
       Vorgängers verzichten und sich so oft es gehe mit dem Fahrrad, der
       Straßenbahn und zu Fuß durch die Stadt bewegen. Die Verwaltung solle
       verschlankt und bürgernaher sowie das Personal darin weiblicher werden.
       
       Er will Schluss machen mit der Korruption und dem Klientelismus seines
       Vorgängers: „Ich kämpfe mein ganzes Leben für diese Stadt, gegen die
       Entscheidungen derer, die diese Stadt als ihren privaten Bankomat benutzt
       haben“, sagte er mit Blick auf seinen Vorgänger und Populisten [1][Milan
       Bandić], der im Februar an einem Herzinfarkt gestorben war. „Wir können
       alles gemeinsam erreichen.“ Er forderte die Bevölkerung auf, die Chance für
       einen grundsätzlichen Wandel anzunehmen.
       
       Die urbanen, modernen Mittelschichten und vor allem junge Frauen und Männer
       wollten offenbar grundsätzliche Veränderungen, erklärten Wahlanalytiker
       nach dem Erdrutschsieg in Zagreb. Da auch in den anderen Großstädten, wie
       in Split mit Ivica Puljak aus der Bürgerpartei „Centar“ (56 Prozent) und in
       Rijeka (52 Prozent) mit dem Sozialdemokraten Marko Filipović,
       oppositionelle und aus dem eher linken Spektrum der Gesellschaft stammende
       Kandidaten gewonnen haben, könnten die Kommunalwahlen auch der Beginn eines
       grundsätzlichen Wandels in Kroatien sein.
       
       ## 2020 kam der politische Durchbruch
       
       Tomislav Tomaševićs stammt wie viele seiner Mitstreiter aus dem vor 20
       Jahren noch sehr kleinen links-grünen Milieu in Zagreb. 1998 schloss er
       sich als 16-Jähriger der Zagreber Umweltorganisation Zelena Akcija (Grüne
       Aktion) an und begann mit Aktionen gegen die illegale Müllentsorgung in
       Wasserschutzgebieten. Er engagierte sich bei Kampagnen gegen Mieterhöhungen
       oder Menschenrechtsverletzungen.
       
       Er vernetzte sich sehr früh schon international, hielt Kontakte zu vielen
       Umweltinitiativen bis hin zur UN-Organisation UNEP, deren Berater er schon
       2002 wurde. Nach Abschluss seines Studiums an der Fakultät für
       Politikwissenschaft in Zagreb ging er 2011 dank einem Stipendium an die
       Universität Cambridge. An der Fakultät für Geografie schloss er sein
       Studium mit einem Master zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung ab.
       
       Er kehrte 2015 nach Kroatien zurück, arbeitete zunächst bei der
       Heinrich-Böll-Stiftung in Zagreb und wurde danach Programmmanager des
       Instituts für Politische Ökologie (IPE), wo erforscht wird, wie
       Umweltveränderungen sich auf soziale Ungleichheiten auswirken.
       
       [2][Im Jahr 2020 aber kam der politische Durchbruch]: Der von ihm
       mitinitiierten Koalition aus Wir können!, Zagreb gehört uns!, Neue Linke,
       ORaH, Arbeiterfront, Für Die Stadt gelang es, sieben Sitze im Sabor, dem
       kroatischen Parlament, zu erringen. Seither nutzten er und das Bündnis das
       Parlament, um ihre Positionen populär zu machen.
       
       Das ist offensichtlich gelungen. „Wir hatten zwar nicht die Mittel der
       anderen Parteien im Parlament, aber wir haben den Geist, die Kreativität,
       den Trotz und die Beharrlichkeit“, sagte er damals und fügte hinzu, dass
       Kroatien endlich eine grün-linke Option für soziale Gerechtigkeit, für die
       Umwelt und für die Gleichstellung der Geschlechter erhalten habe. „Die
       Bürger Zagrebs haben heute laut und deutlich Ja zur Veränderung gesagt“,
       erklärte Tomašević am Wahlabend.
       
       31 May 2021
       
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