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       # taz.de -- Baldiges Ende der Impfpriorisierung: Die Geduldsprobe
       
       > Am 7. Juni wird die Impfpriorisierung aufgehoben. Kurzzeitig dürfte das
       > zu Chaos führen, langfristig aber eine ganz andere Situation schaffen.
       
   IMG Bild: Keine Ente: Bis Ende Juni werden Lieferungen von mindestens 40 Millionen Impfdosen erwartet
       
       Einige Ärztinnen und Ärzte sind schon jetzt am Limit. „Wir können nicht
       mehr und sind 100 % total erledigt“, schreibt etwa Helma Hesse aus einer
       Berliner Praxis in einer Rundmail an ihre Patient*innen. Der Ansturm auf
       Corona-Impfungen und der damit verbundene Aufwand seien nicht mehr zu
       schaffen. Darum müsse man „alle restlichen Patienten bitten, die auf
       unserer Voranmeldungsliste stehen, sich woanders Impftermine zu holen“.
       
       Ein solcher völliger Rückzug aus der Impfkampagne dürfte eine Ausnahme
       sein. Doch großer Stress herrscht in vielen Praxen. „Wir sind kaum noch
       erreichbar, weil das Telefon praktisch nicht stillsteht“, sagt der Berliner
       Hausarzt Peter Berning. Und das dürfte sich in den nächsten Wochen noch
       verstärken. [1][Denn ab 7. Juni wird die sogenannte Impfpriorisierung
       aufgehoben], hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag
       angekündigt. Von da an kann sich also jeder ohne besondere Voraussetzungen
       bei seinem Hausarzt oder im Impfzentrum um einen Termin bemühen.
       
       Dass das zunächst zu Stress und Frust führen kann, ist auch dem Minister
       klar. „Wir werden Geduld brauchen“, sagte er. „Auch wenn wir die
       Priorisierung aufheben, wird nicht jeder direkt einen Impftermin bekommen
       können.“ Zudem sorgt die Ankündigung für Sorge bei denen, die zu einer der
       Prioritätsgruppen gehören, aber noch keinen Impftermin in Aussicht haben.
       In Nordrhein-Westfalen etwa ist in vielen Impfzentren derzeit erst die
       zweite Prioritätsgruppe dran. Wer zur dritten Gruppe gehört – das sind
       unter anderem 60- bis 70-Jährige sowie Berufsgruppen mit vielen Kontakten
       –, wird derzeit noch vertröstet.
       
       ## Liefermengen für Praxen stehen im Juni noch nicht fest
       
       Doch es ist absehbar, dass sich die Lage jetzt schnell bessert. Allein in
       den drei verbleibenden Wochen bis zur Freigabe für alle werden noch rund 15
       Millionen Dosen erwartet; zunächst wird davon zwar noch ein großer Teil für
       Zweitimpfungen benötigt, doch ab Juni sollte sich das ohnehin schon hohe
       Impftempo noch einmal stark beschleunigen – und es sollten auch wieder
       viele Erstimpfungen stattfinden. Die Impfzentren erhalten dann wie bisher
       rund 2,5 Millionen Impfdosen pro Woche, müssen also im Schnitt 360.000
       Impfungen pro Tag durchführen.
       
       Bei den Ärzten dagegen steigt die Zahl deutlich an: Allein vom
       Biontech-Impfstoff erhalten sie dann pro Woche rund 3,6 Millionen Dosen –
       und damit mehr als doppelt so viele wie im Mai. Wenn statt der vorgesehenen
       sechs Dosen pro Behälter sieben aufgezogen werden, was in vielen Praxen
       geschieht, können bis zu vier Millionen Menschen pro Woche geimpft werden.
       Dazu kommen noch die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson,
       deren Liefermengen für die Praxen im Juni noch nicht feststehen.
       
       Insgesamt werden bis Ende Juni Lieferungen von mindestens 40 Millionen
       Impfdosen erwartet – und damit etwa so viele, wie seit Beginn der
       Impfkampagne Ende Dezember bisher insgesamt in Deutschland verimpft wurden.
       Das entspricht etwa 900.000 Impfungen pro Tag – und damit noch mal 30
       Prozent mehr als die rund 700.000 Impfungen, die in der letzten Woche im
       Schnitt pro Tag stattfanden.
       
       ## Ein Großteil der Arbeit entfällt auf die Terminvergabe
       
       Die Hausärzt*innen müssen diese deutlich größere Menge nicht allein
       schultern – auch in Betrieben darf von Juni an geimpft werden. Doch auch in
       den Praxen dürfte die Zahl der Impfungen noch einmal deutlich steigen. Die
       Kassenärztliche Vereinigung begrüßt die Pläne dennoch. „Es ist richtig, so
       viele Menschen so schnell wie möglich zu impfen und folglich die
       Priorisierung aufzuheben“, erklärte der Vorsitzende Andreas Gassen.
       
       Auch der Berliner Hausarzt Peter Berning sieht die Entscheidung positiv.
       Ein Großteil der Arbeit in den Praxen entfalle auf die Terminvergabe, die
       durch die Priorisierung bisher aufwendiger sei – zumal immer erst wenige
       Tage im Voraus bekannt sei, wie viel Impfstoff geliefert werde, und dann
       die entsprechenden Listen abtelefoniert werden müssten. „Das wird jetzt
       einfacher, wenn wir jeden impfen dürfen.“
       
       Dass trotz der großen angekündigten Liefermengen in vielen Praxen und
       Impfzentren in den nächsten Wochen keine Termine verfügbar sind, dürfte
       daran liegen, dass diese teils erst dann vergeben werden, wenn die
       Lieferungen sicher sind. Zudem zeichnen die langen Wartelisten, die in
       vielen Praxen existieren, vermutlich nicht immer ein reales Bild – denn
       einige Menschen dürften sich in mehreren Arztpraxen parallel um einen
       Termin bemühen.
       
       ## Herausforderung, genug Impfwillige zu finden
       
       Insgesamt sind die Perspektiven trotz der frustrierenden Erfahrungen, die
       viele Impfwillige derzeit machen, jedenfalls nicht schlecht: Wenn alle
       Lieferungen wie geplant kommen und komplett genutzt werden, sind bis Ende
       Juni rund 30 Millionen Menschen vollständig geimpft; weitere 20 Millionen
       müssten bis dahin ihre Erstimpfung erhalten haben. Zusammen entspricht das
       in etwa 60 Prozent der Bevölkerung.
       
       Für die sogenannte Herdenimmunität langt das vermutlich noch nicht –
       aufgrund der stärker ansteckenden Mutationen halten Expert*innen dafür
       inzwischen einen Wert von 80 Prozent für erforderlich. Dabei wird die
       Herausforderung dann aber nicht mehr sein, alle Impfwilligen zu versorgen,
       sondern genug Impfwillige zu finden – selbst wenn vom Sommer an auch
       Jugendliche und später auch Kinder geimpft werden dürfen.
       
       18 May 2021
       
       ## LINKS
       
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