URI: 
       # taz.de -- Nahost-Diskussion im Libanon: Pro Palästina ohne Wenn und Aber
       
       > Im Libanon unterstützen die Menschen die Palästinenser*innen. Viele
       > sprechen von „asymmetrischem Krieg“ und kritisieren die Medien.
       
   IMG Bild: Bedingungslose Unterstützung aus Beirut: Solidaritätsdemo am 16. Mai
       
       Beirut taz | Vor Sonnenuntergang am Tag des Festes zum Fastenbrechen öffnet
       ein Taxifahrer in Südbeirut ein Video auf seinem Handy: Ein Knall ist zu
       hören, eine Rauchwolke zu sehen und ein [1][Hochhaus in Gaza], das
       zusammenstürzt. „Dieselben Bilder wie damals aus Syrien“, ruft er einem
       Motorradfahrer zu.
       
       Im Libanon scheinen [2][Währungsverfall und steigende Essenspreise]
       vergessen. Entsetzt blicken die Menschen auf Gaza. In Beirut, im südlichen
       Saida und an der Grenze zu Israel bekundeten Hunderte ihre Solidarität.
       Junge Männer kletterten auf die Mauer an der Grenze, israelisches Militär
       erschoss zwei von ihnen – die [3][schiitische Hisbollah] feierte sie als
       Märtyrer.
       
       „Ich unterstütze die Hisbollah, weil sie unser Land und das der
       Palästinenser verteidigt“, sagt die 25-Jährige Jana Awad, die aus Houla
       stammt – zwei Kilometer entfernt von der Grenze zu Israel. All ihre
       Familienmitglieder waren bei Protesten. Sie glaubt, Israels Ziel sei noch
       immer, sein Territorium auf den Libanon auszuweiten.
       
       „Am 21. Oktober 1948 ist das israelische Militär in unser Dorf eingefallen.
       Sie haben 85 Menschen getötet und viele vertrieben“, erinnert sich der
       65-jährige Ali Ayoub, der ebenfalls aus dem Dorf kommt. Er unterstützt die
       „palästinensische Sache“, jedoch keine politische Partei.
       
       ## Trauma und Solidarität
       
       Die Hisbollah ist zugleich politische Partei und Miliz. Sie stilisiert sich
       als [4][Verteidigerin gegen Israel]. Der Organisation wird die Befreiung
       des Libanon von der israelischen Besetzung von 1982 bis 2000 zugeschrieben.
       Damals starteten Kämpfer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO)
       Operationen gegen Israel auf libanesischem Territorium. Seit der Invasion
       1982 fürchten viele Christ*innen im Libanon, dass die Hisbollah sie in
       einen weiteren Krieg verwickelt. Der letzte Krieg mit Israel war 2006, das
       Trauma steckt auch der jungen Generation noch in den Knochen.
       
       Die 33-jährige Nadine Kheshen ist in Kanada aufgewachsen. „Meine erste
       Erfahrung mit dem Thema Israel/Palästina habe ich 2006 gemacht. Wir waren
       im Libanon, als der Krieg ausgebrochen ist“, erzählt die
       Menschenrechtsanwältin. „Als ich zurück nach Kanada kam, war ich geschockt,
       wie die Medien berichteten. Es gab keine Erwähnung der
       Unverhältnismäßigkeit von Angriffen.“
       
       Viele im Libanon unterstützten die Palästinenser*innen aus
       Solidarität in einem asymmetrischen Krieg. „Die meisten Medien berichten
       erst, wenn die Hamas Israel angreift. Dabei ist die Blockade gegen Gaza
       völkerrechtlich illegal“, sagt Kheshen.
       
       Dass sich Israels Justizminister mit Facebook-Vertretern trifft, um
       palästinensische Inhalte zu sperren, verstärkt das Gefühl, dass Netanjahu
       international Gehör findet, Palästinenser*innen aber nicht. Dass nur
       berichtet wird, wenn seitens der Hamas Raketen fliegen – nicht aber, wenn
       palästinensische Häuser in Sheikh Jarrah zwangsgeräumt werden oder rechte
       Israelis Muslime in der Al-Aksa-Moschee angreifen.
       
       ## Kritik an „westlichem Bias“
       
       Vor allem Wissenschaftler*innen und
       Menschenrechtsaktivist*innen wenden sich auf den sozialen Medien
       gegen die israelische Siedlungs- und [5][Verdrängungspolitik in
       Ostjerusalem] und das, was sie als westlichen Bias wahrnehmen.
       
       Der Libanon-Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters, Timour Azhari,
       twitterte: „An Journalisten, die über die israelisch-palästinensische
       Gewalt schreiben: Wenn Sie nicht erwähnen, dass Israel […] Verbrechen der
       Apartheid gegen Palästinenser begeht, ist ihre Geschichte lückenhaft.“
       
       Kheshen kritisiert, dass nur über Unterdrückung bei gleichzeitiger
       Verurteilung der Hamas geredet werden dürfe. „So war es auch bei der
       US-Invasion im Irak“, sagt sie. „Da wurde immer gefordert, auch kritisch
       gegen al-Qaida Stellung zu nehmen.“
       
       21 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Raketenangriff-auf-Medienhaus/!5767605
   DIR [2] /Wirtschaftskrise-im-Libanon/!5700059
   DIR [3] /Nachruf-auf-Hisbollahkritiker/!5745258
   DIR [4] /Israel-und-die-Hisbollah-im-Libanon/!5609777
   DIR [5] /Soziale-Lage-in-Ostjerusalem/!5765957
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Israel
   DIR Hisbollah
   DIR Libanon
   DIR Libanon
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Kolumne Habibitus
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Armut im Libanon: Hilfsgelder helfen nicht
       
       Die rasende Inflation im Libanon verschärft die Not der Menschen.
       Internationale Hilfen landen bei den Banken und korrupten Politikern.
       
   DIR Nahost-Reise von Außenminister Maas: Argumente müssen her
       
       Es hat einen beunruhigenden Subtext, wenn Deutschland nur aufgrund seiner
       Geschichte mit Israel solidarisch ist. Die Glaubwürdigkeit fehlt.
       
   DIR Projektionsfläche Nahost-Konflikt: Mehr als nur entweder oder
       
       Der Nahost-Konflikt polarisiert auch hierzulande. Nicht selten wird
       Antisemitismus gegen Rassismus ausgespielt. Dabei wäre Differenzierung
       nötig.
       
   DIR Erdoğan und der Nahostkonflikt: Der Antisemit vom Bosporus
       
       Erdoğan schockierte zuletzt mit judenfeindlichen Äußerungen. Doch in der
       Türkei punktet er damit – nicht nur in der eigenen Wählerschaft.
       
   DIR Emotionale Bundestagsdebatte zu Nahost: „Ein Stich ins Herz“
       
       Im Bundestag stellen sich die RednerInnen aller Fraktionen im
       Nahostkonflikt auf die Seite Israels. Bemerkenswert ist die Doppelmoral der
       AfD.