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       # taz.de -- Solidarität in Belarus: Nicht aufzuhalten!
       
       > Freiwillige sammeln in Belarus Geld für Opfer von Repressionen – trotz
       > Druck vom Staat. Janka Belarus über stürmische Zeiten in Minsk. Folge 77.
       
   IMG Bild: Festnahme einer oppositionellen Demonstrantin in Minsk im März 2021
       
       Die Leitung des Ermittlungskomitees in der Stadt Minsk setzt ihre
       strafrechtliche Verfolgung wegen Massenunruhen fort, die im vergangenen
       Jahr stattgefunden haben. Aus diesem Grund wurden auch der Journalist
       Andrej Aleksandrow und seine Freundin Irina Slobina festgenommen. Ihnen
       wird vorgeworfen, Gelder aus Solidaritätsfonds erhalten zu haben.
       
       Diese Fonds zahlen Geldstrafen (sowohl persönlich als auch über andere
       Leute) und Entschädigungen für Schäden, die Demonstrant*innen
       verursacht haben sollen. Das heißt, die Jungs halfen dabei, Geldstrafen,
       die der Staat verhängt hatte, zu begleichen und sie übernahmen
       Anwaltskosten für Leute, denen es aufgrund der enormen Beträge unmöglich
       war, selbst zu zahlen.
       
       Die Spenden gingen auf Konten außerhalb von Belarus ein. Dahinter steht
       keine juristische Person. Heute gelten die Aktivisten und Gründer der Fonds
       BY_help und BYSOL, Alexej Leontschik und Andrej Strischak, als [1][die
       schlimmsten Verbrecher]. Angeblich sollen sie Personen auf die Teilnahme an
       Gruppenaktivitäten, welche die öffentliche Ordnung empfindlich stören,
       vorbereitet sowie Aktivitäten extremistischer Gruppierungen finanziert
       haben. Das Ermittlungskomitee will sie wegen aller oben genannten
       Verbrechen belangen. Sie sind zur internationalen Fahndung ausgeschrieben.
       
       Da Alexej Leontschik und Andrej Strischak schon lange nicht mehr in Belarus
       leben, wird es interessant sein zu sehen, wie diese Fahndung ablaufen wird.
       Umso mehr, als die Jungs in den sozialen Netzwerken ihren Aufenthaltsort
       nicht verheimlichen.
       
       Unterdessen kommentieren die Belaruss*innen auf der Seite von Alexej
       Leontschik die Vorgänge mit Humor: „Gratuliere. Ihr habt es geschafft. Seid
       wieder eine Stufe höher auf eurer Karriereleiter gekommen.“ „Endlich. Wir
       haben es kaum erwarten können. Wäre doch auch irgendwie peinlich gewesen,
       dass zwar Stepan Putilo (Gründer des populären Telegram-Kanals, Anm. d.
       Red.) zum Extremisten erklärt wurde, Ihr aber mit all dem nichts zu tun
       habt.“ „Oh, wie bin ich doch stolz, dass ich Dich kenne, du Bandit!“
       
       Andrej Strischak, den ich persönlich kenne, sagt: „Ich nehme alle
       Glückwünsche zu diesem Strafverfahren mit Stolz entgegen. Die Zeiten sind
       jetzt so, dass das ein zusätzliches Qualitätsmerkmal für einen
       Bürgeraktivisten ist. Alle Versuche, unsere Solidarität zu zerstören,
       verlaufen im Sand. Wir haben gelernt, gegen den starken Widerstand des
       Staates zu arbeiten. Und die Behörden werden den Strom unserer
       solidarischen Hilfe nach Belarus nicht stoppen können.“
       
       Leontschik und Strischak sind bekannte Fundraiser, denen ein einwandfreier
       Ruf voraus eilt. Sie haben bereits mehrere solcher Initiativen gestartet.
       Die berühmteste von ihnen heißt ByCovid-19 und fand im vergangenen Jahr
       statt. Mit gesammelten Hilfsgeldern wurde während der Pandemie Ausrüstung
       für belarussische Krankenhäuser (vor allem in den ländlichen Regionen)
       gekauft, da der Staat Ärzte nicht mal mit elementarstem Schutz wie z.B.
       Masken versorgte. Damals gelang es, rund 300.000 Euro zu sammeln. Die Ärzte
       dankten den Freiwilligen für die Hilfe. Übrigens hatte Leontschik schon
       Erfahrungen mit dem Sammeln von Spenden für Menschen, die Opfer von
       Repressionen geworden waren.
       
       Ich erinnere mich noch gut daran, als er im Frühjahr 2017 mit
       Kolleg*innen Gelder sammelte, um die Strafen von Demonstrant*innen
       gegen die sogenannte „Parasitensteuer“ zu bezahlen. Das war eine seltsame
       Initiative des Gesetzgebers: Arbeitslose mussten mehr als umgerechnet 200
       Euro jährlich an den Staat zahlen, wenn sie im Verlauf eines halben Jahres
       nicht offiziell gearbeitet hatten. Dabei konnten die staatlichen
       Arbeitsämter für solche Leute oft überhaupt keine geeigneten Stellen
       finden. Diese Sammel-Kampagne wurde für Belarus zu einem Meilenstein,
       wenngleich das Geld nicht ausreichte, um alle Strafen zu bezahlen:
       insgesamt betrug diese Summe mehr als 100.000 Euro.
       
       „Am 17. April ist es acht Monate her, dass wir Gelder an diejenigen gezahlt
       haben, die unter [2][der jüngsten beispiellosen Repressionswelle gegen die
       belarussische Gesellschaft] gelitten und gerechte Wahlen gefordert haben.
       Jetzt nähern wir uns der Anzahl von 11.000 Personen, denen wir geholfen
       haben. Die Zahlungen haben schon 3.000.000 Euro überschritten“, heißt es
       auf der Seite der Initiative BY_help.
       
       „Ungeachtet der Jagd auf unsere Steuerzahler*innen haben wir die
       Kampagne angepasst und setzen unsere Arbeit fort. Das Ermittlungskomitee
       wird vor nichts zurück schrecken, um unsere Initiative zu stoppen. Sie gibt
       den Menschen Hoffnung, dass sie mit diesen exorbitanten Summen nicht
       alleine gelassen werden, die jeden in den Bankrott treibt. BY_help wird den
       Opfern der Repressionen helfen, für Strafen und medizinische Hilfe zahlen,
       solange das notwendig sein wird.
       
       Aus dem Russischen Barbara Oertel
       
       21 Apr 2021
       
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