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       # taz.de -- Proteste in Moskau: Putins bizarre Parallelwelt
       
       > Mit keinem Wort erwähnt der Chef im Kreml Nawalny oder die Ukraine. Dabei
       > zeichnet sich Putins nächster Akt schon ab. Und Europa schaut zu.
       
   IMG Bild: Während Putin seine Rede hält, fordern Tausende „Freiheit für Nawalny“, Moskau, 21. April
       
       Sie ist schon bizarr, die Parallelwelt des Wladimir Putin. In seiner Rede
       an die Nation, mit der Russlands Präsident alljährlich seine Untertanen
       beglückt, verlor er erwartungsgemäß kein Wort über den inhaftierten
       [1][Kremlkritiker Alexei Nawalny]. Gleichzeitig schaffen es seine
       Unterstützer*innen landesweit wieder Tausende zu Protesten auf die
       Straße zu bringen. Das straft all jene Lügen, die „die Bewegung“ bereits
       tot gesagt hatten.
       
       Denn es geht eben nicht nur um „Freiheit für Nawalny“, dessen Leben nach
       einem mehrwöchigen Hungerstreik am seidenen Faden hängt, sondern um
       demokratische Rechte für alle Russ*innen. Dass diese Erkenntnis
       mittlerweile auch den Kreml erreicht hat, zeigt das [2][brutale Vorgehen
       gegen die Demonstrant*innen]: Über tausend Festnahmen, und das vielfach
       schon, bevor die Kundgebungen überhaupt begonnen hatten.
       
       Selbst an Schüler*innen vergreift sich die Staatsmacht, die unter dem
       Vorwurf des Extremismus einfach eingesammelt werden. Mindestens genauso
       aufschlussreich waren die Botschaften, die der Kremlchef an das Ausland
       richtete. Die Warnung vor gleichwertigen und harten Reaktionen, sollte eine
       „rote Linie“ überschritten werden, ist eine unverhohlene, durchaus ernst zu
       nehmende Drohung.
       
       Dabei ist das genau das, was Russland selbst dieser Tage mit einem massiven
       Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine vorführt. Und es ist beileibe
       kein Zufall, dass Putin ein angeblich vereiteltes Attentat auf den
       belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko ins Feld führt. Das könnte
       bereits die schrille Begleitmusik zu dem Treffen der beiden Staatschefs an
       diesem Donnerstag in Moskau sein.
       
       Denn das gesellige Beisammensein könnte mit einer freundlichen Einladung
       Moskaus an Lukaschenko enden, den Nachbarn einzugemeinden. Ohnehin ist
       Lukaschenko schon längst nur noch ein [3][Herrscher von Putins Gnaden], der
       dem Kreml wie eine reife Frucht geradewegs in den Schoß fällt.
       
       Sollte es tatsächlich so kommen, wäre für die Belaruss*innen wohl
       endgültig eine „rote Linie“ überschritten. Und dann? Zumindest vom Westen
       hätten die Menschen in Belarus in diesem Fall wohl kaum Unterstützung zu
       erwarten, von den üblichen Solidaritätsadressen einmal abgesehen. Das ist,
       vor allem für Europa, ein echtes Armutszeugnis.
       
       22 Apr 2021
       
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