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       # taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Liturgie für Pantheisten
       
       > Der Dirigent und Countertenor René Jacobs widmet sich mit seiner
       > Einspielung von Beethovens „Missa solemnis“ einem Werk im Zeichen der
       > Aufklärung.
       
   IMG Bild: Ludwig van Beethoven, Gemälde Von Joseph Karl Stielerum (um 1820)
       
       Beethoven? War der nicht letztes Jahr groß dran? Einerseits: ja.
       Andererseits ist nach dem Jubiläum in diesem Fall zugleich vor dem
       Jubiläum. Auf den [1][zurückliegenden 250. Geburtstag des Komponisten]
       folgt 2027 sein 200. Todestag.
       
       Der Dirigent und Countertenor René Jacobs läuft sich so gesehen schon
       einmal warm. Mit seiner im Frühjahr erschienenen Einspielung der „Missa
       solemnis“ hat er sich eines der Hauptwerke des Komponisten vorgenommen. Für
       Beethoven selbst war die 1823 vollendete „feierliche Messe“ das
       „gelungenste seiner Geistesprodukte“. Kurzes Geständnis: Die eigene
       Begegnung mit diesem Werk in der Kindheit war seinerzeit weniger
       erfolgreich, auf die in Sakralmusik noch ungeübten Ohren wirkte diese
       Liturgie mit Gesangssolisten, Chor und Orchester eher langweilig.
       
       Was vermutlich an den Qualitäten der damals gehörten Einspielung gelegen
       hat. Man kann dieser Musik mit allzu üppigen Klangmassen leicht die Luft
       abschnüren. Das verhindert der auf „alte“ Musik spezialisierte Jacobs
       gemeinsam mit dem Freiburger Barockorchester und dem RIAS Kammerchor
       Berlin. Bei ihnen bleiben auch volle Akkorde noch elastisch, die komplex
       mehrstimmigen Passagen vor allem des Chors geraten transparent und hell.
       
       Was der Musik und Beethovens Anliegen sehr entgegenkommt. Feierlicher Pomp
       war das letzte, was er zelebrieren wollte, auch wenn er sich neben der
       strengen Polyphonie der Renaissance ebenso von [2][Händels vergleichsweise
       kompaktem „Messias“] anregen ließ. Seine Messe steht ideell dabei im
       Zeichen der Aufklärung und ist, fast ketzerisch, von den Ideen zum
       Pantheismus in der Nachfolge des Philosophen Baruch Spinoza inspiriert.
       
       In das christliche Glaubensbekenntnis, das Beethoven vertont hat, mischt
       sich so dessen persönliches Bekenntnis zum „Gott der Philosophen“, wie der
       Ägyptologe Jan Assmann schreibt, dem deus sive natura, laut dem Gott und
       Natur identisch sind. Dass Beethoven beim Komponieren auch astrologische
       Abhandlungen hinzuzog, mag dazu besser oder schlechter passen. Der Musik
       hat es nicht geschadet. Tim Caspar Boehme
       
       21 May 2021
       
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