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       # taz.de -- Die Wahrheit: Gegengift zum Wirrwarr unserer Tage
       
       > „Das Wunder von Pfingsten“: Ein internationaler Blockbuster mit
       > Starbesetzung und Superhandlung soll dem Pfingstfest zu neuen Ehren
       > verhelfen.
       
       Für Journalisten ist Pfingsten ein Fest: Sie trinken gern einen über den
       Durst und nutzen jede Gelegenheit, sich schon ab etwa mittags ordentlich
       mit Prosecco, Gin und Olmenrieder Pfingstbräu (jetzt brandneu in Ihrem
       Getränkemarkt) hinzurichten. Und dafür bietet ihnen das lange
       Pfingstwochenende unzählige Stunden.
       
       Darüber hinaus jedoch können Journalisten in ihrer Eigenschaft als
       professionelle Kommunikatoren Jahr für Jahr von Neuem erklären, was es mit
       diesem dritt- oder viertwichtigsten Feiertagsensemble der christlichen
       Menschheit auf sich hat. Das weiß nämlich niemand, außer dass da „irgendwas
       mit Flammenzungen oder so“ war.
       
       Bis zum nächsten Jahr hat es dann ein jeder wieder vergessen, weil es wohl
       schlicht zu langweilig ist, und die Berufsschreiber können denselben
       Artikel, am besten in Form eines abgesetzten Info-Kastens, noch einmal
       verfassen, sich zu Pfingsten hübsch beschickern und erneut die fette Knete
       einstreichen.
       
       Diese öde Routine, an die wir alle uns schon längst gewöhnt haben, könnte
       in diesem Jahr allerdings kräftig aufgebrochen werden, denn ein kulturelles
       Großereignis schickt sich an, in den Tagen um das Pfingstfest herum ein
       gehöriges Diskursphänomen zu stiften, das diesem unspektakulären Fest
       endlich den gebührenden Rang zuzuweisen imstande ist: der von
       internationalen Filmmogulen produzierte Blockbuster „Das Wunder von
       Pfingsten“ mit globaler Starbesetzung – Brad Pitt ist im Gespräch, Sir
       Anthony Hopkins und Selma Hayek, vielleicht aber auch Daniel Brühl – und
       einem Etat von hundert Millionen Euro mindestens!
       
       ## Einzigartige Pfingstbotschaft
       
       „Aber mindestens“, sagt auch Filmproduzent Nico Beyer (61) und grinst
       breit. „Die Botschaft von Pfingsten ist einzigartig, lassen Sie mich das
       gerade noch mal nachschlagen, also im Prinzip ist die Botschaft weltweit
       sofort verständlich: Jeder kann es schaffen, wenn er sich nur genug
       anstrengt! Man muss halt immer wieder aufstehen, dann klappt das schon!
       Deshalb vermarkten wir ‚Das Wunder von Pfingsten‘ auch im asiatischen Raum
       und in den typischen Loser-Regionen wie Lateinamerika oder Afrika und geben
       es direkt in die Streamingdienste. Ich habe mir dazu die besten
       Drehbuchautoren Hollywoods eingekauft. Der eine war sogar mal Scriptdoctor
       bei ‚Star Wars‘ oder so.“
       
       „Ja, ich hab mal bei zwei Folgen von den ‚Simpsons‘ mitgeschrieben“, sagt
       Wilbur Feinbein, der dem Writer’s Room von „Das Wunder von Pfingsten“
       vorsteht. „Aber der Plot, den mir Nico vage skizziert hat, hat mich sofort
       gepackt: Die Apostel kommen in Jerusalem zusammen, ohne Selbstbewusstsein
       und verzagt, dann fährt der Heilige Geist in sie, sie sprechen plötzlich in
       einer merkwürdigen Universalsprache miteinander und sind bereit, eine
       rücksichtslos brutale Weltkirche zu gründen. Es ist fantastisch! Eine
       Geschichte, die Mut macht! Und überlegen Sie mal, wie viele Weihnachtsfilme
       es gib … wir verdienen uns eine goldene Nase!“
       
       Worum soll es aber nun gehen in „Das Wunder von Pfingsten“? Feinbein lässt
       sich nur ungern in die Karten schauen. „Es wird eine Rahmenhandlung geben“,
       weicht er aus, „Zwei Schwestern Mitte dreißig wollen das Pfingstfest zu
       Hause im Münsterland verbringen, aber die Frühlingsstürme lassen ihre
       Anreise zu einem turbulenten Abenteuer werden, und sie bleiben im
       Ruhrgebiet hängen. Unterwegs begegnen ihnen lauter Menschen mit
       Migrationshintergrund, die ihre Sprache nicht sprechen …“
       
       Wie aus dieser Konstellation das Filmereignis des Jahrzehnts werden soll,
       mag uns freilich noch niemand verraten. Produzent Beyer betont aber: „Die
       große babylonische Sprachverwirrung ist das Thema unserer Tage, wie jeder
       weiß, der mal auf einer Großbaustelle oder einem Filmset gearbeitet hat.
       Wünschen wir uns nicht alle, dass es plötzlich puff macht und wir auch den
       Yussuf oder die Dayan mit ihrem seltsamen Kauderwelsch verstehen? Darum
       geht es: Ein Film für die ganze Familie! Sie müssen sich das vorstellen wie
       bei Roland Emmerich, also es sieht aus wie internationaler
       Industriestandard, rührt zuverlässig die Herzen, aber kostet nur die
       Hälfte.“
       
       ## Olmenrieder Pfingstbräu ist Hauptsponsor
       
       Beyer und Feinbein, man merkt es, haben eine große Vision, eine Vision, der
       sie in „Das Wunder von Pfingsten“ lautstark Geltung verschaffen wollen: Ein
       umfassendes Sponsoring ihres Films durch den regionalen Anbieter
       Olmenrieder Pfingstbräu einerseits, eine Universalsprache als Gegengift zum
       babylonischen Wirrwarr unserer Tage andererseits! Für diese Vision einer
       von allen Sprachbarrieren befreiten menschlichen Kommunikation haben sie
       sich weitere Mitstreiter gesucht.
       
       Von einer pfingstlichen Universalsprache erhoffen sich nämlich auch
       internationale Organisationen und supranationale Staatenbünde wie die EU
       und die Vereinten Nationen einiges. Sie könnten viel Geld für
       Übersetzungsdienste und Dolmetscher sparen. Auch in der Werbung für
       Konsumgüter schaut man dem Treiben der Filmemacher gebannt zu. „Wir üben
       das ja schon lange – Can’t beat the feeling, I’m loving it!“, sagt Volker
       Schutz vom Hauptverband Werbung in Deutschland e. V. schmunzelnd.
       
       „Für uns ist das Englische die Lingua franca, also das, was früher Latein
       war – die Sprache der Werbung schlechthin. Aber wir wollen ohnehin viel
       weiter hinaus: über die Sprache ganz direkten Zugriff auf die menschlichen
       Gefühle, Motivationen und Handlungen zu bekommen. Dann könnten wir die
       Leute einfach lenken und manipulieren, und sie würden uns jeden Scheiß
       abkaufen!“
       
       So weit würde Produzent Beyer noch nicht gehen wollen. „Mir reicht es, wenn
       der Film eine breite Diskussion über die Bedeutung des Pfingstfestes
       anstößt und die Leute insgesamt ein paar Hektoliter Olmenrieder Pfingstbräu
       mehr wegsaufen.“
       
       Und Showrunner Feinbein bekennt sich schließlich zu seinem quasireligiösen
       Impuls: „Pfingsten könnte das große Fest der Multikultigesellschaft werden,
       wenn wir alle in ganz unterschiedlichen Zungen miteinander reden und uns
       dennoch verstehen. Jetzt muss der dazugehörige Film nur noch geschrieben
       und gedreht werden. In Ihrem Kino dann ab Donnerstag vor Pfingsten 2022.“
       
       22 May 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mark-Stefan Tietze
       
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