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       # taz.de -- Covid-Immunisierung von Jugendlichen: Sommerferien im Impfzentrum
       
       > Noch ist in Deutschland kein Corona-Impfstoff für Jugendliche zugelassen.
       > Doch die Politik drängt auf einen Impfstart in den nächsten Wochen.
       
   IMG Bild: Der zwölfjährige Rafael Maeder Moreira nach seiner Impfung gegen Corona in Los Angeles, USA
       
       Die Bundesregierung trifft konkrete Vorbereitungen für die Impfung von
       Jugendlichen: Um 12- bis 18-Jährige noch vor den Sommerferien impfen zu
       können, werden bereits im Juni Impfdosen von Biontech zurückgehalten,
       bestätigte das Bundesgesundheitsministerium am Mittwoch.
       
       So erhalten Arztpraxen in der ersten Juniwoche etwa 1 Million
       Biontech-Impfdosen weniger; im Gegenzug geht dorthin mehr Impfstoff von
       AstraZeneca und Johnson & Johnson, die vor allem für Menschen über 60
       genutzt werden sollen. „Der Impfstoff wird für die Kinder/Jugendlichen
       reserviert“, teilte ein Ministeriumssprecher auf taz-Anfrage zu den
       verringerten Biontech-Lieferungen für die Praxen mit.
       
       Das ist insofern überraschend, als dass es bisher noch nicht einmal eine
       Zulassung des Präparats für Kinder und Jugendliche durch die Europäische
       Arzneimittelagentur (EMA) gibt. [1][Für die Altersgruppe der 12- bis
       15-Jährigen wird sie aber noch in dieser Woche erwartet.]
       
       Als nächster Schritt ist dann in Deutschland aber noch die Ständige
       Impfkommission (Stiko) gefragt. Und die wird die Corona-Impfung für diese
       Altersgruppe voraussichtlich nicht empfehlen; das legen zumindest
       Äußerungen mehrerer Kommissionsmitglieder in den letzten Tagen nahe. Grund
       für die Zurückhaltung ist, dass der Impfstoff bisher nur an gut 1.000
       Teenagern zwischen 12 und 15 getestet wurde – was zu wenig ist, um seltene
       Komplikationen vorhersagen zu können.
       
       ## Auch ohne Empfehlung
       
       Die Politik bereitet sich aber offenbar darauf vor, die Impfungen auch ohne
       generelle Stiko-Empfehlung zu starten. Denn erforderlich ist diese nicht –
       wenn sich Eltern, Kind und Ärztin oder Arzt einig sind, kann die Impfung
       erfolgen, sobald der Impfstoff von der EMA für die Altersgruppe zugelassen
       ist.
       
       „Im Lichte dieser Empfehlung können dann die Eltern mit ihren Kindern, den
       Ärztinnen und Ärzten die konkrete Entscheidung treffen, ob jemand geimpft
       wird oder nicht“, sagte Gesundheitsminister [2][Jens Spahn (CDU) am
       Mittwoch im Fernsehsender n-tv]. Dies sei eine individuelle Entscheidung.
       Natürlich gebe es bei jungen Menschen seltener einen schweren
       Krankheitsverlauf, aber eben auch Fälle von Long Covid, so Spahn.
       
       Eine Frage sei auch, wie viel mehr Alltag möglich werde mit einer Impfung.
       Eine Impfung als Voraussetzung zur Teilnahme am Präsenzunterricht lehnt
       Spahn ab. „Ich sehe nicht, dass wir eine verpflichtende Impfung haben
       werden für den Schulbesuch.“
       
       Das sieht die Justiz- und amtierende Familienministerin Christine Lambrecht
       (SPD) genauso. „Unsere Zusage gilt: Es wird keine Impfpflicht gegen Corona
       geben – nicht für Erwachsene und auch nicht für Kinder und Jugendliche“,
       sagte sie am Mittwoch.
       
       ## Ärzte im Stress
       
       Allerdings hält sie die Impfungen für sinnvoll: „Auch Jugendliche können
       schwer an Corona erkranken und haben mitunter unter Langzeitfolgen zu
       leiden“, mahnte Lambrecht. Sie halte es darum „für wünschenswert und
       wichtig, dass noch im Sommer jedem Jugendlichen ein Impfangebot gemacht
       werden kann“.
       
       Dafür treffen erste Bundesländer bereits konkrete Vorbereitungen.
       Niedersachsen etwa schickte am Dienstag ein ausführliches Konzept an den
       Bund. Demnach soll die Impfung der Schüler*innen ab 12 Jahren in der
       Regel in Impfzentren oder durch mobile Impfteams in kommunalen
       Räumlichkeiten stattfinden.
       
       Besonders gefährdete Kinder, etwa mit Vorerkrankung, können auch in
       Arztpraxen geimpft werden. Die Erstimpfung soll kurz vor und zu Beginn der
       Sommerferien stattfinden; die Zweitimpfung am Ende der Sommerferien sowie
       in Einzelfällen auch in der ersten Schulwoche.
       
       Dass die Impfstoffe für die Schüler*innen jetzt von dem Kontingent für
       die Arztpraxen abgezweigt werden, stieß bei Ärzteverbänden auf Kritik. „Die
       Politik öffnet immer neue Impfwege, ohne dass ausreichender Impfstoff zur
       Verfügung steht“, schrieb die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg an ihre
       Mitglieder. „Dieses Vorgehen ist kurzsichtig und kontraproduktiv.“
       
       ## Noch ist alles drin
       
       Auch der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen kritisierte die
       Entscheidung, Biontech-Impfdosen für die Jugendlichen zurückzuhalten. „So
       bringt der Gesundheitsminister eigenhändig die Impfkampagne ins Stocken“,
       [3][schrieb er auf Twitter].
       
       Tatsächlich stocken muss das Impfen in den Praxen aber nicht unbedingt –
       denn auch nach der Kürzung der angekündigten Liefermenge kommt dort Anfang
       Juni noch weitaus mehr Biontech-Impfstoff an als je zuvor – nur eben nicht
       ganz so viel wie zuvor angekündigt. Und die Gesamtmenge, die den Praxen zur
       Verfügung steht, bleibt fast unverändert.
       
       Dass bis zum Beginn der Sommerferien sowohl ein Großteil der impfwilligen
       Erwachsenen als auch der Schüler*innen zum ersten Mal geimpft werden
       kann, ist also weiterhin möglich.
       
       26 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Corona-Impfung-ab-12-Jahre/!5772194
   DIR [2] https://www.n-tv.de/politik/Spahn-lehnt-Impfpflicht-an-Schulen-ab-article22576616.html
   DIR [3] https://twitter.com/janoschdahmen/status/1397462587885895684?s=20
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
       ## TAGS
       
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