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       # taz.de -- Karlsruhe urteilt zu Corona-Auflagen: Ausgangssperren bleiben
       
       > Das Bundesverfassungsgericht lehnt eine einstweilige Anordnung gegen die
       > Coronanotbremse ab. Öffentliches Nachtleben ist weiterhin untersagt.
       
   IMG Bild: Unnötiger Polizeieinsatz: Innenstadt in Hannover ist ist nachts menschenleer
       
       Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge gegen die
       nächtlichen Ausgangsbeschränkungen der Coronanotbremse abgelehnt. Die
       umstrittene Maßnahme sei „nicht offensichtlich verfassungswidrig“. Eine
       Folgenabwägung spreche gegen ein sofortiges Außerkraftsetzen des Gesetzes.
       
       Um ein einheitliches Vorgehen gegen die Covidpandemie sicherzustellen, hat
       der Bundestag Ende April eine Bundesnotbremse ins Infektionsschutzgesetz
       eingefügt. Sobald in einem Stadt- oder Landkreis der Inzidenzwert drei Tage
       lang über 100 liegt, treten automatisch [1][strenge Beschränkungen des
       privaten und öffentlichen Lebens] in Kraft.
       
       Am umstrittensten war die nächtliche Ausgangssperre von 22 Uhr bis fünf
       Uhr. Nur auf diesen Teil der Bundesnotbremse bezieht sich nun auch der
       aktuelle Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Geklagt hatten unter
       anderem die grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram und die Gesellschaft
       für Freiheitsrechte (GFF). Sie hielten die Ausgangssperre für
       unverhältnismäßig. Insgesamt entschied der Erste Senat am Mittwochabend
       [2][über vier Eilanträge].
       
       Die Richter:innen stellten nun fest, dass die Ausgangssperre einen
       legitimen Zweck verfolge. Sie sei ein „nicht unplausibles“ Mittel, um
       abendliche private Zusammenkünfte zu unterbinden. Die Kontrolle des
       Straßenraums sei dabei ein schonenderes Mittel, als wenn die Polizei die
       Privatwohnungen der Bürger:innen kontrollieren würde.
       
       Ob die Ausgangsbeschränkung geeignet ist, sei zwar umstritten, so
       Karlsruhe, aber sie sei auch nicht offensichtlich ungeeignet. Außerdem habe
       der Gesetzgeber hier einen „weiten Einschätzungsspielraum“. Eine genauere
       Prüfung wollen die Richter:innen im Hauptsacheverfahren vornehmen, das
       aber Jahre dauern kann.
       
       Auch der [3][zugrundeliegende Inzidenzwert] von 100 (Infektionen pro
       100.000 Einwohner:innen in der Woche) sei nicht offensichtlich
       ungeeignet, fanden die Richter:innen. Er könne als Indikator für eine
       drohende Überlastung des Gesundheitssystems dienen. Das alleinige Abstellen
       auf den Inzidenzwert sei angesichts der bisherigen Erfahrungen
       „nachvollziehbar“.
       
       Über den Eilantrag entschied das Gericht nun anhand einer Folgen-abwägung.
       Die Ausgangsbeschränkungen griffen zwar tief in die Lebensverhältnisse der
       Bürger:innen ein, seien jedoch durch zahlreiche Ausnahmen gemildert. So
       sei es möglich, bis 24 Uhr allein zu joggen. Außerdem habe die nächtliche
       Mobilität auch „keine ganz erhebliche quantitative Bedeutung“. Und
       schließlich seien die Beschränkungen nicht auf Dauer angelegt. Dagegen sei
       die Ausgangssperre ein für die Pandemiebekämpfung „bedeutsames“ Instrument.
       
       ## 295 Landkreise über 100er-Inzidenz
       
       Dass das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge gegen die
       Ausgangsbeschränkungen ablehnt, kommt nicht überraschend. In den
       vergangenen Jahrzehnten hat das Gericht nur in einer Handvoll Fällen ein
       Gesetz per Eilantrag vorläufig gestoppt. Allerdings hat die vorgezogene
       Prüfung der Ausgangsbeschränkungen doch auch gewisse Erwartungen an einen
       erfolgreichen Ausgang der Anträge geschürt. (Az.: 1 BvR 889/21 u.a.)
       
       Derzeit liegen noch 295 von 412 Stadt- und Landkreisen über dem
       Inzidenzwert von 100, allerdings bei fallender Tendenz. Wenn ein Kreis fünf
       Tage lang unter dem Wert von 100 liegt, treten die Ausgangsbeschränkungen
       automatisch außer Kraft.
       
       Weitere Eilanträge gegen die Bundesnotbremse werden vermutlich schon
       nächste Woche entschieden. Dann geht es unter anderem um die Frage, ob die
       Bundesnotbremse verfassungswidrig war, weil sie zunächst ohne Ausnahmen für
       Geimpfte und Genesene beschlossen wurde. Dabei wird das
       Bundesverfassungsgericht wohl auch über den Eilantrag von 80
       FDP-Abgeordneten entscheiden. Die Chancen stehen aber auch dort nicht gut,
       weil die Bundesregierung (mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat)
       bereits in dieser Woche eine Verordnung mit Ausnahmen für Geimpfte
       beschließt. Das Karlsruher Verfahren hat die Bundesregierung offensichtlich
       zur Eile angehalten.
       
       6 May 2021
       
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