# taz.de -- Klimaliste Berlin legt Wahlprogramm vor: Berlin soll ein Donut werden
> Die Klimaliste Berlin hat ein radikales Programm für die
> sozialökologische Transformation vorgelegt. Es orientiert sich an der
> Donut-Ökonomie.
IMG Bild: Damit laut Klimaliste bald Schluss sein: Verbrennung und CO²-Ausstoß bei einer Greenpeace-Aktion
Berlin taz | Mit radikalen Forderungen für eine sozialökologische
Transformation will die Klimaliste Berlin im anstehenden
Abgeordnetenhaus-Wahlkampf die Grünen überholen. Das merkt man einem der
taz vorliegenden Programm für ein klimagerechtes Berlin deutlich an: 86
Millionen Tonnen CO² darf Berlin ab 2022 nach Rechnung der im vergangenen
September gegründeten Kleinpartei noch ausstoßen, wenn es bis zum Jahr 2030
klimaneutral werden will. Auf dieser Grundlage brauche es harte Maßnahmen
für die Stadt, um die Klimaziele zu erreichen.
Gegründet hat sich die [1][Klimaliste Berlin] aus
Umweltaktivist*innen von der Initiative Klimanotstand Berlin,
Fridays-For-Future und aus desillusionierten Parteimitgliedern anderer
Parteien. Die mittlerweile von [2][radikal:klima] umbenannte Partei
tritt zu den Abgeordnetenhauswahlen an und fordert, die in Paris
vereinbarten Klimaziele auch in Berlin umzusetzen – also unter anderem,
dass sich das globale Klima um nicht mehr als 1,5 Grad erhitzen soll.
Für ihr am Freitag vorgestelltes 300 Seiten dickes Programm haben [3][laut
Antonio Rohrßen], einem der Kandidat*innen für die
Abgeordnetenhauswahl, 100 Freiwillige mehr als ein Jahr lang gearbeitet und
dabei mehr als 100 Gespräche mit Expert*innen für Klimafragen geführt.
Rohrßen sagte bei der Präsentation des [4][Klimaplans]: „Der Plan ist noch
nicht perfekt. Es ist die Version 1.0. Es ist ein lebendiges Dokument, das
fortentwickelt werden soll und Grundlage hoffentlich auch für andere Partei
sein könnte.“
Ingwar Perowanowitsch, ein weiterer Kandidat der Klimaliste, sagte der
taz mit Blick auf die aktuelle rot-rot-grüne Koalition: „Keine Partei hat
bisher das Notwendige gefordert. Unser Programm ist der Paris-konforme
Pfad. Daran muss sich jede Partei messen lassen, die Klimagerechtigkeit
ernst nimmt.“ Man wolle mit dem radikalen Programm auch den Diskurs
anstoßen und den Bürger*innen im Wahlkampf Möglichkeiten aufzeigen.
Kurz zusammenfassen könnte man den Klimaplan so: Alle Klimaschutzmaßnahmen
müssen schneller gehen und weiter reichen. Strom darf nur noch aus
erneuerbaren Energien kommen – bis 2026 soll es in Berlin keine
Kohleverstromung mehr geben, Gas soll langfristig auch weg. Das Baugewerbe
– mit dem Einsatz von viel Beton einer der klimaschädlichsten
Wirtschaftszweige – soll eine Ökobilanz von Nettonull aufweisen und bei
Nichteinhaltung Sanktionen ans Land zahlen. Aus diesen Einnahmen will die
Klimaliste wiederum energetische Sanierungen fördern.
## Gerechtere Verteilung von Wohnraum?
Überhaupt: innerstädtische versiegelte Flächen sollen weniger werden, damit
Berlin von der sommerlichen Hitzeinsel zu einer Schwammstadt werden könne –
mit mehr Parks und Grünflächen soll mehr wasseraufnahmefähige Infrastruktur
geschaffen werden, damit Berlin widerstandsfähiger gegen Wetterextreme
wird. Dafür sollen 90 Prozent der an Straßen angrenzenden Parkplätzen bis
2030 umgewidmet werden. Weitere der insgesamt rund 500 Forderungen sind
unter anderem: Autofreiheit, Zero-Waste und regionalisierte
Wirtschaftskreisläufe.
Gleichzeitig werfen die Forderungen viele Fragen auf: Etwa, dass beim
knappen Wohnraum in Berlin Neubau aufgrund der schlechten Klimabilanz „nur
die letzte Lösung“ sein könne, wie es auf der Pressekonferenz am Freitag
hieß.
Mit einem Anreizsystem soll dafür gesorgt werden, dass Wohnraum gerechter
verteilt werde und etwa Menschen, die alleine auf 90 Quadratmeter lebten,
ihren Raum eher teilten oder in WGs zögen. Ebenso sollen durch Homeoffice
frei werdende Flächen zu Wohnraum werden.
## Die Donut-Ökonomie
Eingehalten werden sollen bei diesem Klimaplan im Übrigen soziale
Standards, wie es in einer Mitteilung heißt. Dabei soll das sogenannte
[5][Donut-Modell] der britischen Ökonomin Kate Raworth den Rahmen bilden.
Das Wirtschaftsmodell geht sowohl von planetaren Grenzen aus als auch von
sozialen, die bei künftigen politischen (Klima-)Maßnahmen einen nicht
überschreitbaren Rahmen bilden müssten – und einen Ausweg aus der
kapitalistisch-rücksichtslosen Wachstumsökonomie bieten sollen.
Dem Handlungsspielraum für Politik sind damit in Donutform
sozialökologische Grenzen gesetzt. Es gibt drei Ebenen: Im Loch der Donuts
herrschten menschenunwürdige Unterversorgung mit Ressourcen wie Wohnraum,
Bildung, Nahrung oder schlechten Arbeitsbedingungen. Der Außenrand des
Donuts steht für die begrenzten planetaren Ressourcen – verschmutzte Meere,
Verlust der Artenvielfalt und Klimawandel.
In der Mitte hingegen sei der „Sweet Spot“ oder die Glasur, wo eine Balance
von Ökologie, Politik und Wirtschaft herrschen soll. Der so [6][modellhaft
entstehende Donut] müsse nach innen durch eine soziales Fundament und nach
außen durch die begrenzten ökologische Kapazitäten abgegrenzt sein.
Tatsächlich hat [7][Amsterdam] als erster Wirtschaftsraum mit dem Modell
der von einigen bereits als neue John Maynard Keynes gefeierten Ökonomin
ein Konzept zum Umbau der Stadt nach Donut-Prinzipien entwickelt. In
Amsterdam sind im Zuge dessen eine Reihe von kreislaufwirtschaflichen
Initiativen gestartet, die diese Entwicklung mittragen wollen.
7 May 2021
## LINKS
DIR [1] /Klimaaktivistinnen-in-Berlin/!5695576
DIR [2] /Parteigruendung-radikalklima/!5684825
DIR [3] https://twitter.com/klimainberlin/status/1390397989848588289
DIR [4] https://www.klimaliste-berlin.de/media/pages/klimaplan/6db68c3a57-1620376401/klimaplan-2021-05-07.pdf
DIR [5] https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/donut-theorie-eine-wirtschaft-fuer-mensch-und-umwelt-erschaffen
DIR [6] https://de.wikipedia.org/wiki/Donut-%C3%96konomie#/media/Datei:Doughnut_(economic_model).jpg
DIR [7] https://www.fluter.de/donut-oekonomie-amsterdam-wirtschaft
## AUTOREN
DIR Gareth Joswig
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