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       # taz.de -- Demonstration zum 8. Mai in Berlin: Gedenken und Kampf bis heute
       
       > Bis zu 8.000 Menschen feiern in Berlin den Tag der Befreiung vom
       > Faschismus und kritisieren rechtsextreme Strukturen in Polizeibehörden.
       
   IMG Bild: Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano wurde per Video zugeschaltet
       
       Berlin taz | „Ist schon wieder 1. Mai?“ fragt ein mit Einkaufstüten
       beladener Mann lachend in der Kreuzberger Wiener Straße, als er das große
       Polizeiaufgebot und die vielen Menschen erblickt, die gerade in Richtung
       Spreewaldplatz ziehen. Man könnte es tatsächlich denken: 8.000 Menschen
       sind nach Angaben der Veranstalter:innen zur Demonstration unter dem
       Motto „Ihr seid keine Sicherheit – Gemeinsam gegen Rassismus,
       Antisemitismus und Nazis in den Sicherheitsbehörden“ erschienen.
       
       Ein Sprecher der Polizei ging gegenüber der taz von rund 5.000
       Teilnehmer:innen aus. Damit war die Demonstration wesentlich größer als
       erwartet, hatte doch etwa die Polizei im Vorfeld nur mit bis zu 2.500
       Teilnehmer:innen gerechnet. Die Demonstration zog vom Platz der
       Luftbrücke in Tempelhof bis nach Kreuzberg. Ihr Anliegen war laut
       Demoaufruf nicht nur, „den Jahrestag der Befreiung vom deutschen
       Faschismus“ zu zelebrieren, sondern auch „die sofortige Entnazifizierung
       der mit rechtsradikalen Netzwerken und Ideologien durchsetzten
       Sicherheitsbehörden“ zu fordern.
       
       Die Mischung aus Fest und Protest gelingt: Etwa in der Mitte des Demozugs
       singen Teilnehmende „All You Fascists Bound To Lose“ des Folksängers Woody
       Guthrie. Eine junge Frau fragt auf einem Schild, wen man anrufen solle,
       wenn die Polizei Menschen ermorde. Die Migrantifa fordert auf ihrem
       Transparent „kein Stück vom Kuchen, sondern Baklava für alle“. Insbesondere
       in der vorderen Hälfte des Zugs ertönen immer wieder Sprechchöre, die sich
       primär gegen Faschismus und rassistische Polizeigewalt richten.
       
       ## Grußbotschaft von Esther Bejarano
       
       Auf der Auftaktkundgebung wird eine Grußnachricht der
       Ausschwitz-Überlebenden [1][Esther Bejarano] abgespielt. Sie kritisiert das
       „nicht eingelöste Versprechen der Entnazifizierung“. In der Nachkriegszeit
       hätten Altnazis Polizei und Militärbehörden aufgebaut. Auch dies sei einer
       der Gründe für die „fast täglich bekanntwerdenden“ Fälle
       rechtsextremistischer Strukturen innerhalb der Polizei. Ihr Ausruf „Nie
       wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!“ geht im Applaus unter. Es folgt eine
       Schweigeminute, während der nur das Zwitschern einiger Vögel zu hören ist.
       
       „Ich bin hier, damit der 8. Mai als Tag der Befreiung ein gesetzlicher
       Feiertag wird“, sagt eine junge Frau zu Beginn der Demonstration dem
       Reporter. Der konkrete Anlass sei aber „die [2][Polizeigewalt am 1. Mai]“.
       Dieser Grund, heute hier zu sein, fällt immer wieder. In Hamburg hatte die
       Versammlungsbehörde alle linken Demonstrationen verboten, in Frankfurt kam
       es zu massiver Polizeigewalt, mindestens zwei Demonstrierende erlitten
       Schädelbasisbrüche. Auch in Berlin wurde die Revolutionäre 1.
       Mai-Demonstration nach einigen hundert Metern aufgelöst, woraufhin es zu
       Ausschreitungen kam. Dieses Vorgehen wird zur Größe der Demonstration am
       Samstag beigetragen haben.
       
       Dennoch glich die Parade eher einem durch die Kieze ziehenden
       antifaschistischen Straßenfest – das aber von einer Kleinarmee aus 1.300
       Polizist:innen begleitet wurde. Dennoch blieb es friedlich. Lediglich
       als die Polizei einen jungen Mann aus der Demo in einen Hauseingang zog,
       nachdem dieser einen Spruch auf ein Baustellenschild geschrieben haben
       soll, kam es kurzweilig zu Handgreiflichkeiten. Die Veranstalter:innen
       kritisierten gegenüber der taz zudem „rechtswidrige Vorkontrollen“. Das
       Resümee des Polizeisprechers hingegen lautete: „So wünschen wir uns eine
       Kundgebung.“
       
       9 May 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Timm Kühn
       
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