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       # taz.de -- Skandalöse Bamf-Ermittlungen in Bremen: „Das untergräbt das Vertrauen“
       
       > Die Chefin der Linksfraktion Sofia Leonidakis fordert politische
       > Konsequenzen aus den skandalträchtigen Bamf-Ermittlungen. Die Senatorin
       > sei gefragt.
       
   IMG Bild: Liebeskummer?! Versonnen blickt Bremens Leitender Oberstaatsanwalt Janhenning Kuhn ins Leere
       
       taz: Frau Leonidakis, das Verfahren gegen die frühere Leiterin der Bremer
       Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Ulrike B.,
       „entwickelt sich immer mehr zu einem handfesten Justizskandal“, sagen Sie.
       Worin besteht der? 
       
       Sofia Leonidakis: Drei Jahre hat die Staatsanwaltschaft mit großem Aufwand
       ermittelt. Währenddessen hat sie mit ihrer ganzen Autorität öffentlich über
       eine mögliche Haftstrafe spekuliert und ihre Vorverurteilungen und
       ehrenrührige Gerüchte in großen Medien breitgetreten. Das rückte Ulrike B.
       [1][als Beschuldigte in ein kriminelles Licht] – heute wissen wir, dass das
       alles nicht stimmte und sie nicht verurteilt wurde. Das wurde als
       vermeintlicher Skandal massiv aufgebauscht und kommt wie ein Bumerang
       zurück: Nun wird gegen die Staatsanwaltschaft ermittelt. Aber warum kommt
       man erst jetzt, nach Einstellung des Verfahrens und lange nach dem
       rechtswidrigen „Zeit online“-Interview der Staatsanwält*innen auf die
       Idee, die Ermittlungen an die übergeordnete Stelle zu ziehen?
       
       Sie fordern „politische Konsequenzen“. Welche? 
       
       Man muss doch mal darüber nachdenken, ob Staatsanwält*innen, gegen die
       aufgrund rechtswidriger Pressearbeit ermittelt wird, auch noch für diese
       Ermittlungsbehörde sprechen können.
       
       Kann Janhenning Kuhn angesichts der Ermittlungen gegen ihn weiter der
       Leitende Oberstaatsanwalt sein? 
       
       Diese Frage muss politisch beantwortet werden. Auch die zuständige
       Senatorin Claudia Schilling (SPD) muss sich mit der Frage befassen, denn es
       ist ein Schaden für die Staatsanwaltschaft insgesamt entstanden. Das liegt
       auf der Hand. [2][Es gibt einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, der
       belegt, dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft rechtswidrig war!] Das
       untergräbt das Vertrauen in die Staatsanwaltschaft an sich, aber auch das
       Vertrauen in den Rechtsstaat als solchen. Ulrike B. wurde seinerzeit
       beurlaubt.
       
       Noch ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft ja – ist es da nicht zu früh
       für politische Konsequenzen? 
       
       Natürlich gilt auch da die Unschuldsvermutung. Aber die Frage ist doch,
       kann man noch glaubwürdig eine verantwortliche Position in der
       Staatsanwaltschaft ausfüllen, solange gegen einen ermittelt wird?
       
       Wäre mit einem Leiter der Bamf-Außenstelle auch so umgegangen worden wie
       mit Ulrike B.? 
       
       Ich glaube nicht, dass einem Mann da amouröse Ambitionen unterstellt worden
       wären. Das ist schwer vorstellbar.
       
       Nun wurde ihr attestiert, dass sie korrekt gearbeitet hat – und sie muss
       trotzdem 10.000 Euro zahlen, damit das Verfahren eingestellt wird. 
       
       Das erscheint sehr hoch. Aber ich kann nachvollziehen, dass sie sich darauf
       eingelassen hat, um die jahrelange öffentliche Zermürbung zu beenden.
       
       War das gesamte Bamf-Verfahren problematisch? 
       
       Ja. Es geht ja nicht nur um die Ermittlungsgruppe „Antrag“, die zeitweise
       fast 50 Ermittler*innen umfasste, sondern auch um den starken Druck aus
       dem [3][CSU-geführten Bundesinnenministerium], den extremen Druck aus der
       Bamf-Zentrale in Nürnberg und um mehrere fragwürdige Führungswechsel beim
       Bamf. Zudem wurden offenbar nur bestimmte, belastende Unterlagen von den
       Ermittlungsbehörden angefordert, entlastende aber nicht. Wurde einseitig
       ermittelt? All das gilt es jetzt aufzuklären.
       
       Wie? 
       
       Wir haben dazu eine [4][parlamentarische Anfrage eingereicht]. Die gesamte
       Ermittlungsdynamik in diesem Fall muss Gegenstand von Untersuchungen
       werden. Dass 99 Anklagepunkte der Ermittler*innen vom Landgericht nicht
       zur Anklage zugelassen wurden, war ja schon eine schallende Ohrfeige für
       die Staatsanwaltschaft. Auch das muss die Generalstaatsanwaltschaft nun
       aufklären. Vielleicht ist es aber auch sinnvoll, eine
       rechtswissenschaftliche Untersuchung durch eine externe Stelle einzuholen.
       Zudem hätte ich mir gewünscht, dass jene Medien, die damals groß über den
       vermeintlichen Skandal berichtet und die Äußerungen der Staatsanwaltschaft
       vorbehaltlos übernommen haben, ihre Rolle selbstkritisch reflektieren und
       jetzt wenigstens ebenso groß über die Verfahrenseinstellung berichten, die
       Zeit etwa oder der Spiegel.
       
       Zur Rolle der Staatsanwaltschaft wollen sich SPD und Grüne bislang
       allerdings nicht äußern. Wird die rot-grün-rote Koalition den Fall also
       lieber auf sich beruhen lassen? 
       
       Die Beweggründe unserer Koalitionspartner*innen kann ich nicht
       beurteilen. Wir warten sicher alle auf die Ergebnisse der Ermittlungen der
       Generalstaatsanwaltschaft. Neben der juristischen braucht es aber auch eine
       politische Aufarbeitung, wie es zu der politisch der AfD in die Hände
       spielenden und persönlich zerstörenden Kampagne gegen Ulrike B. kommen
       konnte und welche Mitverantwortung Bremer Stellen dabei haben.
       
       16 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bamf-versetzt-Bremer-Leiterin/!5504756
   DIR [2] https://www.verwaltungsgericht.bremen.de/entscheidungen/detail.php?gsid=bremen73.c.18728.de&asl=bremen73.c.12796.de
   DIR [3] /Teilerfolg-fuer-Ex-Chefin-des-Bremer-Bamf/!5520641
   DIR [4] https://www.linksfraktion-bremen.de/nc/fraktion/abgeordnete-und-deputierte/leonidakis-sofia/detail/news/was-bleibt-vom-sogenannten-bamf-skandal/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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