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       # taz.de -- Debütalbum von Israelin Cloud of I: Wegsegeln mit Soundhealing
       
       > Yuli Shafriri alias Cloud Of I kombiniert Elemente der psychedelischen
       > Kultur mit Musiktraditionen mit Cutting-Edge-Produktion.
       
   IMG Bild: Cloud of I, hier mal auf der Erde
       
       Yuli Shafriri sitzt vor wenigen Tagen beim Zoom-Interview im Haus von
       Freunden. Die junge Künstlerin lacht in die Kamera, obwohl die vergangenen
       Tage für die 27-Jährige kräftezehrend waren. „Normalerweise wohne ich in
       Jaffa, das ist momentan leider nicht der sicherste Ort. In den letzten
       Tagen bin ich herumgereist, habe versucht, den Raketen der Hamas aus dem
       Weg zu gehen.“
       
       Wenige Tage später werden Shafriri und mit ihr befreundete
       Musiker*innen ein Konzert in einem Dorf im Norden Israels geben, das
       von den Raketenangriffen der Hamas verschont bleibt.
       
       Die Stimmung ist ausgelassen, es wird getanzt, gejohlt gelacht, gefeiert.
       Yuli Shafriri stimmt ihren Song „Sail Away“ mit der Zeile „I want to
       celebrate“ an. Die Bilder sind eine friedliche Gegenbewegung zu dem
       andauernden Konflikt in der unruhigen Region des Mittleren Ostens. „Vor dem
       Konzert haben wir eine kleine Zeremonie abgehalten, um für Frieden zu
       beten“, erklärt die israelische Sängerin.
       
       Die spontane Open-Air-Aktion war das erste Konzert, das Shafriri und ihre
       Band seit vergangenem Jahr spielten. Erstmals konnte sie die Songs ihres
       Bandprojekts Cloud Of I vorstellen. Auf den fünf Songs der EP „Gazing“, die
       im Juli erscheint, verweben Shafriri und ihre Band verschiedenste Einflüsse
       aus Globalpop, Folk, Psych-Rock und Elektronik zu einem meditativen
       Klangteppich.
       
       ## Feministisches Kollektiv im Kibbuz
       
       Das Interesse für alternative Musik und Lebensweise wurde Shafriri schon in
       die Wiege gelegt. Aufgewachsen ist sie in Tel Aviv mit ihrer Mutter. Ihr
       Vater lebte im Kibbuz Kineret, den seine Vorfahren bereits im Jahr 1913
       nahe des Sees Genezareth gründeten. Bei Wochenendausflügen in die
       feministische Kollektivsiedlung begann Shafriris Faszination für die Natur,
       die bis heute anhält. Im Kibbuz und in ihrem Elternhaus entdeckte sie auch
       ihr Interesse für Musik aus aller Welt. „Ich bin mit arabischen,
       brasilianischen und afrikanischen Sounds aufgewachsen, bis heute
       inspirieren mich die Alben meiner Mutter, mein Vater mag [1][Jazz],
       Psychedelic Rock und Globalpop.“
       
       Wie viele andere junge Israelis zieht es Shafriri mit Anfang zwanzig nach
       Europa. In den [2][Berliner Technoclubs] feiert sie nächtelang zu
       elektronischer Musik, in Paris zieht sie in ein besetztes Haus. Mit ihren
       Mitbewohner:Innen teilt sie ein Studio und fängt an, mit der
       Musiksoftware Ableton zu experimentieren. In Paris keimt auch die Idee für
       ihr Soloprojekt „Cloud Of I“.
       
       Während viele junge Musiker*innen in Europa bleiben, entscheidet sich
       Yuli Shafriri jedoch für ein Leben in ihrer israelischen Heimatstadt.
       „Nach meiner Rückkehr begann ich, mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Das
       Leben in Europa war mir zu intensiv, ich habe mich nach einer anderen
       Lebensweise gesehnt“, berichtet sie im Zoom-Interview. Sie reist in
       verschiedene Teile Israels, lernt unterschiedliche Gemeinschaften kennen,
       besucht alternative Festivals und übt sich in Meditation. Ihre
       Partyerfahrung aus Europa treibt sie auch in das Nachtleben Tel Avivs.
       
       Im Gegensatz zu Berlin und Paris ist die Musikszene in der israelischen
       Metropole überschaubar: „Die Musikszene in Tel Aviv ist zwar klein, aber
       sehr aufgeschlossen. Es gibt viele Einflüsse, jeder kennt jeden.“ Shafriri
       kennt sich im Underground Tel Avivs aus, sie ist Teil der Punk- und
       Rock-’n’-Roll-Szene. Bei der legendären Band [3][the White Screen] war sie
       Backgroundsängerin, später singt bei der Band Şatellites, die von
       türkischem Psychedelic-Rock inspiriert ist.
       
       ## Loops am Mikrofon
       
       Ihre Songtexte schreibt Shafriri inzwischen auf Englisch und Hebräisch.
       Ihre Stimme setzt sie wie ein Instrument ein. Bei Zeiten klingt sie
       mantraartig, an anderen Stellen wiederum betörend und treibend. „Die Art
       und Weise, wie ich meine Songs komponiere, ist sehr intuitiv. Ich finde
       einen Loop, schließe das Mikrofon an und fange an zu singen. Manchmal
       singe ich auf Englisch, manchmal auf Hebräisch. Die hebräische Sprache ist
       für mich persönlicher, sie ist direkter.“
       
       Die Songs von Cloud of I entstehen sowohl analog als auch digital. Die
       akustischen Melodien spielt Shafriri mit der Gitarre ein, die Loops
       programmiert sie mit Ableton. Die Songs entstehen oft in Zusammenarbeit mit
       dem Schlagzeuger Ben Ben Franklin, den Shafriri ihren musikalischen Partner
       nennt.
       
       Das Duo ergänzen Toot Aviv (Synthesizer), Nimmtod Goldfarb (Bass) und Ariel
       Meriash (Gitarre). Neben Gesang und Gitarre spielt Shafriri auch
       Synthesizer und Schlaginstrumente. „Als Kind lernte ich brasilianischen
       Kampftanz. Bis heute habe ich das Rhythmusgefühl in meinem Körper, deshalb
       behandele ich jedes Instrument wie ein Perkussionsinstrument“, erklärt
       Shafriri.
       
       Die fünf Songs der Debüt-EP „Gazing“ hat das Quintett bereits vor dem
       Lockdown fertig produziert. Während der Coronabeschränkungen zog Shafriri
       in ein Dorf im israelischen Norden. Dort entdeckte sie die Praxis des
       tibetanischen Soundhealings für sich. Dabei werden vokale und instrumentale
       Vibrationen genutzt, um den Körper zu entspannen. „Schon als Kind habe ich
       mich selbst durch Sing- und Atemübungen geheilt. Durch Soundhealing ist mir
       die Wirkung von Musik noch bewusster geworden“, erklärt sie. Den
       entspannenden Effekt hört man auch ihrer Musik an. Neben Gesang, Gitarre
       und Synthesizern stechen pulsierende Perkussionen hervor.
       
       ## Konzerte für Geimpfte
       
       „Gazing“ erscheint beim britisch-israelischen Label Batov, das Funk- und
       Dancefloorsound aus verschiedensten Ländern veröffentlicht. Der Kontakt
       wurde ihr von der beliebten Bar teder.fm in Tel Aviv vermittelt, in der
       Shafriri häufig auflegte und performte. In Israel sind Konzerte für
       Geimpfte wieder erlaubt. Shafriri plant eine Show anlässlich der
       Plattenveröffentlichung, sie möchte auch im Ausland touren.
       
       Im Interview äußert sie sich dazu allerdings verhalten, nicht nur aufgrund
       der ungewissen Auftrittssituation im Ausland, sondern vor allem wegen des
       Nahostkonflikts. „Ich bin keine Politikerin und möchte mich nicht
       positionieren. Ich wünsche mir Frieden und dass die Menschen nicht mehr in
       Gefahr leben. Mein Herz ist mit den Leidenden in dieser komplizierten und
       sensiblen Situation.“
       
       1 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Louisa Zimmer
       
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