# taz.de -- Blinken in Nahost: Unterwegs in alter Mission
> Will Antony Blinken die Zweistaatenlösung retten? Die Reise des
> US-Außenministers nach Nahost erinnert an ein drei Jahre altes
> US-Positionspapier.
IMG Bild: Antony Blinken (rechts) und Mohammed Schtajjeh, palästinensischer Ministerpräsident, in Ramallah
Berlin taz | Vier Tage will US-Außenminister Antony Blinken im Nahen Osten
unterwegs sein. Stationen sind Israel, das Westjordanland, Ägypten und
Jordanien. Erklärtes Ziel: die Festigung des [1][Waffenstillstands zwischen
Israel und der Hamas].
Allerdings dürften Blinken und die US-Regierung unter dem neuen Präsidenten
Joe Biden dabei einen tiefgreifenderen Plan verfolgen als nur eine Reaktion
auf die jüngsten militärischen Auseinandersetzungen. Nicht zu Unrecht hat
die israelische Tageszeitung [2][Ha’aretz] ein 2018 vom Center for a New
American Security zusammen mit der Brookings Institution verfasstes
[3][Positionspapier] wieder ausgegraben.
Darin beschreiben die Autoren einen möglichen neuen US-Politikansatz, der
die Zweistaatenlösung wieder möglich machen soll. Kernpunkte dabei sind
massive ökonomische und infrastrukturelle Hilfe für den Gazastreifen, um
die immer schlimmere humanitäre Krise in dem seit der Machtübernahme durch
die islamistische Hamas 2007 abgeriegelten Gebiet zu entschärfen, und
diplomatische Anstrengungen, um die Rolle der Palästinensischen
Autonomiebehörde wieder zu stärken. Zudem sollen dauerhafte Verbindungen
zwischen beiden palästinensischen Gebieten geschaffen und damit überhaupt
die Gründung eines palästinensischen Staates wieder möglich gemacht werden.
Einer der Autoren des Papiers ist Hady Amr – und der wurde gleich im Januar
unter Biden leitender Beauftragter für Israel-Palästina im
US-Außenministerium.
## Neue Gespräche mit Palästinensern
Die Reise von Außenminister Blinken passt zu den beschriebenen Ideen. Nach
seinem Gespräch mit Netanjahu sicherte er Hilfe beim Wiederaufbau des
Gazastreifens zu – die USA würden einen „erheblichen Beitrag“ leisten und
sich auch international um Unterstützung bemühen.
Am Nachmittag wollte Blinken Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in
Ramallah treffen. Das nimmt einen Gesprächsfaden wieder auf, den die
Trump-Regierung vollkommen hatte abreißen lassen, als sie einerseits die
[4][Verlegung der US-Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem] verkündete, die
zuvor in Ostjerusalem bestehende Konsulatsstelle – eine Verbindung zur
Autonomiebehörde – in die neue Botschaft verlegte, die US-Hilfe für die
UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge UNRWA einstellte und
israelischen Annexionen im Westjordanland ohne Konsultationen mit den
Palästinensern grünes Licht gab.
Zwar hat [5][Biden bereits im April die US-Hilfe] für die UNRWA wieder
aufgenommen und 235 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Aber ein
einigermaßen vertrauensvolles Verhältnis zur Autonomiebehörde ist damit
noch längst nicht wieder hergestellt.
Blinken versuchte mehrfach, die Erwartungen an seine Reise
herunterzuschrauben. Es gehe nicht um die Einleitung einer neuen Runde von
Friedensgesprächen, sagte er – und tatsächlich sieht auch das Papier von
2018 zunächst viele vorbereitende Schritte vor. Auch dessen Autoren
schließen direkte Gespräche mit der von den USA als „Terrororganisation“
eingestuften Hamas aus – da soll Ägypten weiter die Vermittlerrolle
einnehmen.
## US-Plan mit ungewissem Ausgang
Sie räumen aber gleichwohl ein, dass Hamas in einem neu vereinten
palästinensischen Autonomiegebiet eine politische Rolle spielen wird. Die
Beendigung der humanitären Krise im Gazastreifen sehen sie denn auch als
Mittel, um der Hamas Unterstützung zu entziehen – ein riskanter Plan. Denn
es gilt als ausgemacht, dass Hamas die Wiederaufbaugelder nach der letzten
Konfrontation von 2014 für die Aufstockung ihrer eigenen militärischen
Kapazitäten genutzt hat.
Und das ist längst nicht die einzige Unwägbarkeit des US-Ansatzes. Um Gazas
Ökonomie dauerhaft zum Erfolg zu führen, müssen die Grenzen zwischen Israel
und Gaza durchlässiger werden. Mit der Netanjahu-Regierung war das in den
letzten Jahren nicht zu machen – und unter Präsident Trump gab es auch
keinerlei Druck in diese Richtung.
Das könnte sich unter Biden zwar wieder ändern. Aber schon lange hängt
Israel nicht mehr so am Tropf der US-Unterstützung wie noch vor 20 Jahren.
US-Militär- und Wirtschaftshilfe bleibt wichtig, macht aber längst keinen
so großen Teil des israelischen Budgets mehr aus wie früher.
Die militärische Bedrohung aus dem Gazastreifen gilt einer Mehrheit der
Israelis dank des inzwischen weitgehend in Eigenregie betriebenen
Raketenabwehrsystems Iron Dome als zumutbar. Den Konflikt nicht zu lösen,
scheint in Israel eine gangbare Option. Keine guten Aussichten für die
US-Pläne.
25 May 2021
## LINKS
DIR [1] /Nach-dem-Gazakrieg/!5769691
DIR [2] https://www.haaretz.com/us-news/.premium-a-new-u-s-approach-to-hamas-could-be-in-the-making-1.9837621?utm_source=traffic.outbrain.com&utm_medium=referrer&utm_campaign=outbrain_organic
DIR [3] https://www.cnas.org/publications/reports/ending-gazas-perpetual-crisis
DIR [4] /Eroeffnung-der-US-Botschaft-in-Jerusalem/!5502763
DIR [5] /Bidens-Einfluss-auf-den-Nahostkonflikt/!5742125
## AUTOREN
DIR Bernd Pickert
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