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       # taz.de -- Rückzug von Osaka von French Open: Großes Tennis
       
       > Naomi Osaka berichtet nach der Kritik an ihrem Presseboykott von
       > Depressionen. Und sie zieht sich von den French Open zurück. Ein mutiger
       > Schritt.
       
   IMG Bild: Letztes Spiel vor der Pause: Naomi Osaka bei ihrem Erstrundenmatch in Paris
       
       Die Betroffenheit und Anteilnahme ist seit Montagabend groß. Naomi Osaka
       hat letztlich keinen anderen Weg mehr gesehen, als ihre psychische
       Verfassung via Twitter zu offenbaren und die French Open in Paris trotz
       ihres Erstrundenerfolgs vorzeitig zu verlassen. Sie werde sich erst einmal
       aus der Öffentlichkeit zurückziehen, schrieb die 23-jährige
       Weltranglistenzweite. Seit den US Open 2018 leide sie an Depressionen.
       [1][Der Turniersieg gegen Serena Williams] damals war in der Wahrnehmung
       der Sportöffentlichkeit ihr großer Durchbruch an die Spitze des Welttennis,
       für sie selbst war es der Beginn einer Leidenszeit, in der sie mit dem
       emporschnellenden Erwartungsdruck zurechtkommen musste.
       
       Williams, die das Frauentennis in der jüngsten Vergangenheit lange
       dominiert hat, erklärte am Montagabend in Paris: „Ich wünschte, ich könnte
       sie einfach umarmen, weil ich weiß, wie es sich anfühlt.“ Sie habe in der
       Vergangenheit auch solche Phasen erlebt. Gilles Moretton, der Präsident des
       Französischen Tennis-Verbandes, teilte mit: „Zuallererst tut es uns für
       Naomi Osaka sehr leid und wir sind traurig für sie.“ Er wünschte ihr
       schnellstmögliche Genesung. Und die US-Tennisikone Billie Jean King sagte:
       „Es ist unglaublich mutig, dass Naomi Osaka die Wahrheit über ihren Kampf
       mit Depressionen enthüllt hat.“
       
       Vor ihrem Rückzug am Montag stand Osaka noch in der Kritik. Die Japanerin
       hatte versucht, aus einer Position der Stärke heraus, stellvertretend für
       alle Spieler:innen, um mehr Aufmerksamkeit für das Thema mentale
       Gesundheit zu kämpfen. Sie kündete vor den French Open einen Presseboykott
       an, weil Journalistenfragen häufig eine Spirale der Selbstzweifel bei den
       Spieler:innen in Gang setzen würden.
       
       Sie begründete ihren persönlichen Schritt mit einem allgemeinen Befund der
       Gepflogenheiten in der Branche. 15.000 Dollar kostete sie das Schwänzen der
       Medienrunde nach ihrem Auftaktsieg am Sonntag und zudem einige Kritik von
       ihren Mitspieler:innen. Die Weltranglistenerste Ashleigh Barty etwa
       erklärte, Medien würden einfach zum Geschäft dazugehören. Und auch
       männliche Kollegen wie Rafael Nadal oder Đoković gaben zu verstehen,
       unangenehme Situationen wie diese müsse man aushalten können.
       
       ## Ängste vor der Presse
       
       Osaka hat sich nun unter dem verstärkten öffentlichen Druck genötigt
       gesehen, präziser und persönlicher zu werden. Sie entschuldigte sich dafür,
       dass sie ihre Botschaft hätte klarer formulieren können. Die Presse sei ihr
       gegenüber stets wohlmeinend gewesen, dennoch sei für sie als introvertierte
       Person der Gang zur Presse stets mit vielen Ängsten behaftet und stressvoll
       gewesen. Speziell vor dem Turnier in Paris habe sie sich verletzlich
       gefühlt und aus Selbstschutz sich dafür entschieden, die Pressekonferenzen
       nicht zu besuchen.
       
       Aus dem Umfeld des ehemaligen deutschen Fußballnationaltorhüters Robert
       Enke, der unter Depressionen litt [2][und 2009 Suizid beging], weiß man,
       wie groß dessen Ängste waren, dass die Presse seine „Schwächen“ aufspüren
       und sein Berufsleben in Gefahr bringen könnte.
       
       Naomi Osakas Flucht nach vorn könnte nun einen großen Beitrag dazu leisten,
       die Sensibilität für psychische Probleme im Leistungssport und den Umgang
       damit zu stärken. Eine prominentere Fürsprecherin wie Osaka, die auch in
       den japanischen Werbekampagnen das Gesicht der Olympischen Spiele in Tokio
       ist, kann man sich kaum vorstellen. Ihre Offenheit dürfte auch andere
       Athlet:innen ermutigen, ihre Grenzen aufzuzeigen.
       
       Osaka machte in ihrem Statement auf Twitter zudem deutlich, dass sie sich
       nicht als Einzelkämpferin versteht. Sie kündigte an: „Wenn die Zeit
       gekommen ist, zurückzukehren, möchte ich wirklich mit den
       Tour-Veranstaltern zusammenarbeiten, um über Wege zu diskutieren, wie wir
       die Dinge für die Spieler, Medien und Fans besser machen können.“ Aktuell
       sei es für alle Beteiligten das Beste, dass sie sich zurückziehe und die
       Aufmerksamkeit wieder auf dem Tennis in Paris liege.
       
       Es ist aber davon auszugehen, dass Naomi Osaka Gesprächsthema in Paris
       bleiben wird. Ihre Reaktion mag einzigartig sein, ihre Geschichte ist es
       eher nicht.
       
       1 Jun 2021
       
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