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       # taz.de -- Aktionär über Hauptversammlungen: „Onlinetreffen kein Ersatz“
       
       > Für die Kritischen Aktionär*innen sind Hauptversammlungen der
       > wichtigste Ort, Vorstände ins Gebet zu nehmen. Funktioniert das auch
       > digital?
       
   IMG Bild: Protest der Kritischen Aktionäre bei der RWE-Hauptversammlung 2019
       
       taz: Herr Dufner, können Sie noch mit Redebeiträgen auftreten wie früher in
       den Präsenzveranstaltungen? 
       
       Markus Dufner: Nein, die Möglichkeit zur Ausübung der vollen
       Aktionärsrechte ist in virtuellen Hauptversammlungen stark eingeschränkt.
       Die Konzerne übertragen zwar online, aber wir können uns – bis auf ganz
       wenige Ausnahmen wie bei der Lufthansa – nicht mit Redebeiträgen zu Wort
       melden. Vor der Hauptversammlung reichen wir über das Aktionärsportal der
       Gesellschaft Fragen ein, die dann dort von den Konzernvertretern
       beantwortet werden.
       
       Eine Hauptversammlung lebt davon, dass der Vorstand sich mit den Argumenten
       von Kritikern live auseinandersetzt. 
       
       Ohne direkte Beteiligung der Aktionärinnen und Aktionäre, ohne die
       Aussprache mit dem Vorstand, ohne Nachhaken und vor allem ohne die
       Auftritte von Konzerngeschädigten aus dem Globalen Süden droht die
       Hauptversammlung zu einer bloßen Werbeveranstaltung des Vorstandes zu
       verkommen.
       
       Ihre Aktionen vor Hauptversammlungen von Daimler, RWE oder Bayer wurden bis
       Corona von Abertausenden Aktionären „bewundert“. Nun fehlt Ihnen das
       Publikum. 
       
       In der Tat war es so, dass bei den Präsenzhauptversammlungen die Bühne
       schon bereitet war. Wir konnten vor den Hallen demonstrieren oder kreative
       Darbietungen aufführen. Man kam auch immer wieder mit Anteilseignern ins
       Gespräch und konnte Überzeugungsarbeit leisten.
       
       Dann kam Corona. 
       
       Bereits im März 2020 haben wir gesagt, [1][wir müssen die virtuellen
       Hauptversammlungen zumindest bei den großen Konzernen mit Präsenzprotest
       bespielen]. Dafür sind wir dann bei BASF, Bayer, BMW, Daimler und
       Rheinmetall mit anderen Nichtregierungsorganisationen vor die
       Konzernzentralen gezogen und haben dort Aktionen veranstaltet. Das haben
       wir dann über die sozialen Medien und unsere Webseiten an die
       Öffentlichkeit weitergegeben.
       
       Besonders stark war das Echo auf Ihre RWE-Aktion. 
       
       2020 lautete das Motto unserer Kundgebung vor der RWE-Zentrale in Essen
       „RWE: raus aus Kohle und Atom“. Wir haben drei Stunden Programm mit
       Protestsongs, kreativen Aufführungen von Künstlern und Reden auf die Beine
       gestellt. Und vor einer Woche überreichten wir dem scheidenden RWE-Chef
       Rolf-Martin Schmitz ein Abschiedsgeschenk: Bauschutt aus dem größtenteils
       abgerissenen Dorf Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler.
       
       Wie ist die öffentliche Resonanz auf Ihre Aktionen? 
       
       Gut. Unsere Kritik an den Unternehmen, die in der Pandemie Staatsgelder
       beantragen und dennoch Gewinnbeteiligungen ausschütten, ist vielfach
       aufgenommen worden. Außerdem ist es auch ein Gebot der gesellschaftlichen
       und innerbetrieblichen Solidarität, wenn viele Beschäftigte nur
       Kurzarbeitergeld erhalten oder gar ihre Jobs verlieren. Wir verlangen von
       den Konzernen, auch gesamtgesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen und
       dementsprechend nachhaltig zu investieren.
       
       Bislang waren Ihre Themen vor allem Rüstung, Klima und Menschenrechte. 
       
       Gesundheitsthemen rücken immer mehr in den Fokus. Natürlich müssen wir uns
       auch Gedanken machen, welche Rolle Konzerne bei der Verfügbarkeit von
       Impfstoffen spielen.
       
       Onlinehauptversammlungen bieten doch auch neue Chancen? 
       
       Der Vorteil ist, dass Referent*innen aus Südamerika, Afrika oder
       Asien nicht mehr eine lange Anreise nach Deutschland haben. De facto sind
       reine Onlinetreffen aber kein vollwertiger Ersatz für hautnahe Begegnungen.
       In der Zukunft – nach Corona – werden wir wahrscheinlich einerseits intern
       noch viele virtuelle Meetings haben, aber auch wieder Veranstaltungen mit
       direkten menschlichen Begegnungen.
       
       Industrieverband BDI und Juristenvereinigungen fordern von der
       Bundesregierung, zukünftig Hybridveranstaltungen zuzulassen. Dazu sollten
       die Treffen, die sich oft über den ganzen Tag hinziehen, „entzerrt und
       entschlackt“ werden. 
       
       Tatsächlich wäre es am besten, zu den Präsenzhauptversammlungen
       zurückzukehren und Aktionärinnen und Aktionären, die nicht anreisen können
       oder wollen, die zusätzliche Option anzubieten, ihren Redebeitrag im
       Livestream zu halten und Fragen über das Aktionärsportal einzureichen. So
       gesehen wäre das eine Hybridhauptversammlung. Wenn BDI und
       Juristenvereinigungen mit „entzerren“ und „entschlacken“ meinen, die
       Aktionärstreffen zeitlich zu verkürzen und Nachfragemöglichkeiten
       einzuschränken, sind wir als Dachverband komplett dagegen.
       
       18 May 2021
       
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