URI: 
       # taz.de -- Reaktion auf Hetze von Rechtsextremen: Anlaufstelle für bedrohte Grüne
       
       > Die Grünen-Spitze richtet ein Hilfsangebot für Mitglieder ein, die von
       > Rechten attackiert werden. Zuletzt häuften sich Drohungen und Hetze.
       
   IMG Bild: Zurzeit besonders im Visier Rechtsextremer: Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock
       
       Berlin taz | Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen: Tareq Alaows wollte
       als erster syrischer Geflüchteter in den Bundestag einziehen und trat für
       die Grünen an. Aber Ende März [1][zog der 31-Jährige seine Kandidatur
       zurück.] Die „hohe Bedrohungslage für mich und vor allem für mir nahe
       stehende Menschen“ sei der wichtigste Grund für seinen Rückzug, teilte er
       damals mit. Es hatte anonyme Morddrohungen gegen seine Familie gegeben.
       
       Die Grünen-Spitze will in Zukunft von Drohungen oder Hatespeech betroffene
       Parteimitglieder besser unterstützen. Sie hat beim Bundesvorstand eine
       Anlaufstelle gegen rechts eingerichtet, die Mitglieder und Ehrenamtliche
       berät und sie im Kampf gegen Rechtsextremismus unterstützt. Dafür wurde ein
       Mitarbeiter neu eingestellt.
       
       „In unserer Anlaufstelle ist der dafür zuständige Referent ansprechbar für
       Mitglieder, die zum Beispiel von digitalen und analogen Angriffen oder
       Shitstorms betroffen sind“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Jamila
       Schäfer am Montag der taz. „So sorgen wir dafür, dass die Betroffenen in
       kritischen Situationen Unterstützung erhalten und dass strafrechtlich
       relevante Angriffe zur Anzeige gebracht werden können.“
       
       Der Referent werde sich eng mit zivilgesellschaftlichen Stellen wie Hate
       Aid oder der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus koordinieren, sagte
       Schäfer. Der Bundesvorstand werde Leitfäden zum Umgang mit Anfeindungen,
       Verleumdungen oder Shitstorms erarbeiten.
       
       ## Virtuelle Polizeiwache gefordert
       
       Die Idee für die Anlaufstelle kam ursprünglich von betroffenen
       Grünen-Mitgliedern – und wurde bei einem Bundesparteitag als Antrag
       eingereicht. Sie trifft einen Nerv: Politisch aktive Grüne sind in sozialen
       Netzwerken häufig ein Lieblingsfeindbild für rechte Trolle,
       KommunalpolitikerInnen sind immer wieder Bedrohungen und Angriffen
       ausgesetzt. Auch Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wird zunehmend zum
       Ziel von Hassattacken. Unter ihren Tweets bei Twitter häufen sich
       frauenfeindliche Beleidigungen, seit [2][der Bekanntgabe der
       Kanzlerkandidatur] hätten gefälschte Zitate und gefakte Bilder zugenommen,
       sagte kürzlich eine Grünen-Sprecherin.
       
       Der Bundesvorstand flankiert die neue Anlaufstelle mit weiteren Maßnahmen.
       Jamila Schäfer und Ricarda Lang, beide Vizevorsitzende, haben dazu mit
       Tareq Alaows ein Strategiepapier verfasst. „Nicht erst seit Halle und Hanau
       wissen wir, dass Rechtsextremismus die größte sicherheitspolitische
       Bedrohung darstellt und unser demokratisches Zusammenleben massiv
       gefährdet“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt.
       
       Viele Menschen engagierten sich vor Ort für eine lebhafte Demokratie – im
       Ehrenamt, in der Kommunalpolitik oder als Kandidierende für Land- oder
       Bundestag. „Zunehmend werden diejenigen, die sich für die vielfältige
       Gesellschaft einsetzen, angefeindet und bedroht.“
       
       Es sei eine gemeinsame Verantwortung, rechte Bedrohungen wirksam zu
       unterbinden, politisch Aktive zu schützen und zu stärken, strukturellem
       Rassismus und Antisemitismus entgegenzutreten und das demokratische
       Miteinander zu stärken. Die Grünen hätten dazu schon viele Instrumente
       entwickelt. „Doch gerade in Bezug auf Menschen mit Rassismus- und
       Antisemitismuserfahrungen wollen und müssen wir noch besser werden.“
       
       Langfristig wollen die Grünen KandidatInnen Privatsphäre- und
       Sicherheitschecks anbieten. Ebenso sollten Mitgliedern und Ehrenamtlichen,
       die von rechten Angriffen betroffen seien, psychologische Beratungsangebote
       vermittelt werden, heißt es in dem Papier. MitarbeiterInnen in
       Geschäftsstellen sollten entsprechend weitergebildet werden. Die neue
       Anlaufstelle soll eng mit der sogenannten Vielfaltsreferentin
       zusammenarbeiten. Die haben die Grünen installiert, um die Partei
       vielfältiger zu machen, also etwa People of Color und andere besser zu
       berücksichtigen.
       
       Politisch fordern die Grünen im Kampf gegen rechts zum Beispiel ein
       flächendeckendes Netz zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen, eine
       zentrale Hotline und eine virtuelle Polizeiwache, bei der man online
       Strafanzeigen gegen Hass im Netz stellen kann.
       
       18 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Rueckzug-aus-der-Politik-wegen-Rassismus/!5758720
   DIR [2] /Gruene-Kanzlerkandidatin-Baerbock/!5767020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
   DIR Morddrohungen
   DIR IG
   DIR Rechtsextremismus
   DIR Hate Speech
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Hetze
   DIR Boris Palmer
   DIR Hetze
   DIR Annalena Baerbock
   DIR Baden-Württemberg
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ausschlussverfahren gegen Boris Palmer: Grüne gegen Grünen
       
       Boris Palmer ist mindestens so prominent wie umstritten. Am Samstag nun
       beginnt das Parteiausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister.
       
   DIR Buch „Die Shitstorm-Republik“: Im Auge des Sturms
       
       Das Buch „Die Shitstorm-Republik“ der ZDF-Journalistin Nicole Diekmann
       beschäftigt sich mit Hass im Netz. Ein allbekanntes, aber ungelöstes
       Problem.
       
   DIR Ehemann der Grünen-Kanzlerkandidatin: Baerbocks kluger Schachzug
       
       Ein Kanzleringatte als Lobbyist? So weit soll es bei den Grünen nicht
       kommen. Dabei haben sie kaum noch Berührungsängste mit der Wirtschaft.
       
   DIR Grüne wollen Boris Palmer ausschließen: Radikaler ohne Resonanzraum
       
       Nachsicht mit Tübingens OB Boris Palmer hatten die Grünen lange genug. Den
       Parteiausschluss zu versuchen, ist in zweifacher Hinsicht richtig.
       
   DIR Wahlprogramm der Grünen: Operation „Samtpfote“
       
       Um anschlussfähig an die Mitte zu bleiben, lässt die Grünen-Spitze im
       Entwurf fürs Wahlprogramm Punkte weg, für die die Partei bisher geworben
       hat.