# taz.de -- Elternschaft und Emotionen: Das größte Paradox
> Elternsein ist vollkommenes Chaos und Langweile gleichermaßen. Und dann
> wird einem oft noch klar, wie entbehrlich man ist.
IMG Bild: Babys können so süß sein, lassen aber auch ziemlich viel Babyscheiße ab
Kinder zu haben, ist das größte Paradoxon überhaupt. Einerseits
vollkommenes Chaos. Emotionen, die man vorher nicht kannte. Ich bin
überzeugt, dass es pure Liebe ist, die mich durch all die Fäkalien meiner
Kinder trägt. Schon seit dem Moment, als das Baby sich noch im Kreißsaal
auf meinem Bauch erleichtert hat. Liebe, und dass ich mir beim Wickeln
gerne Reime überlege – mein liebster bisher: Ich hab hier so viel
Babyscheiße, wie andere Journalistenpreise.
Dazu der Organisationsaufwand. Allein dass alle genug saubere Unterwäsche
haben, ist stets eine Gratwanderung: Kann ich die Wäsche in der Maschine
lassen oder muss das Kind dann in der Badehose zur Kita? Keiner sagt einem,
dass Wäsche zum Hauptlebensinhalt wird. Nicht nur das Waschen. Ich frage
mich: Wie machen das andere Eltern? Vergraben sie im Garten? Mieten die
Lagerhallen an für die Kleidung, die noch gut ist fürs nächste Kind?
Stopfen die Matratzen damit aus? Wohin mit dem ganzen Zeug?
Und andererseits ist Kinderhaben eine unfassbare Entschleunigung. Manchmal
ist es regelrecht langweilig. Dennoch hat man weniger Ruhe und Zeit als je
zuvor. Das strengt an. Spätestens, wenn das Kind auf dem Weg zu einem
Termin bei jeder Ameise in die Hocke geht und begutachtet, was das kleine
Wesen da macht – während man daneben innerlich im Dreieck springt, aber
gleichzeitig weiß: Es bringt überhaupt nichts, jemanden zur Eile
anzuhalten, der das Konzept von Zeit noch nicht verstanden hat.
Die Entschleunigung beginnt schon in der Schwangerschaft. Heb dies nicht,
mach das nicht – den Rest tut der Körper. Und die hormonelle Müdigkeit legt
sich über einen wie eine schwere Daunendecke am kalten Wintertag. Dann das
Wochenbett. Liegen, bis ein ganzes Hummelvolk im Hintern surrt. Aber: Schon
dich! Sonst Inkontinenz mit Ende 30. Wer will das schon. Und schließlich
die Elternzeit, in der man für gewöhnlich allmählich erkennt, wie sehr man
sich zuvor über einen Job definiert hat. Wie füllt man dieses Loch, ohne
jeglichen Respekt vor sich selbst zu verlieren? Wurde eigentlich schon mal
erforscht, wie Wochenbettdepression und [1][verminderte Berufschancen von
Müttern korrelieren?]
Dass wir Menschen größtenteils in beruflicher Hinsicht recht leicht
ersetzbar sind, war mir vor dem ersten Kind schon klar. Dennoch hatte ich
damals daran zu kauen. Und auch diesmal wundere ich mich, wenn ich mit dem
Baby so in den Tag hineinlebe, während in meinem Kopf die Gedanken zu
gordischen Knoten werden, wie sehr ich doch Teil dieser
Leistungsgesellschaft bin. Wann ist das passiert? Bin ich ohne meine
Visitenkarte nicht gut genug? Die Antwort ist schwieriger, wenn man
finanziell davon abhängig ist.
Die Welt dreht sich auch ohne einen weiter. [2][In der Pandemie etwas
langsamer als sonst], aber doch. Andere tun große Schritte, während man
selbst die ewig gleiche Runde im Park dreht. Eine Herausforderung, die
krank machen, aber auch heilen kann.
8 Jun 2021
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## AUTOREN
DIR Saskia Hödl
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