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       # taz.de -- Abfalltrennung in Spanien: Müllaufruhr in Barcelona
       
       > Um die EU-Vorgaben für Recycling zu erfüllen, will Spanien ein neues
       > Gesetz beschließen. Mancherorts sorgte das für richtig Ärger.
       
   IMG Bild: Bisher wurde in Barcelona der zuhause getrennte Müll zu Containern auf der Straße gebracht
       
       Madrid taz | Eigentlich wollte sie eine Erfolgsmeldung verbreiten. Die für
       die Altstadt von [1][Barcelona] zuständige Stadträtin Lucía Martín hatte
       vergangenen Donnerstag den Rat des Viertels San Andreu zusammengerufen.
       Dank des neuen Müllsystems „Von Tür zu Tür“ habe sich in nur einer Woche
       die Mülltrennungsquote im Stadtteil fast verdoppelt, verkündete sie stolz.
       Doch dann musste sie die Sitzung abbrechen. Protestierende Anwohner drangen
       in den Saal und skandierten: „Wir sind kein Müllaufbewahrungsort.“ Tage
       zuvor hatten die gleiche Initiative ihren Müll vor das Rathaus getragen.
       
       Grund für die Verärgerung: Statt wie bisher das Ergebnis der heimischen
       Mülltrennung zu Containern auf der Straße zu bringen, holt die Müllabfuhr
       nun jeden Tag einen andere Müllsorte ab. Drei Tage die Woche darf der
       organische Müll zwischen 20 und 22 Uhr vor die Tür gestellt werden.
       
       An anderen Tagen ist Karton, Plastik oder Restmüll an der Reihe. Die
       Anwohner klagen, dass sie durch das neue System gezwungen seien, den Müll
       innen zu lagern. Bisher wurde er in Barcelona, wie in den meisten Orten
       Spaniens, täglich abgeholt, damit er in der Hitze nicht vor sich hingammelt
       und bestialisch stinkt. Wenn in den mit einem Chip ausgestatteten Beuteln
       nun nicht das drin ist, was drin sein darf, versehen ihn die Müllkutscher
       mit einem Aufkleber und lassen ihn einfach vor der Tür stehen.
       
       Grund für die Umstellung: Das neue System soll helfen, die
       [2][Recyclingquote endlich auf die von der EU bereits für 2020 geforderten
       50 Prozent] anzuheben. Derzeit erreicht Spanien nur 35 Prozent, Tendenz
       zuletzt sinkend.
       
       ## Bis 45 Prozent Mülltrennung
       
       Insgesamt fallen in Spanien jährlich über 22 Millionen Tonnen Haushaltsmüll
       an. Davon werden 4,5 Millionen Tonnen mittels Mülltrennung gesammelt, 17,5
       Millionen ungetrennt. 23 Prozent des gemischten, aber 85 Prozent des
       getrennten Mülls wurden recycelt. Mit diesen Zahlen rechnen 16
       Umweltorganisationen, die Spanien bei der EU wegen der Nichterfüllung des
       2020-Zieles angezeigt haben, folgendes vor: „Spanien muss für 50 Prozent
       Recycling mindestens 40 bis 45 Prozent Mülltrennung erreichen.“ Brüssel
       ermittelt derweil, eine Strafe droht.
       
       „Spanien steht nicht gut da“, gibt die Ministerin für Ökologischen Umbau,
       Teresa Ribera, unumwunden zu. Noch vor der Sommerpause will die Regierung
       ein neues Müllgesetz verabschieden. Es sieht neben Steuern für
       Einweg-Plastikartikel auch Abgaben für Haushaltsmüll vor, der auf
       Müllhalden und in der Verbrennung landet. Bisher war dies Angelegenheit der
       Regionen. Während einige hohe Abgaben erheben, um damit einen Anreiz für
       die Wiederverwertung zu schaffen, ist die Mülllagerung und -verbrennung in
       anderen Regionen sehr günstig.
       
       Die Folgen: Mülltourismus. Außerdem soll eine landesweite Müllabgabe für
       die Haushalte dafür sorgen, das die Kommunen Geld für weitere
       Recyclingprogramme haben. Ribera will mit dem neuen Gesetz bis 2035 eine
       Recyclingquote von 65 Prozent erreichen. Dann soll nur noch ein Fünftel des
       aktuellen Müllvolumens auf der Halde landen. So sieht es auch die EU vor.
       Die größte Herausforderung dabei ist der organische Müll. Bis Jahresende
       müssen alle Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern diese Art Abfälle
       gesondert einsammeln. In Madrid gibt es nun sogar in allen Stadtteilen eine
       braune Tonne.
       
       Nur eine Großstadt, Zaragoza, erfüllt die 50-Prozent-Vorgabe. Die Gemeinde
       im Nordosten des Landes hat zwei Pilotprojekte durchgeführt. „In einem
       wurde ein Tag organischer Müll und am nächsten Tag Restmüll abgeholt, in
       der gleichen Tonne“, berichtet Juan Antonio Gordon, Sprecher der
       Stadtverwaltung. Das funktionierte nur bedingt.
       
       In einem anderen Stadtteil wurden Container für den organischen Müll
       aufgestellt. Jeder Haushalt erhielt einen Schlüssel. Die Tatsache, für den
       Container mitverantwortlich zu sein, zeitigte Erfolg. In den Containern
       landete „organischer Müll pur“, so Gordon. Das Modell soll nun Vorbild für
       die gesamte Stadt werden.
       
       9 Jun 2021
       
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