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       # taz.de -- Deutscher Olympischer Sportbund: Erstaunliche Diskrepanz
       
       > Die Ethikkommission des DOSB stellt Präsident Hörmann nach Untersuchung
       > vieler Vorwürfe ein schlechtes Zeugnis aus. Sie rät zu Neuwahlen.
       
   IMG Bild: Zu viel Selbstbespiegelung: Alfons Hörmann in der Kritik
       
       Eines muss vorweg positiv festgehalten werden. Alfons Hörmann, der höchste
       deutsche Sportfunktionär, wurde von dem Vorwurf entlastet, im Ärger mit
       Untergebenen sich gern einmal greifbarer Wurfgeschosse zu bedienen. Im
       Bericht der Ethikkommission vom DOSB heißt es: „Es ergaben sich keine
       Anhaltspunkte, dass mehrfach ‚Stifte oder sonstige Gegenstände‘ von
       Präsident Hörmann auf Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter geworfen worden
       sind.“
       
       Lediglich ein einziger, „nicht gezielter“ Stiftewurf „von unten nach oben“
       konnte im Bericht nachgewiesen werden, bei dem sich Hörmann Ruhe für einen
       Vortrag verschaffen wollte. Ein vergleichsweise lässliches Vergehen, zumal
       der DOSB-Chef sich prompt dreieinhalb Wochen später dafür entschuldigt hat.
       
       Ansonsten aber stellen die Einschätzungen und Empfehlungen der Ethikwächter
       der DOSB-Führung um Hörmann ein miserables Zeugnis aus. [1][Die
       Ethikkommission] wurde eingeschaltet, nachdem am 6. Mai ein anonymer Brief
       im Namen von DOSB-Mitarbeiter:innen öffentlich wurde. In dem Schreiben
       wurden schwere Vorwürfe insbesondere auch gegen Hörmann erhoben und ein
       Klima der Angst im Dachverband beschrieben.
       
       Vorgezogene Neuwahlen im Dezember hat nun die Ethikkommission unter dem
       Vorsitz des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière empfohlen. Es
       fehle offensichtlich an gegenseitigem Vertrauen. „Es gibt zu viel
       Selbstbespiegelung, Demotivation und Gerüchte, Unzufriedenheit und
       Unklarheit.“
       
       ## Gespaltene Wahrnehmung
       
       Aufgefallen sind der Ethikkommission insbesondere die Einschätzungen zum
       Vorwurf, [2][im DOSB herrsche ein Klima der Angst]: „Die Diskrepanz der
       widersprüchlichen Meinungen, die der Ethikkommission zu diesem Thema
       vorgetragen worden sind, ist erstaunlich und für sich genommen schon ein
       Problem.“ Während die einen insbesondere Hörmann schwere Vorwürfe gemacht
       hätten, haben andere wiederum ausdrücklich seine Führung im „Geiste der
       Wertschätzung“ gelobt. Hörmann selbst habe der Kommission zugesagt, seinen
       Führungsstil selbstkritisch zu reflektieren und an sich zu arbeiten.
       
       Interessant ist, dass die Stellungnahme der DOSB-Ethikkommission weit über
       die Probleme der Binnenverhältnisse im Dachverband hinausgeht. „Es ist auch
       zu konstatieren, dass die Beziehungen des Präsidenten/Präsidums/Vorstands
       zu Teilen der Spitzenverbände, zu Teilen der Landesverbände, zum
       Internationalen Olympischen Komitee, zum Bundesministerium des Inneren und
       zu wichtigen Teilen der Medien dringend verbessert werden müssen.“ Unter
       anderem hatte auch IOC-Präsident Thomas Bach der Ethikkommission eine
       Stellungnahme zugesandt.
       
       Dagmar Freitag (SPD), die Sportausschussvorsitzende des Bundestages, nannte
       den Vorschlag der Ethikkommission, im Dezember auf einer außerordentlichen
       Mitgliederversammlung Neuwahlen zu organisieren, einen „Ausweis des
       Misstrauens“. Angesichts der schweren Vorwürfe, die im Raum stünden, frage
       sie sich, wie der DOSB weiterhin „Business as usual“ machen könne,
       beispielsweise mit der Benennung des Präsidenten als Delegationsleiter für
       die Olympischen Spiele in Tokio.
       
       ## Hörmann muss sich Vertrauen wieder erarbeiten
       
       Freitag ließ anklingen, dass sie sich radikalere Vorschläge der
       Ethikkommission hätte vorstellen können. Hörmann wurde durch das Gremium
       noch eine Tür offengehalten. Unter anderem hielt man fest, Hörmann könne
       nun in den kommenden Monaten um neues Vertrauen werben. Neue Kandidaten
       hätten wiederum genügend Zeit, mit ihren Konzepten für einen Neuanfang zu
       werben.
       
       Mit Blick auf mögliche Neuwahlen wird die Frage von Bedeutung sein, welche
       Art von Wahlkampf in dem konstatierten Klima der Angst denn möglich ist.
       Bislang liegt lediglich die Stellungnahme des DOSB-Präsidiums und Vorstands
       vom Montagabend vor. Darin heißt es, man bedanke sich bei der
       Ethikkommission für die Arbeit und werde ihre Empfehlungen auf Sitzungen am
       Montag und Dienstag „intensiv diskutieren und beraten“.
       
       8 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dosb.de/ueber-uns/ethik-kommission
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       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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