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       # taz.de -- Groko beschließt Überwachungsgesetze: Staatstrojaner kommt
       
       > Verfassungsschutz und Bundespolizei dürfen bald verschlüsselte
       > Kommunikation überwachen. Saskia Esken (SPD) fremdelt mit den
       > Groko-Gesetzen.
       
   IMG Bild: Saskia Esken lehnt den Einsatz von Staatstrojanern generell ab
       
       Freiburg taz | Im Bundestag wird es an diesem Donnerstag gleich zwei Mal um
       „Staatstrojaner“ gehen. Den Geheimdiensten und auch der Bundespolizei soll
       die Installation von staatlicher Späh- und Abhörsoftware auf Computern und
       Smartphones erlaubt werden. SPD-Chefin Saskia Esken lehnt die von ihrer
       Partei mitgetragenen Gesetze ab.
       
       Konkret geht es jeweils um die Telekommunikations-Überwachung (TKÜ) von
       verschlüsselten Nachrichten. Hier muss der Staat bereits im Gerät, also an
       der Quelle, ansetzen, bevor die Kommunikation verschlüsselt wird. Man
       spricht deshalb von Quellen-TKÜ. Eingesetzt werden dazu Staatstrojaner, die
       noch unverschlüsselte Telefonate, Emails und SMS an die Sicherheitsbehörden
       ausleiten.
       
       Quellen-TKÜ ist zur Strafverfolgung bereits seit 2017 in der
       Strafprozessordnung zugelassen. Die meisten Landes-Polizeigesetze sehen die
       Quellen-TKÜ auch zur Gefahrenabwehr, etwa zur Verhütung noch nicht
       begangener Straftaten, vor.
       
       Weil es schwer ist, Staatstrojaner auf Computern und Smartphones zu
       installieren, [1][kommen sie nur selten zum Einsatz]. Nach den jüngsten
       Zahlen des Bundesamts für Justiz für 2019 wurde die Quellen-TKÜ bundesweit
       nur drei Mal durchgeführt. Das Bundesinnenministerium geht davon aus, dass
       der Verfassungsschutz und andere Nachrichtendienste heute schon die
       Quellen-TKÜ anwenden dürfen, obwohl sie nicht geregelt war.
       
       ## Spähsoftware greift vor Verschlüsselung ab
       
       Die Neuregelung erlaubt nun zusätzlich auch die Anwendung der Quellen-TKÜ
       auf [2][Messenger]. Aus technischen Gründen muss hier auch auf bereits
       gespeicherte Kommunikation und nicht nur auf laufende Kommunikation
       zugegriffen werden. Das Ministerium nennt dies „Quellen-TKÜ plus“.
       Verfassungsschützer in Bund und Ländern, aber auch der
       Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst, bekommen
       hierfür nun eine Rechtsgrundlage.
       
       Saskia Esken machte am Mittwoch per Twitter klar, dass sie den Einsatz von
       Staatstrojanern durch Nachrichtendienste generell ablehnt. Sie respektiere
       aber die Entscheidung der SPD-Fraktionsmehrheit. Umstritten war zuletzt vor
       allem eine Mitwirkungspflicht der Internet-Provider bei der Installation
       der Staatstrojaner. Hier hatten neben den Digitalpolitikern der SPD auch
       Wirtschaftspoltiker Bedenken.
       
       Die SPD konnte in den Verhandlungen mit der Union immerhin erreichen, dass
       die Firmen keine Hilfe zur Entschlüsselung von Kommunikation leisten
       müssen. Dies ist aber auch nicht erforderlich, wenn der Staatstrojaner die
       noch unverschlüsselte Kommunikation abgreift.
       
       Beim Bundespolizeigesetz hat die SPD durchgesetzt, dass es nur normale
       Quellen-TKÜ, keine „Quellen-TKÜ plus“ gibt. Das heißt, der Staatstrojaner
       darf Anrufe, Emails und SMS ausleiten, keine Messenger-Chats.
       
       ## Esken schloss präventiven Einsatz aus, Fraktion stimmte zu
       
       Kontrovers war beim Bundespolizeigesetz zuletzt vor allem, ob die
       Quellen-TKÜ nur zur Strafverfolgung oder auch zur Gefahrenabwehr eingesetzt
       werden darf. Esken hatte vor drei Monaten einen präventiven Einsatz
       ausgeschlossen. Die Fraktion entschied sich nun anders, auch weil die
       Quellen-TKÜ bei der Bundespolizei nur auf zwei Deliktfelder beschränkt ist:
       den Kampf gegen illegales Einschleusen von Ausländern und gegen den
       Menschenhandel.
       
       Sowohl beim Verfassungsschutz als auch bei der Bundespolizei hat die SPD
       durchgesetzt, dass keine Online-Durchsuchung möglich ist. Hierbei werden
       mithilfe des Staatstrojaners alle gespeicherten Inhalte der Festplatte
       durchsucht. Beim Bundesverfassungsgericht sind derzeit [3][Verfahren gegen
       Quellen-TKÜ] und Online-Durchsuchung anhängig.
       
       9 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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