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       # taz.de -- Julian Reichelt gegen den „Spiegel“: Einstweilige Verfügung erwirkt
       
       > „Bild“-Chef Julian Reichelt hat eine einstweilige Verfügung gegen den
       > „Spiegel“ erwirkt. Der betreffende Artikel steht aber noch unverändert
       > online.
       
   IMG Bild: Julian Reichelt hat eine einstweilige Verfügung gegen den „Spiegel“ erwirkt, Aufnahme von 2018
       
       „Verdachtsberichterstattung“ bedeutet, dass Medien über Anschuldigungen
       gegen eine Person berichten, die noch nicht zweifelsfrei belegt sind. In
       der Regel wird Verdachtsberichterstattung mit großem öffentlichen Interesse
       begründet, etwa aufgrund eines wichtigen Postens oder des Promi-Status
       einer Person. Verdachtsberichterstattung ist jedoch nur zulässig, wenn der
       beschuldigten Person ausreichend Zeit und Gelegenheit gegeben wird, sich zu
       allen gegen sie erhobenen Vorwürfen zu äußern.
       
       [1][Im März hat der Spiegel] eine solche Verdachtsberichterstattung über
       den Bild-Chef Julian Reichelt betrieben. Gegen den entsprechenden Artikel
       hat Reichelt nun offenbar einen juristischen Teilerfolg erzielt. Laut Neue
       Zürcher Zeitung hat das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung
       gegen einzelne Behauptungen aus einer Spiegel-Recherche über Reichelt vom
       12. März ausgestellt. Das Gericht geht offenbar davon aus, dass Reichelt
       nicht ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, um sich zu äußern.
       
       Der Spiegel bestätigt, dass eine einstweilige Verfügung eingegangen ist.
       Das Gericht habe begründet, dass „prozessual davon auszugehen ist, dass dem
       Antragsteller keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben
       wurde“. Der Spiegel möchte sich aber nicht äußern, um welche Behauptungen
       es genau geht.
       
       Der Bild-Chefredakteur war im März zehn Tage [2][von seinem Posten
       beurlaubt worden], wegen interner Vorwürfe gegen seinen Führungsstil und
       mutmaßlicher Vermischung von beruflichen und privaten Verhältnissen. Der
       Spiegel berichtete damals, dass „rund ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen“
       Beschwerden gegen Reichelt vorgebracht hätten, unter anderem wegen Mobbing,
       Nötigung und Machtmissbrauch.
       
       ## Artikel ist noch unverändert online
       
       Unter dem Titel „Vögeln, fördern, feuern“ sprach der Spiegel von einem
       „System Reichelt“, in dem der Chefredakteur als erratischer Vorgesetzter
       beschrieben wurde, der nach Laune und persönlichem Geschmack vor allem
       weibliche Mitarbeiterinnen schnell fördere – oder auch schnell abserviere.
       Die Überschrift des Artikels soll ein verlagsinternes Zitat sein, mit dem
       jemand bei Springer dieses „System Reichelt“ beschreibe.
       
       Im März sagte der Spiegel der taz, man habe für diesen Artikel den
       Bild-Chef mehrfach „offiziell über die Pressestelle des
       Axel-Springer-Verlages“ konfrontiert. Von der Pressestelle habe man
       daraufhin Stellungnahmen erhalten. Reichelt gibt nun offenbar an, „von der
       Kommunikationsabteilung des Axel-Springer-Verlages nicht über unsere Fragen
       informiert worden zu sein“.
       
       Das hat Reichelt eidesstattlich versichert, wie einem Hinweis zu entnehmen
       ist, den der Spiegel unter den Artikel gesetzt hat. Eine Spiegel-Sprecherin
       sagte der taz am Freitag, man gehe beim Verlag „weiter davon aus, dass es
       ausreichend war, Stellungnahmen über die Unternehmenskommunikation
       einzuholen“.
       
       Der Text ist nach wie vor unverändert online. Außer dem genannten Hinweis
       gab es keine Änderungen. Bisher deutet nichts darauf hin, dass bestimmte
       Behauptungen gerichtlich verboten worden sind. Seitens des Spiegel heißt
       es, man prüfe, ob man überhaupt Widerspruch einlegen werde, „auch vor dem
       Hintergrund, dass die Folgen für den Artikel gering sind“.
       
       21 May 2021
       
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