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       # taz.de -- Neue Regierung in Katalonien: Koalition für die Unabhängigkeit
       
       > Die Befürworter der Abspaltung von Spanien, die im Februar eine Mehrheit
       > in Katalonien erzielten, haben sich auf eine Regierung geeinigt.
       
   IMG Bild: Pere Aragones nach seiner Wahl zum „Präsidenten der Generalitat“ in Barcelona
       
       Madrid taz | Die Region Katalonien hat eine neue Regierung. Nach drei
       Monaten zäher Verhandlungen und einer gescheiterten Amtseinführung im März
       wählte das Parlament in der katalanischen Hauptstadt Barcelona im Nordosten
       Spaniens am Freitagnachmittag Pere Aragonès zum neuen „Präsidenten der
       Generalitat“, so der offizielle Titel des katalanischen
       Ministerpräsidenten.
       
       Der 38-jährige Politiker steht einer Koalition aus seiner Republikanischen
       Linken Kataloniens (ERC) und der Junts per Catalunya (JxCat – Gemeinsam für
       Katalonien) des im Brüsseler Exil lebenden ehemaligen katalanischen
       Regierungschefs [1][Carles Puigdemont] vor. Die antikapitalistische CUP
       unterstützt Aragonès ebenfalls.
       
       Der neue katalanische Regierungschef vereinigt somit das gesamte Spektrum
       derer hinter sich, die eine Loslösung Kataloniens von Spanien wollen. Die
       Befürworter der Unabhängigkeit [2][erzielten am 14. Februar] gemeinsam 50,8
       Prozent der Stimmen und halten seither 74 der 135 Sitze im katalanischen
       Parlament, so viele wie nie zuvor. Sie alle stimmten für Aragonès, der Rest
       dagegen.
       
       „Mit einer Hand werden wir gegen Covid und die Krise kämpfen, mit der
       anderen werden wir in Richtung Unabhängigkeit voranschreiten“, versprach
       Aragonès in seiner Vorstellungsrede. Er hofft, dass die kommenden vier
       Jahre entscheidend werden auf dem Weg zu einer unabhängigen Republik
       Katalonien. Er will den Dialog mit der spanischen Linksregierung unter dem
       Sozialisten Pedro Sánchez suchen. Das Ziel: „Die Sache mit Schottland
       möchte ich für Katalonien. Und dass Spanien die gleiche Rolle wie das
       Vereinigte Königreich übernimmt“, erklärte er und verwies damit auf
       überwältigenden [3][Wahlsieg der schottischen Unabhängigkeitsbefürworterin]
       und Präsidentin Nicola Sturgeon, die die Abhaltung ein zweites
       Unabhängigkeitsreferendums verlangt.
       
       ## Aragonès sieht ein Vorbild: Schottland
       
       Auch Katalonien hat im Oktober 2017 bereits einmal abgestimmt. Doch wurde
       der Urnengang von Madrid verboten und die Verantwortlichen zu bis zu 13
       Jahren Haft verurteilt. Unter ihnen der Parteichef von Aragonès' ERC, Oriol
       Junqueras, der zur Amtseinführung seines Genossen Freigang erhielt. Er war
       einst Vizeregierungschef unter dem exilierten Puigdemont, gegen den ein
       Auslieferungsgesuch wegen „Aufstand“ läuft.
       
       Sein Ziel sei „das Referendum und die Amnestie“ für die Inhaftierten,
       erklärte Aragonès. „Großbritannien hat versucht, die Schotten zu verführen.
       Und das möchte ich hören. Dass der Staat uns erklärt, warum wir in Spanien
       weitermachen sollen, was sie uns vorschlagen. Und vor allem, dass sie keine
       Angst vor der Wahlurne haben und auch keine Angst davor, zu verlieren“,
       fügte er hinzu.
       
       Die vorgezogenen Wahlen am 14. Februar waren notwendig geworden, nachdem
       die spanische Justiz den damaligen Präsidenten der Generalitat, [4][Quim
       Torra], des Amtes enthoben hatte, weil er sich in einem früheren Wahlkampf
       geweigert hatte, der Wahlaufsicht Folge zu leisten und ein Transparent in
       Solidarität mit den Inhaftierten und Exilierten abzuhängen. Aragonès war
       damals Vize-Regierungschef.
       
       Am 14. Februar erreichte ERC mehr Stimmen als JxCat. Eine Koalition unter
       umgekehrter Reihenfolge zu schmieden war nicht leicht. JxCat wollte
       weiterhin ihren exilierten Chef Puigdemont in die katalanische Politik
       einbinden. Das gelang schließlich auch. Das Abkommen zur Regierungsbildung
       sieht vor, dass ein breites Bündnis aus Parteien und Vereinigungen,
       darunter auch der „Rat der Republik“ von Puigdemont, gemeinsam entscheidet,
       welchen Kurs die Unabhängigkeitsbewegung einschlägt. Dieses Bündnis wird
       auch die Verhandlungen von Aragonès mit der Zentralregierung bewerten.
       
       Mit Aragonès steht erstmals seit den 1930er Jahren ein ERC-Politiker und
       nicht ein Präsident aus dem Mitte-Rechts-Spektrum der Generalitat vor. Der
       letzte linksrepublikanische Präsident, Lluís Companys, ging während des
       spanischen Bürgerkrieges ins Exil. 1940 wurde er nach seiner Festnahme im
       besetzten Frankreich durch die deutsche Gestapo an das faschistische
       Spanien ausgeliefert, dort gefoltert und schließlich hingerichtet.
       
       21 May 2021
       
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