# taz.de -- Studie zu Kinderarbeit: Erschreckende Vereinfachung
> Unicef hat eine neue Studie herausgebracht. Dort objektifiziert das
> Kinderhilfswerk die Betroffenen zu Opfern, statt ihnen zuzuhören und sie
> mitreden zu lassen.
IMG Bild: Der zwöfjährige Hasibur arbeitet in einer Topf-Manufaktur in Bangladesch
Corona verschlechtert die Lage von Kindern weltweit. Nach den
Schulschließungen im globalen Süden werden viele nie mehr ins Klassenzimmer
zurückfinden, fürchten Expert*innen. Vor allem die Berufschancen vieler
Mädchen zerbröseln, eine massive Zunahme von Kinderehen und häuslicher
Gewalt wird erwartet. Doch so wie in Deutschland die Interessen der Kinder
in der Pandemie nur eine Nebenrolle spielen, ist es auch auf globaler
Ebene.
Am Mittwoch meldete Unicef, dass die Zahl der arbeitenden Kinder auf 160
Millionen gestiegen sei. Davon abgesehen, dass das eine Exaktheit
suggeriert, die die realen Statistiken nicht hergeben, spiegelt sich darin
die Perspektive von Erwachsenen. Sie machen die Kinder zu Opfern und
Objekten internationaler Fürsorge, statt sie als real existierende Menschen
ernst zu nehmen.
Das offizielle Ziel, [1][Kinderarbeit bis 2025 abzuschaffen], dient in
erster Linie dem wohligen Gefühl gut bezahlter Erwachsener in
klimatisierten Büros, die Moral auf ihrer Seite zu haben. Tatsächlich
schadet das Verbot von Kinderarbeit vielen Betroffenen. Händler vertreiben
sie vom Marktplatz, Polizisten sperren sie ein, Arbeitgeber prellen sie um
ihren Lohn. Weil ihr Tun illegal ist, sind arbeitende Kinder rechtlos. Dass
das Verbot dazu führt, dass sie stattdessen in die Schule gehen, ist eine
Illusion. Im Gegenteil: Gerade weil sie arbeiten, haben [2][viele Kinder
überhaupt die Chance, das nötige Geld für den Unterrichtsbesuch
zusammenzubekommen].
Wer die Lage von arbeitenden Kindern wirklich verbessern will, sollte ihnen
echte Mitspracherechte geben. Sie sind die Expert*innen ihrer
Lebenssituationen – und die sind höchst vielfältig. In Lateinamerika, Asien
und Afrika haben sich in den vergangenen Jahrzehnten [3][Kinderbewegungen
gebildet], die auf Solidarität setzen und die Arbeitsbedingungen verbessern
wollen. Doch bis heute dürfen sie auf den Veranstaltungen der
Internationalen Arbeitsorganisation ILO nicht selbst sprechen – selbst wenn
es um Kinderarbeit geht. Denn die ist ja schließlich verboten und soll
ausgerottet werden.
10 Jun 2021
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## AUTOREN
DIR Annette Jensen
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