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       # taz.de -- Kunstfestival 48 Stunden Neukölln: Das ist die Neuköllner Luft
       
       > Das Kulturfestival 48 Stunden Neukölln findet an diesem Wochenende als
       > hybride Veranstaltung aus physischen Events und Streaming statt.
       
   IMG Bild: Fliegender Teppich, zu sehen in der Kindl-Brauerei bei 48 Stunden Neukölln
       
       Die Digitalisierung des Kulturlebens aufgrund von Corona ist gekommen, um
       zu bleiben. Die Ära des Streams wird auch beim hoffentlich bald nahenden
       Ende der Pandemie nicht vorüber sein.
       
       Das klingt wie eine Drohung – die Veranstalter und Veranstalterinnen des
       vom 18. bis zum 20. Juni stattfindenden Kunstfestivals „48 Stunden
       Neukölln“ wollen dies aber als Chance verstanden wissen. Analoge Formate
       würden bei der 23. Ausgabe der über den ganzen Bezirk verteilten Kunst- und
       Kultursause ins Digitale übertragen werden. Und umgekehrt werde oft mit
       digitalen Mitteln bei der gezeigten Kunst gearbeitet, sagt Shamila Asharma
       von der Festivalleitung. Man habe es schließlich nun mit einer
       „Hybridveranstaltung“ zu tun.
       
       Was sicherlich besser ist als das komplette Abwandern ins Netz, das bei „48
       Stunden Neukölln“ im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemielage vonnöten
       war. Asharma will bei der online gegebenen Pressekonferenz zum diesjährigen
       Analog-Digital-Zwitter den Mischmasch aus Digitalangeboten und der an den
       unterschiedlichsten Orten in Neukölln physisch erlebbaren Kunst aber nicht
       als eine weitere Verlegenheitslösung verstanden wissen. Sondern als
       kuratorische Möglichkeit, alles noch vielgestaltiger präsentieren zu können
       als bei den bisherigen Festivals. „Die Arbeiten werden digital nicht nur
       abgebildet, sondern umgedeutet“, verspricht sie. Allein 48 Stunden lang
       Kunst und Kultur vor Ort in Neukölln zu erleben, reicht also nicht mehr,
       man muss für die echte Festivalerfahrung schon auch noch zusätzlich den
       Rechner daheim anwerfen.
       
       Das Festivalmotto in diesem Jahr lautet „Luft“. Nach „Boom“ im Jahr 2020
       hat man sich damit wieder für ein recht offenes, in allerlei Richtungen
       interpretierbares Leitmotiv entschieden. Die Neuköllner Kulturstadträtin
       Karin Korte (SPD) scheint sich vor ihren einführenden Worten bei der
       Pressekonferenz zum Kunst- und-Kultur-Fest allerlei Gedanken zum Thema
       gemacht zu haben. „Das Virus liegt in der Luft“, weiß sie etwa, genauso
       sicher sei jedoch beruhigenderweise: „Gutes liegt in der Luft“.
       
       Hätte bloß noch gefehlt, dass sie ein paar Strophen aus John Paul Youngs
       Song „Love is in the air“ angestimmt hätte. Dafür findet Korte dann noch,
       der Neuköllner Kulturevent sei eine gute Möglichkeit, nach den letzten
       nervenaufreibenden Monaten mal wieder wahlweise „Atem zu holen“ und eine
       „Atempause“ einzulegen. An dieser Stelle sei auch noch auf die [1][Homepage
       von „48 Stunden Neukölln“] verwiesen. Denn dort wird weiter über das
       sinniert, was uns alle umgibt. Ohne Luft kein Leben, ist da etwa zu
       erfahren, und nicht zu vergessen: „I can’t breathe“.
       
       250 Kunstprojekte von 600 Künstlern und Künstlerinnen werden bei dem
       Festival in diesem Jahr zu sehen, zu erleben oder daheim am Computer zu
       bestaunen sein. Thorsten Schlenger, ein weiterer Leiter des Festivals, gibt
       an, dass man sehr zufrieden mit dem reichhaltigen Angebot von Kunst und
       Kultur sei. Immerhin seien diverse Sponsoren aufgrund der ungewissen
       Coronalage kurzfristig abgesprungen, was bei der Planung nicht gerade
       geholfen habe.
       
       Dankbar sei man dem Bezirk Neukölln, der Kunst für alle im Kiez ein
       weiteres Mal trotz diverser Widrigkeiten möglich gemacht habe. Wenngleich
       auch aufgrund der aktuellen Coronabestimmungen und anhaltender Auflagen
       beim gemeinsamen Erfahren von Kunst nicht so viele Menschen wie üblich
       kulturell etwas erleben könnten. Es würden sicherlich weniger als die
       70.000 Besucher und Besucherinnen aus vorpandemischen Zeiten am Wochenende
       durch Neukölln streifen.
       
       Neben Kunst im öffentlichen Raum wird es auch Musikkonzerte geben. Darunter
       eine Jamsession, bei der das Publikum ausdrücklich mit teilnehmen kann.
       Bespielt werden das Tempelhofer Feld genauso wie Kneipen im Kiez und Orte
       im öffentlichen Raum.
       
       Es wird Installationen, Performances und, wie Shamila Asharma das nennt,
       künstlerische „Interventionen“ über den ganzen Bezirk verteilt geben. Unter
       anderem auch eine Kunstaktion, die als „Air-Beauty-Behandlungen“ firmiert,
       womit wir noch einmal beim Thema „Luft“ angekommen wären. Die zum Großteil
       in Berlin lebenden und aus aller Welt stammenden Künstler und Künstlerinnen
       stellen Werke aus, die Namen tragen wie „In luftigen Gefilden“ oder „Das
       ist nicht die Berliner Luft, Luft, Luft“.
       
       Was endgültig beweist, dass den wilden Assoziationen zum Wörtchen „Luft“
       bei den diesjährigen „48 Stunden Neukölln“ einfach nicht zu entkommen sein
       wird. Das gilt auch für jüngere Besucher: Die seit jeher bevorzugt von dem
       Festival angesprochenen Kinder und Jugendlichen bekommen ein Sonderprogramm
       kredenzt, das unter dem Motto „Luft und Liebe“ steht. Wonach sie dann
       sicherlich singen werden: „Love is in the air“.
       
       11 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://48-stunden-neukoelln.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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